Frage an Christine Scheel von Sven A. bezüglich Finanzen
Sehr geehrte Frau Scheel,
In Island wurde heute eine neue Kaupthing Bank unter isländischer Staatsführung gegründet. Die internationalen Geschäfte sind aber nicht eingeschlossen.
Was bedeutet dies für die mehr als 30.000 deutschen Anleger der Kaupthing Bank, die noch immer auf die mehr als 300 Millionen Euro hart erarbeiteter Spareinlagen warten?
Ich selbst habe am 08.10.2008 mein ganzes Guthaben auf mein Referenzkonto überwiesen. Leider wurde diese Überweisung zwar bestätigt, aber nicht ausgeführt.
Wird diese Überweisung automatisch ausgeführt, wenn das Moratorium aufgehoben wird oder wurde diese Überweisung ohne Ausführung gelöscht?
Welche Lösung will die Bundesregierung bei den Verhandlungen mit Island erreichen?
Ist die Bundesregierung so zurückhaltend gegenüber Island, weil man intern von den Problemen der Bayern LB wusste?
Warum wird der Bayern LB mit 4,6 Mrd. Euro geholfen, obwohl sie sich auch in Island verspekuliert hat, während die mehr als 30.000 deutschen Anleger bisher keine Hilfe erhalten? Wir haben unser Geld bei einer Bank in Frankfurt angelegt, die von der BaFin eine Zulassung erhalten hat, weil Island Mitglied der EWU ist. Somit gibt es auch geltendes Recht, wonach uns Anlegern mindestens 20.800 € durch den Einlagensicherungsfonds zustehen. Diese Forderung sollte die Bundesregierung mit Hochdruck durchsetzten. Und zwar so, dass nicht 30.000 deutsche Anleger ihre Ansprüche beim isländischen Einlagensicherungsfonds geltend machen müssen, sondern indem automatisch die Guthaben bis 20.800 € auf die Referenzkonten überwiesen werden. Wird so eine Lösung angestrebt und wie lange dauert es, bis die Lösung offiziell wird!
Danke für Ihre Antwort,
Gruß Sven Apfelstädt
Sehr geehrter Herr Apfelstädt,
vielen Dank für Ihre Email. Ich kann Ihren Unmut und Ihren Ärger durchaus verstehen. Und dies vor allem angesichts der Tatsache, wie sich die Bundesregierung im konkreten Fall verhält. Denn während andere Regierungen wie in Großbritannien und den Niederlanden ihren betroffenen Bürgerinnen und Bürgern zu Hilfe geeilt sind, hat sich die deutsche Koalitionsregierung unnötig viel Zeit gelassen. Der Gipfel der Unverschämtheit ist die Behauptung des Bundesfinanzministeriums auf dessen Internetseite, dass das Institut den Sparerinnen und Sparern höhere Renditen geboten hätte als andere Institute in Deutschland und sie dafür eben auch größere Risiken eingegangen wären, weil die Bank nicht Teil der deutschen Einlagensicherung sei.
Wir Grünen werden uns daher dafür einsetzen, dass für den konkreten Fall der Kaupthing Edge Bank eine Lösung gefunden wird, die im Interesse der betroffenen Kundinnen und Kunden aus Deutschland liegt. Eine solche Lösung kann sicherlich nicht im derzeitigen Verhalten der Bundesregierung gesehen werden, einfach darauf zu verweisen, zunächst die Entschädigung durch den isländischen Einlagensicherungsfonds abwarten zu wollen. Richtig ist zwar, dass Island aufgrund seiner Zugehörigkeit zum Europäischen Wirtschaftsraum (EWR) grundsätzlich per Gesetz eine Mindestsicherung von 20.887 Euro gewährleistet. Was aber nützt das, wenn der Staat nebst Sicherungsfonds nicht zahlungsfähig ist. Außerdem kann es Monate, wenn nicht Jahre dauern, bis es tatsächlich zur Auszahlung an die Betroffenen kommt. Wir fordern daher eine zügige und unkomplizierte Lösung. Die Bundesregierung sollte sich an der Vorgehensweise von Schweden und der Niederlande orientieren, die zweckgebundene Überbrückungskredite an Island vergeben haben, aus denen die Kompensation betroffener Sparer zu erfolgen hat.
Darüber hinaus wollen wir Grünen die bestehenden Einlagensicherungs- und Anlegerentschädigungssysteme im Sinne der Sparerinnen und Sparer reformieren. Um keine Missverständnisse aufkommen zu lassen: Trotz der Zerstückelung der Einlagensicherungssysteme in Deutschland sind die Einlagen bei den privaten Banken, die wiederum Mitglied im Bundesverband deutscher Banken (BdB) sind, sowie bei Sparkassen und Genossenschaftsbanken weit über die EU-rechtlich vorgeschriebenen Mindestentschädigungssummen hinaus so gut wie sicher. Aber auch Deutschland und damit die deutsche Koalitionsregierung hat ganz offensichtlich Reformbedarf bei der konkreten Ausgestaltung ihrer Sicherungssysteme. Und die bloße Erklärung der Bundesregierung, dass alle Spareinlagen in Form von Sparbüchern, Sparbriefen, Girokonten und Termingeldern bei Banken, die Teil der deutschen Einlagensicherung sind, sicher seien, reicht da bei Weitem nicht aus, denn sie ist nach wie vor hinreichend unverbindlich und ohne Rechtsanspruch.
Ein wesentlicher Misstand ist – und das ist auch eine der Ursachen, warum Ihre Einlagen bei der isländischen Bank Kaupthing in Gefahr sind -, dass die deutsche Finanzmarktaufsicht, nämlich die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin), sich grundsätzlich nicht für das Thema Verbraucherschutz auf den Finanzmärkten zuständig fühlt und bisher auch nicht zuständig ist. Deshalb fordern wir schon seit einiger Zeit, dass der Verbraucherschutz auf den Finanzmärkten zu den wesentlichen Aufgaben gehören muss, welche die BaFin zu erfüllen hat. Dann hätte es nämlich zu ihren Aufgaben gehört, bei den deutschen Verbraucherinnen und Verbrauchern mehr Aufklärung zu betreiben und sie darauf hinzuweisen, dass Island ein sehr kleines Land und deshalb auch die Gefahr entsprechend größer ist als innerhalb der EU, im Ernstfall seine Einlagen zu verlieren, weil das isländische Entschädigungssystem nicht leisten kann.
Jedenfalls sehen wir es als unsere Aufgabe an, die Koalitionsregierung zu entsprechenden Schritten zu drängen, und haben dazu auch einen Entschließungsantrag in den Deutschen Bundestag eingebracht, in dem wir klare Positionen für mehr Verbraucherschutz auf den Finanzmärkten beziehen. ( http://dip21.bundestag.de/dip21/btd/16/106/1610662.pdf ) Unser Antrag wurde aber leider von den anderen Fraktionen – das sind also die CDU und CSU, SPD, FDP und Die Linke - abgelehnt. Wir lassen aber im Kampf für mehr Verbraucherrechte nicht locker und hoffen, dass unser Antrag Ihr Interesse und Ihre Unterstützung findet.
Mit freundlichen Grüßen
Christine Scheel