Frage an Christine Scheel von Walter R. bezüglich Finanzen
Sehr geehrte Frau Scheel,
in Ihrer Antwort an Herrn Martins vom 28.11. haben Sie eingeräumt, dass der § 27b UStG das bis zum 01.01.2002 gültige UStG zu einem das Grundrecht aus Art. 13 GG, Unverletzlichkeit der Wohnung, einschränkendes Ermächtigungsgesetz gemacht hat.
Wie konnte es nur dazu kommen: Haben Sie (und die anderen Fachleute des Finanzausschusses und des Bundestages) beim Erarbeiten bzw. Bearbeiten der Gesetzesvorlage absichtlich oder versehentlich gegen das Zitiergebot des Art. 19 Abs. 1 S. 2 GG verstoßen?
Wie soll es denn Ihrer Meinung nach jetzt weitergehen: Wird dem Fehler abgeholfen oder soll der Unrechtsstatus zu Recht erklärt werden?
Mit freundlichen Grüßen
Walter Rademacher
Sehr geehrter Herr Rademacher,
vielen Dank für Ihre Frage. Ich kann Ihnen nur zustimmen, wenn ein Gesetz die Grundfreiheiten einschränkt, dann sollte dies für alle Bürgerinnen und Bürger transparent im Gesetz sichtbar sein. Diese Ansicht habe ich auch bei der Einführung der Nachschau ins Umsatzsteuergesetz vertreten. Die Verhandlungen zwischen Bund und Ländern zu diesem Thema haben aber bedauerlicher Weise zu dem jetzt vorliegenden Ergebnis geführt.
Ich habe das Bundesfinanzministerium (BMF) erst kürzlich um Stellungnahme zu diesem Thema gebeten. Wie sich aus der Antwort ergibt, sieht die Finanzverwaltung aber keine Probleme. Vielmehr schreibt das BMF, dass eine Verfassungswidrigkeit des § 27b Umsatzsteuergesetz wegen Fehlens eines Hinweises im Sinne des Artikels 19 I S. 2 GG nicht vorliege. Als Begründung führt das Ministerium weiter aus: Mit dem Zitiergebot in Artikel 19 I S. 2 GG solle sichergestellt werden, dass sich der Gesetzgeber bei gesetzgeberischen Maßnahmen der möglichen Einschränkung von Grundrechten durch sein Gesetz bewusst werden könne. Soweit dieser Umstand offenkundig den am Gesetzgebungsverfahren Beteiligten bewusst sei, bedürfe es keiner besonderen Hervorhebung im Text des Änderungsgesetzes, um zu beweisen, dass der Gesetzgeber den grundrechtseinschränkenden Gehalt der in Frage stehenden Norm erkannt und erwogen habe (vgl. BVerfGE 35, 185 [189]). Im vorliegenden Fall sei dem Gesetzgeber die Grundrechtsrelevanz sehr bewusst gewesen. Die Frage der Einschränkung des Artikels 13 GG sei insbesondere bei der öffentlichen Anhörung zu dem Gesetzentwurf der Bundesregierung zur Bekämpfung der Steuerverkürzung bei der Umsatzsteuer und anderen Steuern am 10. Oktober 2001 diskutiert worden. Die Bundesregierung hätte zunächst eine allgemeine Nachschau in der Abgabenordnung vorgesehen. Ein gesonderter Hinweis auf eine Einschränkung eines Grundrechts sei aufgrund der bereits bestehenden Regelung des § 413 Abgabenordnung danach nicht erforderlich gewesen. Bundestag und Bundesrat hätten sich dann unter Berücksichtigung von Bedenken, die von verschiedenen Seiten geltend gemacht worden seien, entschieden, die Nachschau auf den Bereich der Umsatzsteuer zu beschränken und die Regelung in das Umsatzsteuergesetz zu integrieren. Fazit des Ministerium: Der Gesetzgeber sei sich also voll bewusst gewesen, dass mit der Regelung des § 27 b Umsatzsteuergesetz das Grundrecht aus Artikel 13 GG berührt wird. Damit sei dem Sinn und Zweck des Artikels 19 I S. 2 GG entsprochen worden, ohne dass es eines besonderen Hinweises im Gesetzestext bedurft hätte.
Die Gesetze sollen aber m.E. nicht nur für die Abgeordneten klar und deutlich formuliert sein, sondern es ist insbesondere wichtig, dass die Wirkungen eines Gesetzes auch für alle Bürgerinnen und Bürger transparent sind. Ich halte deshalb an meiner Forderung fest, dass die Einschränkung des Grundrechts der Unverletzlichkeit der Wohnung durch die Umsatzsteuernachschau auch klar im Umsatzsteuergesetz erkennbar sein sollte.
Viele freundliche Grüße
Christine Scheel