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Christine Scheel
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Frage von Andreas F. •

Frage an Christine Scheel von Andreas F. bezüglich Wirtschaft

Sehr geehrte Frau Scheel,

von den Befürwortern der Kapitaldeckung wird gerne darauf verwiesen, dass ein höherer Kapitalstock der Volkswirtschaft ein höheres Wachstum erlaubt. Folgt man dieser These, dann scheint es sinnvoll, die umlagefinanzierten Sozialversicherungssysteme schrittweise durch kapitalgedeckte Komponenten zu ersetzen.

Doch vielleicht ist es ja nicht allein die Höhe, sondern vielmehr die Art der Kapitalanlage, die zu mehr oder weniger Wachstum führt?

Erzeugt die Kapitalanlage von privaten Versicherern (die im Jahr 2004 erstmals 1 Billion Euro überstieg) tatsächlich Wachstum? Entstehen dadurch neue Arbeitsplätze? Werden die Beiträge genutzt, um innovative und wachstumsstarke Unternehmen zu finanzieren?

Ich weiß es nicht. Sie wissen es nicht. Für Versicherer spielt es keine Rolle. Der Blick ins Versicherungsaufsichtsgesetz verrät, dass das Kapital der Versicherten so anzulegen ist, dass möglichst große Sicherheit und Rentabilität bei jederzeitiger Liquidität erreicht wird. Wäre ich Kapitalanlagevorstand eines Versicherers, müsste ich §54 VAG als Verbot interpretieren, in junge und innovative Unternehmen zu investieren, die am Anfang ihrer Lebensdauer stehen.

Was würde geschehen, wenn Sie und ich wissen würden, ob unsere Altersversorgung von einem ganz bestimmten Lebensversicherer so investiert wird, dass Arbeitsplätze in Deutschland geschaffen werden und dass innovative Unternehmen das Geld bekommen, das sie für ein schnelles Umsatzwachstum benötigen?

Ist man als grundgesetztreuer Bürger nicht sogar verpflichtet, darauf zu achten, dass der Gebrauch der eigenen Altersvorsorge zugleich dem Wohle der Allgemeinheit dient?

Sehr geehrte Frau Scheel, würde es dem Wohle der Allgemeinheit dienen, wenn Versicherer einen Wettbewerb austragen würden, wer am erfolgreichsten Arbeitsplätze und Wachstum in Deutschland finanziert?

Ich freue mich und bin sehr gespannt auf Ihre Antwort.

Mit freundlichen Grüßen
Andreas Falken

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Antwort von
Bündnis 90/Die Grünen

Sehr geehrter Herr Falken,

ich kann Ihnen nur zustimmen, vor dem Hintergrund der demographischen Entwicklung und einer Reformpolitik, die auf eine Stärkung der individuellen Eigenvorsorge setzt, wird der Vermögensaufbau der Bürgerinnen und Bürger immer wichtiger. Allein bei der Altersvorsorge wird geschätzt, dass sich das Sparvolumens verdoppeln wird, von heute 600 Mrd. Euro auf 1.200 Mrd. Euro im Jahr 2015.

Mehr Eigenverantwortung der Bürgerinnen und Bürger für ihre Vorsorge, bedeutet aber auch, dass diese frei entscheiden können, wie sie ihre Vorsorgegelder anlegen wollen. Die Grünen haben sich deshalb schon bei der geförderten privaten Altersvorsorge (Riester-Rente) für eine möglichst breite Produktpalette aus Banksparplänen, Renten- und Aktienfonds und Versicherungsprodukten erfolgreich eingesetzt. Wir wollen hier aber noch weiter gehen. Unser Ziel ist ein individuelles Altersvorsorgekonto. Über die Auswahl der konkreten Sparprodukte entscheiden dort die Bürgerinnen und Bürger nach einem Beratungsgespräch mit ihrer Bank bzw. ihrem Finanzdienstleister und können so frei festlegen, wie ihr Geld investiert wird.

Zweiter wichtiger Punkt ist die Transparenz der Anlageprodukte. Die Bürgerinnen und Bürger müssen regelmäßig informiert werden, welche Gewinne und welche Kosten mit ihren Anlageprodukten verbunden sind. Uns Grünen war und ist es aber auch ein Anliegen, dass die Bürgerinnen und Bürger regelmäßig informiert werden, nach welchen Kriterien ihre Gelder investiert werden. Wir haben deshalb zu rot-grünen Regierungszeiten bei der geförderten privaten und betrieblichen Altersvorsorge durchgesetzt, dass die Anlageinstitute jährlich darüber berichten müssen, ob und wenn ja wie sie ethische, ökologische und soziale Anlagekriterien berücksichtigen. Dies Berichtspflicht sehen wir als Vorbild für den gesamten Markt und fordern deshalb die Einführung eines verlässlichen Öko- und Soziallabels und ausführliche Berichtspflichten der Anbieter.

Erst mit der Transparenz über nachhaltige Anlagestrategien, Gewinne und Kosten wird ein wirksamer Wettbewerbsvergleich zwischen den Anbietern möglich.

Mit vielen Grüßen
Christine Scheel