Frage an Christine Scheel von Inge R. bezüglich Soziale Sicherung
Sehr geehrte Frau Scheel,
als Mutter einer erwachsenen schwerstbehinderten Tochter bitte ich Sie um eine Stellungnahme zu den aktuell gehäuft auftretenden Anträgen der Sozialhilfeträger bei den Familienkassen auf Auszahlung des (anteiligen) Kindergeldes für volljährige und dauerhaft voll erwerbsgeminderte Empfängerinnen und Empfänger von Grundsicherungsleistungen nach dem 4. Kapitel SGB XII.
Die Sozialhilfeträger (auch in Unterfranken) nutzen für die Anträge zur Abzweigung des Kindergeldes zwei Urteile des Bundesfinanzhofes, die völlig zweckentfremdet wurden.
In aller Regel erfahren die Eltern erst nach(!) erfolgter Antragstellung von diesem Verwaltungsakt, der in ihre Rechte eingreift. Ohne eine Möglichkeit der Anhörung gegenüber den Sozialämtern werden die Eltern in die Zuständigkeit von Finanzgerichten gezwungen, falls die Familienkassen der Einschätzung sind, dass die Eltern ihrer Unterhaltspflicht nicht nachkommen.
Mittlerweile entsteht bei vielen Eltern der Eindruck, dass die Sozialämter die Zuständigkeit bewusst zu den Finanzgerichten lenken, weil sie mit den Abzweigungsanträgen vor dem Bundessozialgericht bereits mehrfach gescheitert sind.
Besonders in seinem Urteil vom 26.08.2008 - B 8/9b SO 16/07 - hat das BSG eindeutig beschrieben, dass die Voraussetzungen für eine solche Abzweigung keiner Prüfung bedürfen, weil dies den Zielen der §§ 41 ff SGB XII widersprechen würde, die Eltern von Unterhaltsleistungen freizustellen.
Wie stehen Sie zu den Abzweigungsanträgen der Sozialleistungsträgern, die die wiederholte Rechtsprechung des Bundessozialgerichts hartnäckig ignorieren?
Und wie wollen Sie Eltern von erwachsenen Kindern mit Behinderung jetzt unterstützen, damit diese nicht gezwungen werden, sich immer wieder aufs Neue durch alle Instanzen zu kämpfen?
Mit freundlichen Grüßen
Inge Rosenberger
Sehr geehrte Frau Rosenberg,
vielen Dank für Ihre Frage zu sehr fragwürdigen Entscheidungen von Sozialhilfeträgern.
Das Problem, dass Sozialämter die Eltern von Bezieherinnen und Beziehern von Grundsicherung bei Erwerbsminderung zur Abtretung des Kindergeldanspruchs bewegen möchten, ist in unserer Fraktion bekannt. Wir teilen ihre Auffassung, dass dies rechtswidrig und auch nicht durch irgendein bestehendes Gerichtsurteil gedeckt ist. Der Behindertenpolitische Sprecher unserer Fraktion, Markus Kurth, hat in der Fragestunde des deutschen Bundestages am 01.12.2010 das Bundesministerium für Arbeit und Soziales (BMAS) um eine Stellungnahme gebeten. Daraufhin erklärte der Parlamentarische Staatssekretär im BMAS Hans-Joachim Fuchtel, dass auch die Bundesregierung für das beschriebene Vorgehen keine rechtliche Grundlage sehe und er hoffe, dass die Thematisierung des Problems im Rahmen der Fragestunde zur Klarstellung beitrüge ( Bundestagsprotokoll 17/77, Seite 53ff; http://www.bundestag.de/dokumente/protokolle/plenarprotokolle/17077.pdf ).
Eine weitergehende Unterstützung betroffener Eltern aus dem Bundestag heraus erscheint uns zum gegenwärtigen Zeitpunkt schwierig, da die Gesetzeslage eindeutig ist und der Bundestag nur auf diese einwirken kann. Alle Betroffenen können sich jedoch auf das, öffentlich zugängliche, Protokoll der erwähnten Bundestagssitzung und die Antwort des Parlamentarischen Staatssekretärs Fuchtel berufen, da sie die Auslegung der Bundesregierung wiedergibt. Die Klärung derartiger Streitfragen ist den Gerichten vorbehalten, auch wenn dies für die Betroffenen eine erhebliche Belastung darstellt.
Der Vollständigkeit halber möchte ich auf den Musterwiderspruch des Bundesverbands für Körper- und Mehrfachbehinderte ( http://bvkm.de/Arbeitsbereiche_und_Themen/Recht_und_Politik/Argumentationshilfen/Grundsicherung ) hinweisen, der ihnen vermutlich aber bekannt ist.
Mit freundlichen Grüßen
Christine Scheel