Frage an Christine Scheel von Hans-Dieter M. bezüglich Finanzen
Der Koalitionsvertrag verpflichtet die Regierung zu umfangreichen Steuerentlastungen für Mittelschicht und Mittelstand. Eine Gegenfinanzierung soll aber nicht durch staatliche Ausgabenkürzungen sondern ggf. durch Neuschuldenaufnahme gesichert werden.
Die Staatsschulden dürfen gemäß Koalitionsvertrag also weiter wachsen, und damit die Zinszahlungs- und Tilgungsverbindlichkeiten in den Bundes-, Länder- und Kommunalhaushalten.
Sind Sie dafür, dass der deutschen Volkswirtschaft und dem Bürger eine weiter zunehmende Staatsverschuldung zugemutet wird?
Sehen Sie eine Gefahr, dass die Staatsausgaben strukturell, also durch steigende Pensionsverpflichtungen, Renten- und Sozialausgaben und Schuldendienst in Verbindung mit sinkenden Steuereinnahmen, im Verlauf dieser Legislaturperiode ausser Kontrolle geraten?
Welche Politik verfolgen Sie persönlich im Zusammenhang mit dieser Problematik?
Sehr geehrter Herr Mohl,
kaum an der Macht verraten Union und FDP ihre Haushaltsgrundsätze von gestern. Nur aufgrund des riesigen Proteststurms aus Wissenschaft, Medien und nicht zuletzt auch von uns Grünen haben sich Union und FDP von ihren Plänen für einen *Schattenhaushalt* in 2009 verabschiedet. Für den Haushalt *2010* allerdings kündigen die Koalitionäre ein solches Sondervermögen an, wohl wissend, dass nach den Regelungen der Schuldenbremse die Chance zur Verschleierung von Geld in Sondervermögen und Schattenhaushalten letztmalig 2010 eröffnet wird. Die Einrichtung eines Sondervermögens in 2010 verstößt gegen sämtliche allgemein geltenden Haushaltsgrundsätze. Zentrale Grundsätze wie Transparenz und Ehrlichkeit, Klarheit und Wahrheit würden sträflich unterhöhlt.
*Auf Kosten der nächsten Generation*, die diese Lasten schließlich abzufinanzieren hat, werden so Spielräume für Steuersenkung und Beitragsstabilität vorgetäuscht, die offensichtlich nicht vorhanden sind. Allein die neuen Steuersenkungen sollen bei voller Jahreswirkung in 2013 24 Milliarden Euro kosten. Vor dem Hintergrund der Kassenlage des Bundeshaushalts mit einer Neuverschuldung von bis zu 455 Milliarden Euro bis 2013 (ohne die bis zu 80 Milliarden Euro großen Löcher in den Sozialversicherungen) ist dies völlig verantwortungslos.
Das gesamte Finanzgebaren der neuen Koalition ist eine waghalsige Wette auf die Zukunft. Allein mit starkem wirtschaftlichen Wachstum könnte die Zeche bezahlt werden. Dies ist jedoch nicht zu erwarten.
Mit diesen Plänen wird offensichtlich, dass Union und FDP ihren gesamten Wahlkampf auf die Lüge aufgebaut haben, sowohl den Haushalt zu konsolidieren, als auch die Steuern zu senken und gleichzeitig die Beitragssätze der Sozialversicherungen stabil zu halten.
Wir Grüne orientieren uns in der Haushalts- und Finanzpolitik an dem *Leitbild der nachhaltigen Entwicklung*. Dies muss sich in der Ausgaben- und Einnahmenstruktur des Bundeshaushalts widerspiegeln.
*Ziel grüner Haushaltspolitik* ist es, genügend finanzielle Mittel zur Verfügung zu stellen, um angesichts der aktuellen Wirtschaftskrise die Konjunktur ökologisch anzukurbeln, die natürlichen Lebensgrundlagen zu erhalten, die Kluft zwischen Arm und Reich zu begrenzen, künftigen Generationen durch Bildung und Forschung Perspektiven zu eröffnen und durch eine bessere Entwicklungszusammenarbeit internationale Ungerechtigkeiten abzubauen. Eine nachhaltige Haushaltspolitik bedeutet aber eben auch, dass wir den kommenden Generationen einen finanz-, sozial- und gesellschaftspolitischen Gestaltungsspielraum vererben. Eine erdrückende Staatstätigkeit sowie milliardenschwere Schuldenlasten nehmen unseren Kindern jede Möglichkeit, in der Zukunft eigene politische Akzente zu setzen. Deswegen lehnen wir Steuersenkungen auf Pump ab.
Mit freundlichen Grüßen
Christine Scheel