Frage an Christine Scheel von Olaf L. bezüglich Außenpolitik und internationale Beziehungen
Sehr geehrte Frau Scheel,
vielen Dank für Ihre Antworten. Leider muss ich Sie noch ein wenig quälen, da ich noch nicht überzeugt bin, dass Ihr Wertekompass und der meine in die gleiche grobe Richtung zeigen. Ich beziehe mich auf meine drei Punkte und hätte eine neue Frage. Da es keinen Punkt "allgemeinene Diskussion" zur Auswahl gibt, bleibe ich in der Überschrift Aussenpolitik, wobei ich hoffe, Sie sehen mir das nach.
1) Jede andere Antwort hätte mich definitiv davon abgehalten, Ihnen meine Stimme zu geben.
2) Ich verstehe nicht, weshalb die Schaffung einer Zensurinfrastruktur, die Aufweichung der Gewaltenteilung und die faktische Schaffung geheimpolizeilicher Strukturen im BKA durch das Thema "KInderpornographie" emotionalisiert wird. Ich stimme mit Ihnen überein, dass die Herstellung und Verbreitung von illegalen Schriften mit jedem zu Gebote stehendem Mittel rechtsstaatlich verhindert werden muss. Ich stimme nicht mit Ihnen überein, wenn Sie implizit an dieser Stelle und explizit an anderer Stelle den Chor "Das Internet darf kein rechtsfreier Raum sein" anstimmen. Kinderpornographie als Vorwand zur Implementierung einer meiner Aufffassung rechtsstaatlich fragwürdigen Zensurinfrastruktur zu benutzen ist moralisch aus meiner Sicht höchst bedenklich, vorallem, da die rechtsstaatlichen Mittel bereits existent sind/waren. Dieses Thema wird immer wieder unsachlich, emotionsgeladen und mit wenig medienkompetenz diskutiert, daher denke ich: das Medium kandidatenwatch ist an dieser Stelle für weitere Ausführungen ungeeignet.
3) Bitte erläutern Sie mir den Ausdruck "zivil-militärisch". Ist das eine Eigenschaft einer Miliz oder Partisanengruppe? Dieser Neologismus ist mir nicht bekannt und ich wäre Ihnen verbunden, würden Sie mir den Terminus definieren.
4) Welche Massnahmen und Vorgehensweisen würden Sie empfehlen, um das Wahlrecht tatsächlich für alle abgegebenen Stimmen gleich zu gestalten (Urteil des BVerfG vom 3.7.2008)?
Vielen Dank für Ihr Feedback,
Olaf Lang
Sehr geehrter Herr Lang,
vielen Dank für Ihre Nachfragen. Zur Erklärung des Begriffs "zivil-militärisch" möchte ich an unsere Kritik an der Art und Weise wie bisher der Einsatz in Afghanistan erfolgt ist anknüpfen. Der zivile Aufbau der gesellschaftlichen Infrastruktur für einen funktionsfähigen Staat, der sich sowohl nach innen als auch nach außen selbsttragend gegen terroristische Überfälle wehren kann, ist im Verhältnis zum Einsatz militärischer Mittel weit zurückgeblieben. Deswegen fordern wir eine Evaluation, was verstärkt für den zivilen Aufbau der afghanischen Gesellschaft zu unternehmen ist, damit eine Exit-Strategie für die ausländischen Streitkräfte erfolgreich vorbereitet werden kann.
Ihre Frage zum Bundestagswahlrecht möchte ich mit unserem Gesetzentwurf in der Anlage beantworten, der leider abgelehnt wurde.
Das Bundesverfassungsgericht hat vor einem Jahr festgestellt: das jetzige Wahlrecht kann dazu führen, dass eine Stimme, mit der man eine Partei unterstützen will, in der Gesamtrechnung dieser Partei sogar schadet. Schuld sind die Regeln, nach denen die Sitze eine Partei auf die verschiedenen Bundesländer verteilt werden. Und schuld sind vor allem die Überhangmandate. Karlsruhe hat vom Bundestag Konsequenzen gefordert – das Wahlrecht muss reformiert werden. So wie es ist, ist es verfassungswidrig. Für die Reform hat der Bundestag bis Juni 2011 Zeit.
Bündnis 90/Die Grünen waren von Anfang an der Meinung, dass das vor der Bundestagswahl erledigt werden kann. Es gibt keinen Grund warum man es den Wählerinnen und Wählern zumutet, nach einem Recht zu wählen, das dem Grundgesetz widerspricht? Das schadet der Demokratie, der Transparenz und letztlich dem Ansehen der Gewählten und des ganzen Parlamentes.
Unser Vorschlag ist einfach: Überhangmandate entstehen, wenn eine Partei mehr Wahlkreise direkt gewinnt, als sie prozentual nach Zweitstimmen Sitze in einem Bundesland bekäme. Weil im Wahlkreis immer Personen gewählt werden, kann man diese Sitze schlecht streichen. Aber man kann sie anrechnen: Gewinnt eine Partei in einem Bundesland Überhangmandate, dann kommen eben entsprechend weniger Abgeordnete über die Landeslisten dieser Partei in anderen Bundesländern. Das ist einfach und transparent und löst das Problem.
Die Sachverständigen einer Anhörung im Bundestag haben wir mit diesem Modell überzeugt – die anderen Fraktionen nicht. Es war kaum noch mit anzusehen, wie die SPD ihre Meinung in immer höherem Takt änderte. Noch unerträglicher aber ist das Verhalten von CDU/CSU und FDP. Die lesen aus den Umfragen, dass sie nur mit Überhangmandaten eine Chance auf eine Mehrheit haben und haben eine Reform rechtzeitig vor der Bundestagswahl verhindert.
Das Risiko ist allen bewusst: Stünde am Ende eine Mehrheit, die nur auf Überhangmandaten gründet, wären wahrscheinlich Neuwahlen fällig und das Vertrauen in den Bundestag ramponiert. Wir wollen faire Wahlen und einen ehrlichen Wettstreit - nicht Verzicht auf Demokratie zugunsten einer wackeligen Machtperspektive.