Frage an Christine Scheel von Herbert F. bezüglich Finanzen
Sehr geehrte Frau Scheel,
mich würde Ihre Meinung zu folgenden Fragen interessieren:
War nicht unsere Regierung mit schuld, an der Finanzkrise, weil sie nicht die richtigen Rahmenbedingungen geschaffen hat?
Warum wird es zugelassen, dass mit Nahrungsmittel im Warenterminhandel spekuliert wird?
Warum werden die Schrottpapiere nicht verboten?
Was hat unsere Bundesregierung bisher getan, um die Regulierung der Finanzmärkte voranzubringen?
Warum gibt es keine Börsenumsatzsteuer?
Warum wird nicht der Einfluss von Lobbyisten stärker thematisiert?
Für Ihre Antwort dankt
mit freundlichem Gruss
H. Freitag
Sehr geehrter Herr Freitag,
vielen Dank für Ihre Fragen. Ich stimme Ihnen zu, die Finanz- und Wirtschaftskrise hat ein Desaster angerichtet, sie ist aber auch eine Chance, neu zu ordnen, was schon lange – zu lange – brach gelegen hat. Wir müssen jetzt die Weichen stellen, damit ein solches Desaster nicht noch einmal passiert. Kein Akteur, kein Finanzprodukt und kein Gebiet darf sich einer Finanzaufsicht und Regulierung entziehen können. Das ist jetzt der internationale verbale Konsens. Und immerhin haben sich auch alle Steuer- und Regulierungsoasen zu mehr Transparenz und Zusammenarbeit bereit erklärt. Verbale Erklärungen reichen aber bei Weitem nicht aus. Wir brauchen einen automatischen Informationsaustausch zu Kapitaleinkünften und die EU-Zinsrichtline wollen wir zu einer EU-Kapitaleinkommensrichtlinie ausbauen, damit sie wirklich greifen kann. Notwendig sind strengere Eigenkapitalregeln, damit vor allem die großen Banken ihre Risiken nicht auf Kosten des Steuerzahlers abwälzen können, wie es soeben gerade geschehen ist. Ungerechtfertigt hohe und am kurzfristigen Erfolg ausgerichtete Managervergütungen und Banker-Boni waren die „Brandbeschleuniger“ in der Krise. Sie müssen am langfristigen Erfolg ausgerichtet werden und der Abzug als Betriebsausgabe soll begrenzt werden, damit der Steuerzahler überhöhte Vergütungen nicht auch noch mitfinanziert. Diese und weitere Verbesserungen, z.B. für eine stärkere Haftung, habe ich im Bundestag eingefordert. Den Antrag „Exzesse bei Managervergütungen verhindern“ finden Sie hier: http://dip21.bundestag.de/dip21/btd/16/121/1612112.pdf .
Spekulationsgeschäfte mit Lebensmitteln lehne ich ab, weil das die Preise auf dem Weltmarkt nach oben treibt.
Die jetzt oft als „Schrottpapiere“ bezeichneten Papiere sind verbriefte Kredite, die Banken am Markt weiter verkauft haben. Damit die Banken zukünftig umsichtiger mit solchen Krediten umgehen, sollen sie mindestens 10 Prozent dieser Kredite in den eigenen Büchern halten müssen. Das bedeutet, die Risiken bleiben bei denjenigen die sie eingehen und können nicht vollständig weiter verkauft werden.
Zur Bewältigung der Finanzkrise setze ich mich dafür ein, eine Finanzumsatzsteuer europaweit einzuführen. Diese hätte eine doppelte Dividende: Die Finanzumsatzsteuer würde die Kursschwankungen an den Finanzmärkten beruhigen und gleichzeitig die Finanzmärkte an der Finanzierung der Krisenkosten beteiligen. Meine Fraktion hat diesen Vorschlag sogar schon in den Bundestag eingebracht. Sie finden ihn unter: http://dipbt.bundestag.de/dip21/btd/16/114/1611441.pdf . Unser Vorschlag ist zwar bisher am Widerstand der Großen Koalition gescheitert, aber die Realisierungschancen stehen nicht schlecht, wenn sogar der Chef der britischen Finanzaufsicht, Adair Turner, neuerdings Sympathien für eine Finanzumsatzsteuer bekundet.
Die Begrenzung des Einflusses von Lobbyisten ist ein Dauerbrennerthema, gerade für mich als Grüne. So habe ich aktuell zusammen mit Fraktionskollegen eine Anfrage an die Regierung zur Auftragsvergabe einzelner Ministerien an externe Rechtsanwaltskanzleien gestellt. Sie finden diese unter: http://dipbt.bundestag.de/dip21/btd/16/138/1613899.pdf .
Viele freundliche Grüße
Christine Scheel