Frage an Christine Lambrecht von Dr. Arndt B. bezüglich Familie
Sehr geehrte Frau Lambrecht,
herzlichen Dank für Ihre Erläuterungen vom 5. Mai zu den Plänen des BMJ bzgl. der (Nicht-) Umsetzung des Verfassungsgerichtsauftrags zum §1626a BGB. Eines ist mir bisher nicht klargeworden:
Sie schreiben, der Grund für die Beauftragung weiterer Untersuchungen seien fehlende Antworten zu den Motiven der Sorgerechtsverweigerung. Auf die kleine Anfrage des Bundestages vom 27.6.2007 schrieb das BMJ am 11.07.2007 (siehe Drucksache 16/6078):
„Die Gründe, aus denen nicht miteinander verheiratete Eltern die gemeinsame Sorge ablehnen, wurden untersucht von Peter Finger (Das Standesamt (StAZ) 2003, S. 228 FN 25), Sandra Fink (Die Verwirklichungdes Kindeswohls im Sorgerecht für nichtverheiratete Eltern, 2004). Auch die noch nicht vollständig ausgewertete Umfrage des Bundesministeriums der Justiz von 2006 befasst sich mit diesen Gründen. Insgesamt sind die Motive für die Ablehnung einer Sorgeerklärung sehr unterschiedlich. Unter anderem sind folgende Beweggründe zu nennen: „eine Beziehung der Eltern hat nie bestanden“, „eine friedliche Verständigung der Eltern ist nicht möglich“ „die Mutter will praktische Schwierigkeiten vermeiden“ oder „hat Angst, im Falle der Trennung vom Kindesvater selbst das Sorgerecht zu verlieren“. Die Auswertung der Umfrage des Bundesministeriums der Justiz wird derzeit abgeschlossen. Die Ergebnisse werden demnächst vorliegen.“
Die Arbeit von Frau Dr. Fink liegt mir vor und nennt tatsächlich als häufigsten Grund: „Die Eltern verstehen sich gut, jedoch möchte die Mutter da alleinige Sorgerecht beibehalten, damit sie im Konfliktfall allein entscheiden kann.“
Meine Fragen:
Welche Sinn sieht das BMJ in der Beauftragung neuer wissenschaftlicher Untersuchungen, wenn es die vorhandenen nicht korrekt zitieren kann?
Was ist der Unterschied zwischen freier und beauftragter Wissenschaft?
vielen Dank für Ihre Mühe, mit freundlichen Grüssen,
Dr. Arndt Brenschede
Sehr geehrter Herr Dr. Brenschede,
in seinem Urteil vom 29. Januar 2003 hat das Bundesverfassungsgericht dem Gesetzgeber keine Vorgaben gemacht, wie er den Prüfauftrag erfüllt. Insbesondere hat das Bundesverfassungsgericht dem Gesetzgeber nicht aufgegeben, bereits im Jahr 2003 eine wissenschaftliche Untersuchung in Auftrag zu geben. Vielmehr hat das Bundesverfassungsgericht in seinen Urteilsgründen festgestellt, dass angesichts der neu geschaffenen Rechtsform zum Zeitpunkt des Urteils noch keine tragfähigen empirischen Aussagen möglich seien (vgl.BVerfGE 107, 150 ff., 179 f.). So fehlten insbesondere gesicherte Erkenntnisse darüber, ob es trotz der neu geschaffenen Möglichkeit gemeinsamer Sorgetragung von Eltern eines nichtehelichen Kindes dauerhaft eine beachtliche Zahl von Fällen gibt, in denen es bei Zusammenleben der Eltern mit dem Kind nicht zu einer gemeinsamen Sorge kommt, und welche Gründe hierfür maßgeblich sind.
Die bisherigen wissenschaftlichen Untersuchungen nähern sich diesen beiden Fragen durch eine Befragung, die mittels Fragebögen bei Jugendämtern durchgeführt wurde (z.B. Fink, Die Verwirklichung des Kindeswohls im Sorgerecht für nichtverheiratete Eltern, S. 136 ff.). Hierdurch kann man sicherlich einen gewissen Einblick in die Häufigkeit dieser Fälle und die Motivlage der Mütter bekommen. Problematisch an einer solchen Untersuchungsmethode ist jedoch, dass die Befragung nicht die direkt betroffenen Väter und Mütter einbezieht und nicht auf belastbaren statistischen Daten, sondern auf Eindrücken, Erinnerungen und Schätzungen dritter Personen beruht. Es handelt sich daher in meinen Augen nicht um eine ausreichend gesicherte empirische Untersuchung. Um belastbare Erkenntnisse zur wahren Motivlagen der Mütter zu erhalten, müssten die betroffenen Mütter und Väter vielmehr durch geschulte Interviewer gezielt und direkt befragt werden. Aus diesem Grund beabsichtigt das Bundesministerium der Justiz, nunmehr eine entsprechende wissenschaftliche Untersuchung in Auftrag zu geben.
Mit freundlichen Grüßen
Christine Lambrecht, MdB