Frage an Christine Lambrecht von Eberhard I. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen
Sehr geehrte Frau Lambrecht,
ich habe Ihre Antwort auf die Frage von Herrn Ernst mit Interesse gelesen. Ich würde mich freuen, wenn sie auf diese Frage und insgesamt auf das Thema Vorratsdatenspeicherung ausführlicher eingehen könnten.
Neben den bisher hier gestellten - und bisher teils unbeantworteten - Fragen würde mich insbesondere interessieren:
* ob und ggf. welche Maßnahmen vorgesehen sind, um eine ausreichend sichere Speicherung der Daten bei den Anbietern zu gewährleisten,
* welche Möglichkeiten ich als Einzelner habe - oder nicht habe -, zu kontrollieren, ob die Daten bei den TK-Anbietern sicher gespeichert werden und ob inländische und ausländische staatliche Stellen nur im Rahmen ihrer gesetzlichen Befugnisse und in Einzelfällen darauf zuzugreifen,
* ob eine Abschätzung über die auf Seiten der TK-Anbieter entstehenden zusätzlichen Kosten und Nachteile vorliegt.
Als intensiver Nutzer von TK-Dienstleistungen befinde ich mich in der unangenehmen Situation, dass die Gesamtheit der über mich verfügbaren TK-Verbindungsdaten einen Einblick in mein Leben ermöglichen würde, der der Installation einer 24-stündigen Überwachungskamera schon recht nahe kommt.
In der jüngsten deutschen Geschichte war bisher die mit Abstand größte Gefahr für die Sicherheit jeweils der eigene Staatsapparat.
Ich werde mich auch angesichts des Gesetzes zur Vorratsdatenspeicherung dafür einsetzen, dass Techniken allgemein verfügbar und verbreitet werden, die den einzelnen Bürger in die Lage versetzen, sein Recht auf informationelle Selbstbestimmung auch gegenüber staatlichen Stellen wirksam zu schützen.
Da neben technischen Möglichkeiten auch teilweise die Möglichkeit besteht, auf ausländische (möglicherwiese irische) TK-Anbieter auszuweichen, habe ich die Befürchtung, dass das Gesetz negative Auswirkungen auf den IT-Standort Deutschland haben wird. Als Anbieter von Internet-Dienstleistungen bin ich davon selbst ganz unmittelbar betroffen.
Mit freundlichen Grüßen,
Eberhard Iglhaut
Sehr geehrter Herr Iglhaut,
vielen Dank für Ihre Fragen zur Vorratsdatenspeicherung. Leider komme ich erst jetzt dazu, diese zu beantworten, da mich eine Vielzahl von Anfragen, insbesondere zur Vorratsdatenspeicherung erreicht hat.
Grundsätzlich unterliegen die Telekommunikationsanbieter der Aufsicht der Bundesnetzagentur. So kann die Bundesnetzagentur z.B. nach Maßgabe des § 115 des Telekommunikationsgesetzes (TKÜ) neue Fassung (n.F.) Zwangsgelder auch für die Durchsetzung der Verpflichtung nach § 113a Abs. 10 Satz 2 TKG n.F. festsetzen. Nach dieser Vorschrift hat der Dienstanbieter sicherzustellen, dass der Zugang zu den gespeicherten Daten ausschließlich von ihm besonders ermächtigten Personen möglich ist. Um sicherzustellen, dass die Verpflichteten die in § 113a Abs. 10 TKG n.F. festgelegten Anforderungen erfüllen, ist in § 149 Nr. 38 TKG n.F. ein entsprechender Bußgeldtatbestand eingestellt worden.
Neben diesen Möglichkeiten der Missbrauchskontrolle stehen auch datenschutzrechtliche Kontrollmöglichkeiten durch den Bundesbeauftragten für den Datenschutz und die Informationsfreiheit (§ 115 Abs. 4 TKG) zur Verfügung.
Zu Ihrer Frage nach den Kontrollmöglichkeiten des Kunden, ist anzumerken, dass der Kunde von dem Telekommunikationsanbieter nach näherer Maßgabe des § 34 Bundesdatenschutzgesetzes unentgeltlich Auskunft über die zu seiner Person gespeicherten Daten, ihre Herkunft, ihre Empfänger und den Zweck der Speicherung verlangen kann. Sofern der Kunde Anhaltspunkte dafür hat, dass mit den Daten nicht zuverlässig umgegangen wird, steht es ihm außerdem frei, sich an den Bundesbeauftragten für den Datenschutz und die Informationsfreiheit oder an die Bundesnetzagentur zu wenden.
Zur Abschätzung der Kosten bei den Telekommunikationsanbietern verweise ich auf die Ausführungen des Regierungsentwurfs, Bundestagsdrucksache 16/5846, S. 34 (abrufbar unter: http://dip.bundestag.de/btd/16/058/1605846.pdf ).
Ihre Auffassung, die Speicherung käme einer 24h-Überwachungskamera recht nahe, teile ich nicht.
Die künftig für sechs Monate zu speichernden Daten sind im Wesentlichen die Verkehrsdaten, die von den Telekommunikationsunternehmen schon heute üblicherweise zu Abrechnungs- oder sonstigen Zwecken gespeichert werden. Das sind insbesondere die genutzten Rufnummern und Kennungen sowie Uhrzeit und Datum der Verbindungen. Neu hinzukommt, dass bei der Mobilfunktelefonie auch der Standpunkt (Funkzelle) bei Beginn der Mobilfunkverbindung gespeichert wird. Daten, die Aufschluss über den Inhalt der Kommunikation geben, dürfen ebenso wenig gespeichert werden wie Angaben über im Internet aufgerufene Webseiten.
Die Daten werden- wie bisher- ausschließlich bei den Telekommunikationsunternehmen gespeichert. Polizei und Staatsanwaltschaft dürfen grundsätzlich nur dann die Herausgabe von einzelnen Verkehrsdaten verlangen, wenn dies zuvor durch einen gerichtlichen Beschluss angeordnet wurde. In diesem Beschluss hat das Gericht genau festzulegen, welche Verkehrsdaten das Unternehmen aus seinem Bestand herausfiltern und den Strafverfolgungsbehörden übermitteln muss. Die gerichtliche Anordnung ist zudem nur zulässig, wenn es um eine Straftat von erheblicher Bedeutung oder um eine mittels Telekommunikation begangene Straftat geht. Es dürfen auch nur solche Daten erhoben werden, die sich auf einen bestimmten Beschuldigten oder dessen Nachrichtenmittler beziehen.
Zu Ihren Fragen nach technischen und organisatorischen Maßnahmen zur Speicherung der Verkehrsdaten bei den Telekommunikationsanbietern, insbesondere nach Art und Sicherheit der Speicherung, möchte ich Sie an die für technische Fragen zuständige Bundesnetzagentur (www.Bundesnetzagentur.de) verweisen.
Mit freundlichen Grüßen
Christine Lambrecht, MdB