Frage an Christine Lambrecht von Gerhard K. bezüglich Außenpolitik und internationale Beziehungen
Sehr geehrte Frau Lambrecht,
die Bundeswehr und damit Deutschland soll im Krieg in Syrien eingesetzt werden. Ich zweifle kaum noch daran, dass der Bundestag zustimmen wird. Oder werden Sie sich für ein "Nein" einsetzen und bei der Abstimmung mit "Nein" votieren?
Es ist mir unbegreiflich, auf welcher Grundlage der Einsatz beruhen soll:
1. Das Grundgesetz steht dem entgegen
2. Gegen eine Terror-Organisation gewinnt man nicht durch Krieg, man vermehrt nur den Gegner, wie oft gezeigt.
3. Es gibt kein UN-Mandat
4. Es gibt kein Mandat des syrischen Staates
5. Wo soll die Bundeswehr mitmischen? Etwa auch gegen den völerrechtlich legitimierten russischen Einsatz?
Sie wissen sicher, dass Sie für einen solchen Einsatz keine Mehrheit in der Bevölkerung haben. Interessiert Sie das überhaupt? Wenn nicht: Sie rütteln weiter daran, dass die "Beherrschten" immer weniger von dieser Demokratie halten.
Mit freundlichen Grüßen
G.K.
Sehr geehrter Herr Kugler,
vielen Dank für Ihre Frage vom 02.12.2015.
Auch wenn es mir schwer fällt, werde ich morgen im Bundestag für den Antrag der Bundesregierung zum Einsatz der Bundeswehr zur "Verhütung und Unterbindung terroristischer Handlungen durch die Terrororganisation IS" stimmen.
Zweimal in diesem Jahr ist Paris von feigen Terroristen heimgesucht worden. Doch auch in Syrien, im Irak, in Libyen oder in Tunesien wütet die Terrororganisation „Islamischer Staat“ (IS) schon lange. Viele der Menschen, die derzeit zu uns fliehen, suchen Zuflucht vor genau diesem Terror. Der IS bekämpft alle, die in Freiheit und Frieden leben wollen. Daher müssen und werden wir den Terror bekämpfen - entschlossen und geschlossen und auf der Basis unserer Werte und des Völkerrechts sowie im Rahmen eines politischen Gesamtkonzepts.
Der französische Präsident François Hollande hat Deutschland um militärische Unterstützung gebeten. Die Bundesregierung hat mehrfach deutlich gemacht, dass Deutschland solidarisch an der Seite Frankreichs steht, und hat daher geprüft, was Deutschland militärisch leisten und politisch verantworten kann. Das Bundeskabinett hat beschlossen, Frankreich, den Irak und die internationale Allianz in ihrem Kampf gegen die Terrororganisation IS vor allem im Bereich der Aufklärung durch Tornado-Flugzeuge und Satelliten, Logistik durch die Luftbetankung von Kampfjets anderer Staaten und des Schutzes eines französischen Flugzeugträgers mit einer Fregatte zu unterstützen. Ende der Woche soll das Mandat im Bundestag beschlossen werden.
Der Einsatz erfolgt in Übereinstimmung mit den verfassungsrechtlichen und völkerrechtlichen Vorgaben für Auslandseinsätze der Bundeswehr. Der Sicherheitsrat der Vereinten Nationen hat nach den schrecklichen Attentaten in Paris, Beirut und auf dem Sinai zum wiederholten Male (Resolutionen 2170 (2014), 2199 (2015) und 2249 (2015)) festgestellt, dass von der Terrororganisation IS eine Bedrohung für den Weltfrieden und die internationale Sicherheit ausgeht. Der VN-Sicherheitsrat hat in der Resolution 2249 die Staatengemeinschaft in eindringlichen Worten dazu aufgerufen, alle notwendigen Maßnahmen gegen diese Bedrohung zu ergreifen. Deutschland wird sich auf der Grundlage des Völkerrechts und des deutschen Grundgesetzes an der Terrorbekämpfung beteiligen. Die Charta der Vereinten Nationen ermächtigt die Mitgliedstaaten in Art. 51 zur kollektiven Selbstverteidigung.
Die militärischen Beiträge Deutschlands erfolgen auch in Erfüllung der EU-Beistandsklausel nach Art. 42 Abs. 7 des Vertrages über die Europäische Union. Frankreich hat die Mitgliedstaaten der Europäischen Union um Solidarität und Unterstützung gebeten und hat sich dabei erstmalig in der EU-Geschichte auf die Beistandsklausel berufen. Und das deutsche Grundgesetz erlaubt in Art. 24 Abs. 2 den Einsatz von Streitkräften im Rahmen und nach den Regeln eines Systems kollektiver Sicherheit. Für uns Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten ist jedoch klar, dass das militärische Engagement nur ein Teil eines umfassenden Ansatzes sein kann. Der politische Prozess steht weiterhin im Vordergrund. Dies macht Bundesaußenminister Frank-Walter Steinmeier mit seinem Engagement in den internationalen Verhandlungen und im Rahmen der Vereinten Nationen deutlich.
Die in Wien begonnenen diplomatischen Anstrengungen für ein Ende des Bürgerkriegs in Syrien müssen fortgesetzt werden. Die zentralen internationalen Partner USA und Russland wie auch die regionalen Akteure Türkei, Iran und Saudi-Arabien müssen am Tisch bleiben. Stabilität und Frieden in der Region werden nur über Verhandlungen zu gewinnen sein. Über die Rolle des Assad-Regimes bei der Allianz gegen die Terrororganisation „Islamischer Staat“ aber auch bei einer zukünftigen Friedensregelung gibt es unterschiedliche Meinungen in der internationalen Gemeinschaft. Bundesaußenminister Frank-Walter Steinmeier hat jedoch deutlich gemacht, dass es dauerhaft keine Zukunft Syriens mit Assad wird geben können.
Über den Einsatz gegen den IS hinaus unterstützt Deutschland verstärkt die wichtige Mission der Vereinten Nationen in Mali (MINUSMA) und setzt die schon seit dem Sommer 2014 laufende Ausrüstung und Ausbildung der Peschmerga im Irak fort. Gleichzeitig hat die Bundesregierung die Anstrengungen für die humanitäre Hilfe für Syrien und seine Nachbarstaaten massiv erhöht. Hieran arbeitet die SPD in der Regierung mit Hochdruck. Ohne militärische Mittel wird die Terrororganisation „Islamischer Staat“ nicht zu stoppen sein. Klar ist aber auch, dass die Bedrohung durch den islamistischen Terrorismus wie auch die Beendigung des Bürgerkriegs in Syrien nur mit einem umfassenden Ansatz gelingen kann, der vor allem auf Politik und Diplomatie baut.
Mit freundlichen Grüßen
Christine Lambrecht, MdB