Frage an Christine Lambrecht von Markus S. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen
Hallo Frau Lambrecht,
ich bin 41 Jahre alt, Informatiker und habe Fragen zum Thema Sicherheit der Bürger im Internet:
Einerseits freuen wir uns ja alle immer wieder, was man alles bequem und von zu Hause aus erledigen kann...
Andererseits:
Unerwünschte Emails ohne ermittelbaren realen Absender, in Webseiten wird eingebrochen, Inhalte werden verändert und man findet den Täter nicht, Identitäten werden gestohlen...
Nun ein konkretes Beispiel von meinem Vater (81 Jahre):
Irgendjemand ist an seine Postanschrift, sein Geburtsdatum und seine Bankdaten drangekommen und hat damit im Internet einen Verkäufer-Account (Ebay) angelegt. Mit diesem Account kann der Fremde nun nach Belieben z.B. Hehlerware verkaufen oder eine ganze Menge anderer Betrügereien mit der Identität meines Vaters (!) begehen...
Die Firma Ebay mit Sitz im Ausland stellt sich am Telefon teilweise dumm und/oder beruft sich auf den Datenschutz...
Wir haben den Betrüger nun bei der Polizei angezeigt. Dort erfuhren wir, dass es den §269 im Strafrecht zwar gibt, dass ein Ermitteln und zur Rechenschaft ziehen des Täters im Internet aber sehr schwierig ist, da der Täter 1. überall auf der Welt sein könnte, und 2. die Verbindungsdaten (die einzigen Beweise!) sehr schnell gelöscht werden (müssen!?)...
Viele Fragen tun sich mir auf, da ich weiß, was im Internet alles möglich ist:
Warum ist das Internet immer noch ´rechtsfreier Raum´?
Wenn jemand real in die Wohnung einbricht, wird er erwischt, wenn er aber einfach unbemerkt Geld von einem Konto abbucht, kann die Polizei ihn nicht ermitteln, weil Provider Verbindungsdaten nach kurzer Zeit löschen müssen?
(Der Bezahldienst Paypal z.B., hat noch weniger Sicherheit als Ebay bei der Account-Anlage!)
Wo bleibt ein vernünftiger gesetzlicher Rahmen für das Internet?
Warum wird von Firmen, die mit Leistungen im Internet massig Geld verdienen, nicht mehr Sicherheit verlangt, wenn deren Websites in Deutschland erreichbar sind?
Mit freundlichem Gruß
M.S. aus Lampertheim
Sehr geehrter Herr Schadegg,
danke für Ihre E-Mail vom 31.07.2015. Gerne möchte ich Ihnen darauf antworten.
Wir erleben derzeit eine vielfältige und rasante Entwicklung innovativer und nützlicher neuer Techniken. Das Internet und neue Kommunikationsformen bieten enorme gesellschaftliche Chancen, stellen uns aber auch vor große Herausforderungen bei der Gewährleistung der Sicherheit der Bürgerinnen und Bürger auch in der digitalen Welt. Trotz dieser Herausforderungen ist das Internet jedoch kein rechtsfreier Raum.
Die Probleme bei der Gewährleistung von Sicherheit im digitalen Zeitalter beruhen weniger auf fehlenden Gesetzen, auch Strafgesetzen, oder ungeregelten Lebenssachverhalten. Vielmehr hapert es an der Durchsetzung der bestehenden Regeln. So zum Beispiel auf Grund der von Ihnen angesprochenen Problematik, dass Verbindungsdaten als ein wichtiger Ermittlungsbaustein häufig nicht zur Verfügung stehen. Diesem Problem begegnen wir mit dem zur Zeit im parlamentarischen Verfahren befindlichen Gesetz zur Einführung einer Speicherpflicht und Höchstspeicherfrist für Verkehrsdaten. Das Gesetz soll noch in diesem Jahr verabschiedet werden und Telekommunikationsanbieter verpflichten, Verbindungsdaten 10 Wochen zu speichern. Die verpflichtende Speicherung von Verbindungsdaten durch die Telekommunikationsanbieter ist ein notwendiges Ermittlungswerkzeug für die Ermittlungsbehörden, aber kein Wundermittel. Wir brauchen zudem auch eine deutlich bessere technische Ausstattung und Qualifizierung der Polizei sowie eine bessere Vernetzung der Strafverfolgungsbehörden in Europa und weltweit.
In Punkto Datensicherheit bin ich der Auffassung, dass Geschäftsmodelle am Markt einen immer größer werdenden Vorteil haben, wenn sie höchste Sicherheitsstandards bieten. Allerdings bin ich auch der Auffassung, dass der Gesetzgeber Anreize setzen kann und sollte, die Sicherheit zu erhöhen. So brauchen wir beispielsweise, wie auch in der analogen Welt, Regelungen zur Produkthaftung von digitalen Diensten und Produkten. Zudem müssen wir dafür sorgen, dass der "Preiskampf" zwischen verschiedenen Anbietern einer Dienstleistung nicht zu Lasten von Sicherheit und Datenschutz geht. Dies lässt sich im manchen Branchen, so zum Beispiel bei Zahlungsdiensten, durch Standardisierung von technischen Verfahren verhindern.
Mit freundlichen Grüßen
Christine Lambrecht, MdB