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Christine Lambrecht
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Frage von Markus P. •

Frage an Christine Lambrecht von Markus P. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen

Sehr geehrte Frau Lambrecht,

bereits in der Vergangenheit wurde ua. mit ECHELON und durch sicherheitstechnisches Aufweichen von europáischen IT-Standards über die Mitwirkung amerikanischer Firmen in hiesigen Standardisierungs-Gremien systematisch (nicht nur) europäische private und gescháftliche Kommunikation ausspioniert und gesammelt.

Welche Maßnahmen, die unsere private und geschäftliche Intimsphäre auf das Niveau bringen, das in Grundgesetz Artikel 10 zugesichert wird,
- sieht die SPD vor
- wollen Sie selbst vorantreiben
?

Konkret:
- Wann werden die 66th Military Intelligence Brigade und andere vergleichbare Einrichtungen europäsichen Boden verlassen haben?
- wann werden die Abkommen gekündigt, die Rechtsgrundlage der aktuellen Präsenz solcher Einrichtungen zu sein scheinen?
- wie kann es sein, daß sich Gemeinden wie seinerzeit Griesheim und jetzt Wiesbaden nicht gegen eine Installation einer solchen Einrichtung auf ihrer Gemarkung wehren können?
- wann wird das SWIFT-Abkommen gekündigt?
- wann wird das Safe-Harbour-Abkommen gekündigt und die USA auf die Liste unsicherer Drittländer gesetzt?
- wenn bekommt Deutschland im Gegenzug für die Übermittlung unserer Fluggastdaten die von und zu Zielen in den USA, einschließlich der inner-USA-ischen?
- wie will man andere europäische Geheimdienste (GCHQ, FRA) davon abhalten, uns auszuhorchen?
- wie soll der BND besser kontrolliert werden? Mit welcher limitierten Datenrate soll er auf das Internet zugreifen dürfen?
- auf welcher Rechtsgrundlage wird meine persönliche grenzüberschreitende elektronische Kommunikation vom BND abgehört? Ich bin Europäer. Warum liegt die Definition von Außengrenze nicht am Rand von Europa?
- welche Maßnahmen sind geplant, daß unsere eigenen deutschen und europäischen Dienstleistungsanbieter (Telekomunikation, Netz-Dienste) keine kundenspezifischen Daten gegen Geld oder andere Vorteile (incl. Nicht-Repressalien) an außereuropäische Einrichtungen liefern?

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Antwort von
SPD

Sehr geehrter Herr Pilzecker,

vielen Dank für Ihre Anfrage. Auch ich bin der Ansicht, dass die gezielte Überwachung des deutschen und europäischen Datenverkehrs einen massiven Angriff auf die Bürgerrechte und Kommunikationsfreiheiten in Deutschland und Europa darstellt. Sicherheitsbehörden müssen auf klarer gesetzlicher Grundlage und im Rahmen der Verhältnismäßigkeit agieren. Bei PRISM, Tempora und XKeyscore sind anscheinend diese Maßstäbe verloren gegangen. Die Bundesregierung ist nun in der Pflicht, diese Vorwürfe endlich aufklären. Sie muss Klarheit darüber zu schaffen, in welchem Maße Daten deutscher und europäischer Bürgerinnen und Bürger abgegriffen und ausgewertet wurden und in welchem Umfang dies noch passiert. Die Aussagen der amtierenden Bundesregierung, dass alle Fragen geklärt, alle Vorwürfe ausgeräumt und der Ausspähskandal beendet sei, und die Aufforderung des Bundesministers des Innern, die Bürgerinnen und Bürger mögen sich doch bitte selbst schützen, werden der Sache nicht gerecht.

Die SPD-Bundestagsfraktion ist ihren Möglichkeiten nach bemüht, die Vorwürfe aufzuklären und hat bereits eine Anfrage an die Bundesregierung zu den Spähprogrammen der USA und dem Umfang der Kooperation der deutschen Nachrichtendienste mit den US-Nachrichtendiensten sowie den verschiedenen möglichen Rechtsgrundlagen gestellt (BT-Drs. 17/14456, mit Antwort der Bundesregierung BT-Drs. 17/14560). Auch haben wir einen Antrag in den Deutschen Bundestag eingebracht (BT-Drs. 17/14677), in dem wir Vorschläge unterbreiten, wie die Bundesregierung die NSA-Affäre aufklären und unsere Grundrechte schützen soll. So ist beispielsweise dafür Sorge zu tragen, dass deutsche Kommunikationsstrukturen auf staatlicher, wirtschaftlicher und individueller Ebene vor Ausspähung effektiv geschützt werden. Durch eine effektive Spionageabwehr soll verhindert werden, dass deutsche staatliche Stellen von fremden Nachrichtendiensten und erst recht von Partnerdiensten ausgespäht werden. Daneben wollen wir die parlamentarische Kontrolle nachrichtendienstlicher Tätigkeiten des Bundes stärken und das PKGr-Gesetz reformieren. Doch ein Großteil der Schutzmaßnahmen kann nur auf europäischer Ebene geschaffen werden. Durch EU-vertragliche Regelungen muss nachhaltig sichergestellt werden, dass das Ausspionieren von EU-Mitgliedstaaten unterbleibt. Darüber hinaus darf die deutsche Regierung nicht länger die EU-Datenschutzgrundverordnung blockieren und versuchen diese aufzuweichen, sondern muss sich für eine schnelle Novellierung des europäischen Datenschutzrechts auf einem hohen Datenschutzniveau einzusetzen. Dabei ist sicherzustellen, dass es klare und europaweit einheitliche Regelungen gibt, unter welchen rechtlichen Vorgaben personenbezogene Daten verarbeitet und unter welchen Bedingungen US-amerikanische oder andere Unternehmen Daten im nichteuropäischen Ausland verarbeiten dürfen. Auch muss klargestellt sein, dass nichteuropäische Dienstanbieter in Europa, beispielsweise Google, Facebook oder Microsoft, zwingend an das europäische Datenschutzrecht gebunden sind. Dabei wollen wir uns auch auf internationaler Ebene für ein Völkerrecht des Netzes einsetzen und durch völkerrechtliche Vereinbarungen sicherstellen, dass das Ausspionieren von Partnerländern unterbleibt.

Bitte haben Sie Verständnis dafür, dass ich im Rahmen meiner Antwort nicht auf alle von Ihnen gefragten Details eingehen kann, da Vieles im Rahmen einer gesamteuropäischen Strategie besprochen und entschieden werden muss. Wir als SPD-Bundestagsfraktion werden uns in jedem Fall dafür einsetzen, dass das Thema auch nach der Wahl nicht in der Schublade verschwindet, sondern Bemühen uns nach Kräften, Aufklärung und weitere Maßnahmen voran zu bringen.

Mit freundlichen Grüßen

Christine Lambrecht