Frage an Christine Lambrecht von Manfred P. bezüglich Soziale Sicherung
Sehr geehrte Frau Lambrecht,
Schon im vergangenen Jahr war ich begeistert über die 1%tige Renten“erhöhung“. Das haben wir ja in diesem Jahr ebenfalls – ein wenig reduziert, es sind gerade mal 0,99% , was die Rentner bekommen.
Also bei meiner Minirente (Nein, habe ich nicht selbst verschuldet!) wird das jetzt etwa € 4.- ausmachen, die ich noch mit meiner Krankenkasse und Pflegeversicherung teilen muss.
Mit dem bisschen Bier, das ich dafür trinken kann, wird das auch nicht schöner. .
Jedoch jemand, der z.B. 2000 € Rente bekommt, ist fraglos auf der Seite der Wohlhabenden. Der bekommt nun nicht etwa auch den berauschenden Satz von € 4.- sondern immerhin € 20.- Kann durchaus sein, (Hoffentlich!) dass er dadurch in einen Bereich mit höherer Steuerlast kommt und im Endeffekt sogar weniger hat – aber es trifft trotzdem keinen Armen.
Der Arme jedoch wäre an den steuerfreien 20.- (minus Krankenkasse) wirklich froh.
Ich frage mich, Sie und andere Politiker: Welches Naturgesetz verlangt, dass Rentenerhöhungen prozentual sein müssen?
Was aber unser Grundgesetz verlangt ist Gerechtigkeit. Ist es gerecht, dass der Wohlhabende einen Prozentsatz seines Wohlhabens bekommen muss? Wohl kaum. Wenn dieser auch einen Kleinbetrag wie € 20.- nicht wirklich als Verbesserung ansehen wird.
Übrigens: Wenn der Staat seinen Rentnern jedes Jahr einen Festbetrag (vielleicht tatsächlich einen Prozentsatz, nämlich von dem berühmten Warenkorb) zukommen ließe, wäre er wahrscheinlich billiger dran, wie jetzt, wo wieder die Wohlhabenden den Rahm abschöpfen.
Könnten Sie sich dieser Überlegung anschließen und eine Abkehr von der Prozent-Marge befürworten?
Mit freundlichem Gruß
Manfred Pfirrmann
Sehr geehrter Herr Pfirrmann,
vielen Dank für Ihre Frage, in welcher Sie die Höhe der diesjährigen Rentenanpassung ansprechen.
Erst einmal möchte ich voranstellen, dass ich es verstehen kann, wenn eine niedrige Rentenerhöhung, die keinerlei Preissteigerungen kompensieren kann, zu Verärgerung und Unfrieden führt. Jedoch ist die Rentenanpassung kein Inflationsausgleich.
Basis für die Anpassung der Renten in der gesetzlichen Rentenversicherung ist die Entwicklung der Löhne und Gehälter. Daran hat auch die Anpassung der Rentenformel an die aktuellen wirtschaftlichen und demografischen Entwicklungen nichts geändert. Diese noch heute von allen gewollte lohnorientierte Anpassungsmethodik ist – seit sie im Jahr 1957 mit Zustimmung aller Parteien und der Sozialpartner eingeführt wurde – Bestandteil der gesetzlichen Rentenversicherung. Die Rentnerinnen und Rentner nehmen damit an der wirtschaftlichen Entwicklung teil, wie sie in der Lohnentwicklung zum Ausdruck kommt. Einen Inflationsausgleich erreicht man mit dieser Formel nicht bzw. nur, wenn die Faktoren aus Einkommensentwicklung und Anteil der Beschäftigten sich so positiv entwickeln, dass dies passiert. Einen direkten Zusammenhang gibt es jedoch nicht. Auch Berufstätige erhalten Lohnanpassungen – wenn sie einenm Tarifsystem angehören – nicht als Inflationsausgleich. Diese Art der Rentenberechnung ist gerade keine Rentenberechnung nach Kassenlage.
Eine absolute (lineare) Rentenerhöhung, oder die stärkere Erhöhung von Renten bis 1000 Euro wäre gleichfalls eine Verletzung der Beitragsäquivalenz und würde dem Prinzip der Leistungsgerechtigkeit widersprechen. Der Zusammenhang von Vorleistung und Leistung und damit das Verhältnis zwischen versichertem Einkommen und Rente würde aufgelöst werden. Folgendes würde eintreten: Die Bezieher niedriger Renten würden für ihre Beitragsleistung im Verhältnis zu den Beziehern höherer Renten mehr Rente erhalten. Die hohen Beitragszahlungen der Besserverdienenden wären weniger Wert als die niedrigeren Beiträge. Und diese Schere würde sich im Verlaufe des Rentenbezuges weiter öffnen. Dies wäre verfassungswidrig und würde vom Bundesverfassungsgericht eindeutig als Verstoß gegen die Eigentumsgarantie - zu der auch Beitragszahlungen zu Sozialversicherungen gehören - gewertet werden. Eine Erhöhung in Form eines Festbetrages statt einer prozentualen Anpassung kann es in der deutschen Sozialversicherung nicht geben.
Mit freundlichen Grüßen
Christine Lambrecht, MdB