Frage an Christine Lambrecht von Maximilian P. bezüglich Recht
Sehr geehrte Frau Lambrecht,
in Hinblick auf die nächste Bundestagwahl würden mich ihre Antworten auf einige drogenpolitische Fragen interessieren. Das Thema Drogenpolitik ist sicherlich nicht das entscheidende Thema in diesem Wahlkampf, aber für mich persönlich und sicherlich einige andere Bürger ein wichtiges Thema.
Halten sie eine Strafverfolgung von Konsumentinnen illegaler Drogen für grundsätzlich sinnvoll oder würden sie sich für eine Verlagerung von der Repression hin zu mehr Prävention einsetzen ?
Das Bundesverfassungsgericht hat 1994 entschieden, dass bei einer "geringen Menge" Cannabis von einer Strafverfolgung grundsätzlich abzusehen ist, aber derzeit besteht nur die Möglichkeit für die Staatsanwaltschaft / das Gericht das bereits eröffnete Verfahren einzustellen. Würden sie sich dafür einsetzen eine "geringen Menge" Cannabis so straffrei zu stellen, dass die Polizei nur bei dem Überschreiten dieser Menge tätig werden muss ?
Wie bewerten sie den Vorschlag den Besitz einiger weniger Hanfplanzen straffrei zu stellen um Cannabiskonsumenten so eine Eigenversorgung außerhalb des Schwarzmarktes zu ermöglichen ?
Derzeit müssen die Konsumentinnen illegaler Drogen auch ohne eine berauschte Teilnahme am Strassenverkehr mit führerscheinrechtlichen Konsequenzen rechnen. Halten sie dies für gerechtfertigt oder sollte es wie bei der Droge Alkohol Grenzwerte geben die ausschließlich bei einer Teilnahme im Strassenverkehr zur Geltung kommen ?
Könnten sie sich vorstellen Möglichkeiten zu schaffen um den Verkauf von Cannabis unter Berücksichtigung des Jugend- und Verbraucherschutzes und begleitenden Maßnahmen (Informationensmaterial, Safer Use Hinweise etc.) legal zu ermöglichen ?
Über eine Beantwortung dieser konkreten Fragen würde ich mich sehr freuen.
Mit freundlichen Grüßen
Maximilian Plenert
Sehr geehrter Herr Plennert,
wir bekommen täglich zwischen 80 und 150 e-Mails. Darunter sind zwischen 80 und 90 % so genannte Spam- oder Massenmails, auf die wir prinzipiell nicht reagieren. Bei vielen Fragen, die über "Kandidatenwatch" gestellt werden, handelt es sich ebenfalls um anonyme Massenmails, die auf dieser Seite unkontrolliert an jeden beliebigen Abgeordneten geschickt werden. Ich halte es für ein Problem, dass die Macher dieser Seite dem einen seriösen Anstrich geben. Ich halte im Übrigen auch ein Konzept einer Internetseite für fragwürdig, bei dem ohne Absprache Daten der Kandidaten unvollständig ins Netz gesetzt werden und dann vom Seitenbetreiber 100 Euro dafür verlangt werden, dass weitere Informationen auf die Seite gesetzt werden. Das ist kaum seriös und es hat auch mit Demokratie nichts zu tun.
Mittlerweile ist auch aufgefallen, dass über "Kandidatenwatch" gestellte Fragen von identischen Absendern an verschiedene Abgeordnete sich widersprechende persönliche Angaben enthalten, die einen Missbrauch dieser Form der Fragestellung deutlich machen.
Ich habe es mir zur Regel gemacht, nur Anfragen zu beantworten, bei denen der Absender über die Mailadresse hinaus ersichtlich ist, die aus meinem Wahlkreis kommen. Aus Ihrer Mail ist nicht ersichtlich, ob sie nur an mich oder nicht noch an hunderte andere Empfänger gegangen ist. Ich konnte ihr lediglich einen Namen und einen Provider entnehmen. Aufgrund der täglichen Flut von Mails bin ich gezwungen, Mails, die keine näheren Hinweise auf den Absender, besonders seinen Wohnort und den Grund, warum die Mail an mich gerichtet wurde, enthalten, wie einen anonymen Brief zu behandeln.
Ich bitte Sie also, mir ihre Anschrift mitzuteilen und den Grund, warum Sie sich an mich wenden (z.B., ob Sie in meinem Wahlkreis wohnen). Zu einem Dialog gehört ja schließlich, dass man weiß, mit wem man es zu tun hat. Dann werde ich Ihre Mail gerne beantworten, bzw. Ihnen bei der Suche nach dem für Sie zuständigen Abgeordneten der SPD behilflich sein.
Mit freundlichen Grüßen
Christine Lambrecht
MdB
Sehr geehrter Herr Plennert,
ich bitte Sie noch einmal um Verständnis, dass ich sehr rigorose Kriterien anwende, welche Mail-Anfragen ich beantworte. Wir bekommen hunderte von Mails am Tag und in diesen Tagen unendlich lange Fragenkataloge zu Spezialthemen.
Das Internet gehört für mich zu den alltäglichen Kommunikationsmitteln und kein Bundestagsabgeordneter muss heute mehr beweisen, dass er es auch nutzt. Ohne das Internet geht es gar nicht mehr. Aber für mich heißt "Politik machen" nicht nur, vor dem Computer zu sitzen, sondern vor allem raus zu gehen und mit den Menschen zu reden. Das mag vielen hier in diesen Foren unmodern und uncool vorkommen, es gibt aber Menschen, die wollen das und ich bin damit sehr erfolgreich. Vor allen Dingen in meinem Wahlkreis ist das sehr wichtig.
Im Anhang finden Sie die Antworten der SPD an die Fragen des Deutschen Hanf-Verbandes, die alle Ihre Fragen ausführlich beantwortet.
Mit freundlichen Grüßen,
Christine Lambrecht
MdB
Antworten der SPD zu Fragen des Deutschen Hanf Verbandes
Frage 1:
Wollen Sie die Strafverfolgung von Cannabiskonsumenten generell eher mildern, verschärfen oder unverändert lassen?
Die SPD sieht Cannabis nicht als harmlose Droge an. Deshalb wollen wir an der grundsätzlichen Strafbarkeit des Besitzes, des Anbaus und des Inverkehrbringens von Cannabis festhalten. Die dieser Haltung entsprechenden Regelungen im Betäubungsmittelgesetz (BtMG) stehen für uns nicht zur Disposition. Denn in aktuellen Studien zur Auswirkung des nichtmedizinischen Cannabis-Konsums wird immer wieder auf die Gefährlichkeit durch eine ganze Reihe akuter und langfristiger Beeinträchtigungen hingewiesen. So ist auch zu beobachten, dass bei den ambulanten Drogenberatungsstellen der Anteil der Klienten, die wegen eines Cannabisproblems in die Behandlung kommen, stetig zunimmt.
Frage 2:
Werden Sie sich für eine bundesweit einheitliche "geringe Menge"
Cannabis einsetzen? Wenn ja, welcher Grenzwert schwebt Ihnen vor?
Ausgehend von der grundsätzlichen Strafbarkeit des Besitzes von Cannabis, befürworten wir eine einheitliche Regelung zur Festlegung der Kriterien für die Einstellungspraxis nach § 31a BtMG. Als Reaktion auf die so genannte "Haschisch-Entscheidung" des Bundesverfassungsgerichts von 1994, regte die SPD-geführte Bundesregierung bei den hierfür zuständigen Landesjustizministerien vor allem die Festlegung einer "geringen Menge" für den Eigenkonsum an. Diese scheiterte vor allem an der starren Haltung der unionsgeführten Bundesländer. Nichtsdestotrotz gibt es heute in Deutschland zur Verfahrenseinstellung nach § 31a BtMG eine im Wesentlichen einheitliche strafrechtliche Praxis und Rechtsprechung.
Frage 3:
Wollen Sie die Strafverfolgung des Anbaus weniger Hanfpflanzen zur
Deckung des Eigenbedarfs eher milder, verschärfen oder unverändert lassen?
Aufgrund der Gefährlichkeit des nichtmedizinischen Konsums von Cannabis wollen wir an dem Verbot des Anbaus von Tetra Hydro Cannabinol (THC)-haltigen Hanfpflanzen festhalten. Die hierzu getroffenen Regelungen wollen wir beibehalten.
Frage 4:
Halten Sie das Verbot von Hanfsamen in diesem Zusammenhang für sinnvoll
oder werden sie sich für dessen Abschaffung einsetzen?
Hanfsamen fallen nicht grundsätzlich unter das gesetzliche Verbot des BtMG.
Gemäß § 1 Abs. 1 BtMG in Verbindung mit der Anlage I des BtMG fallen nur solche Hanfsamen als nicht verkehrsfähige Betäubungsmittel unter das Verbot, die THC-haltige Pflanzen hervorbringen. Damit soll dem verbreiteten Vertrieb von Cannabissamen für den individuellen Anbau von Hanf zu Rauschzwecken entgegengewirkt werden.
Frage 5:
Halten Sie es für sinnvoll, dass Cannabiskonsumenten bei der
Überprüfung der Fahreigenschaften gegenüber Alkoholkonsumenten
benachteiligt werden oder setzen Sie sich eher für eine Gleichbehandlung
ein?
Wir setzen uns vornehmlich dafür ein, dass Kraftfahrzeugführerinnen und -führer ohne jegliche berauschende Substanzen am Straßenverkehr teilnehmen. Da mit verschiedenen psychotropen Substanzen grundsätzlich unterschiedliche Rauschindikationen verbunden sind, ist eine gänzliche Gleichbehandlung schwierig. Damit aber eine mit der Messung der Blutalkoholkonzentration vergleichbar verlässliche Überprüfung der Fahrtauglichkeit von Cannabiskonsumenten möglich wird, hat die SPD-geführte Bundesregierung zur Lösungsfindung eine Kommission eingesetzt.
Frage 6:
Wie stehen Sie zur Einführung eines THC-Grenzwertes analog zu Alkohol, um die Verkehrssicherheit zu gewährleisten?
Wir wollen verlässliche Parameter, aufgrund derer zuverlässige Rückschlüsse auf die Fahrtüchtigkeit von Cannabiskonsumenten im Straßenverkehr gezogen werden können. Wie beschrieben, befinden wir uns im Rahmen der eingesetzten interdisziplinären Kommission in der Diskussion. Sobald hier wissenschaftlich fundierte Ergebnisse erzielt worden sind, streben wir die Etablierung eines Grenzwertes an.
Frage 7:
Halten Sie das Verbot des Handels mir Genusshanfprodukten für sinnvoll? Werden Sie sich für eine Legalisierung/Regulierung des Marktes einsetzen? Oder wollen Sie eher die Strafverfolgung von Cannabishändlern noch weiter verschärfen?
Hanfgenussmittel unterliegen nicht allesamt dem Verbot des BtMG. Viele Produkte, wie Hanfsamen, Hanföl, Hanfmehl, oder THC-freie Hanfblätter sind frei verkäuflich. Im Hinblick auf die THC-haltigen Produktbereiche wollen wir an der bestehenden Verbotsregelung festhalten. Wir sehen derzeit keine Veranlassung, ein Freigabesignal für eine berauschende Substanz zu geben. Auch die Weltgesundheitsorganisation lehnt eine Freigabe von THC-haltigen Hanfprodukten ausdrücklich ab und hält an dem obligatorischen Cannabisverbot der Suchtstoffübereinkommen der Vereinten Nationen fest. Deutschland ist zur Umsetzung der Übereinkommen vertraglich verpflichtet.
Frage 8:
Sehen Sie Handlungsbedarf bei der Anwendung von Cannabis als Medizin?
Unser Gesundheitswesen ist gut, auch im internationalen Vergleich. Jeder erhält notwendige medizinische Leistungen auf der Höhe des medizinischen Fortschritts. Das soll auch so bleiben.
Die Leistungen der Krankenversicherung immer wieder dem Fortschritt der medizinischen Erkenntnis anzupassen, bleibt Aufgabe von medizinischer Wissenschaft und der Selbstverwaltung von Krankenkassen und Leistungserbringern.
Anstrengungen, um wirksame Arzneimittel auf der Basis von Cannabis in den Verkehr bringen zu können, werden befürwortet. Dies kann jedoch wie bei allen Arzneimitteln nur auf der Grundlage des Arzneimittelgesetzes (AMG) und des BtMG erfolgen. Danach müssen insbesondere reproduzierbare Qualität, Wirksamkeit und Unbedenklichkeit der eingesetzten Arzneimittel wissenschaftlich nachgewiesen werden. Wenn diese Voraussetzungen erfüllt sind, können die entsprechenden Wirkstoffe in die Anlage III des BtMG (verkehrsfähige und verschreibungsfähige Betäubungsmittel) aufgenommen werden. Dies ist bislang aufgrund klinischer Prüfungen für die Cannabis-Wirkstoffe Nabilon und Dronabinol erfolgt.
Frage 9:
Wollen Sie die Strafverfolgung von Menschen beenden, die Cannabis nachweislich aus medizinischen Gründen nutzen, und sich für angemessenen Zugang zu Hanfarzneimitteln einsetzen?
Dort, wo Cannabis im Einklang mit arzneimittel- und betäubungsmittelrechtlichen Vorschriften als Medikament eingesetzt wird, findet eine Strafverfolgung selbstverständlich nicht statt.
Frage 10:
Wie stehen Sie zur Nutzung von Hanf als Biorohstoff? Wollen Sie sich für eine verstärkte Förderung von Hanf in der Landwirtschaft etc. einsetzen und bürokratische Hürden abbauen oder planen Sie eher, gegen Nutzhanf vorzugehen?
Der Anbau von Nutzhanf als Biorohstoff, z. B. für die Textilindustrie, wird von der SPD ausdrücklich begrüßt. Insbesondere in den östlichen Bundesländern sind in den letzten Jahren große Investitionen getroffen worden, nicht zuletzt wurden dadurch neue Einkommens- und Beschäftigungsmöglichkeiten für die Landwirtschaft geschaffen. Dieses findet auch in der Entscheidung des EU-Agrarministerrates aus dem Juli 2000 Anerkennung, die eine verbindliche Förderung für die Verarbeitung von Hanf und kurzen Flachsfasern vorsieht.
Es ist allerdings aus unserer Sicht unumgänglich, im Rahmen des Betäubungsmittelgesetzes den THC-Gehalt der aus Hanf gefertigten Produkte zu überwachen.