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Christine Aschenberg-Dugnus
FDP
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Frage von Jürgen B. •

Frage an Christine Aschenberg-Dugnus von Jürgen B. bezüglich Gesundheit

Sehr geehrte Frau Aschenberg-Dugnus,

mit einigem Erschrecken musste ich zur Kenntnis nehmen, dass auf Bestreben auch der FDP Herr Sawicki vom Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen (IQWiG) aufgrund (von ihm weiterhin bestrittener) Unregelmäßigkeiten seinen Posten verlieren soll.

Weniger interessiert mich in diesem Fall, ob es um zehn Euro geht, sondern vielmehr die Relation zu anderen "Vergehen" (ganz anderer Art ...), als von Herrn Sawicki, da dieser ausgewiesen unbequeme Experte den Bürgerinnen und Bürgern wahrscheinlich mehrere Millionen Euro sparte - gegen die Pharmaindustrie und deren Lobbyisten.

Beispiele:
- Herr Wulf, seines Zeichens Ministerpräsident Niedersachsens, meint, er habe nicht bewußt und damit nicht strafrechtlich relevant gehandelt, als er einen Urlaubsflug in besserer Klasse samt Famile von einer Fluggesellschaft als "Geschenk" annahm.
- Die in "Dienstwagen-Affären" und ähnliche Hinterziehungen verstrickten PolitikerInnen sind mittlerweile kaum mehr zählbar. Konsequenzen aus solchen Affären sind mir bisher nicht bekannt geworden.

Mich interessiert Ihre Haltung zu einer offensichtlich unverhältnismäßigen Ungleichstellung, die ich eben skizzierte. Verbunden mit der Frage, ob auch hier, wie bei der Senkung der Mehrwertsteuer für das Hotelgewerbe - ich erinnere an die Millionensteuer aus dieser Branche an die FDP -, Lobby- bzw. deutlich von einer der integersten Personen der FDP - Frau Hamm-Brücher - benannten Klientelpoilitik ist.
In solchem Kontext stehen auch die versuchte Reanimation der Atomenergie sowie der Versuch, ein nicht mehr auf dem Solidaritäts- und dem (noch) geltenden Gesellschaftsprinzip basierenden Gesundheitssystem durchzusetzen.

Ich erwarte mit einiger Spannung Ihre Antwort und hoffe, dass Sie - trotz Regierungsstress - weiterhin Ihrem Gewissen und Ihren Bürgerinnen und Bürgern verpflichtet bleiben - und nicht den Interessen, die jenen entgegenstehen.

Mit freundlichen Grüßen

J.Georg Brandt

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Antwort von
FDP

Sehr geehrter Herr Brandt,

vielen Dank für Ihre Fragen, auf die ich Ihnen gerne antworte.

Zu einzelnen Vorgängen innerhalb des Instituts für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen (IQWiG), insbesondere hinsichtlich medizinisch-wissenschaftlicher Aspekte, kann ich mich nicht äußern, da mir als Juristin naturgemäß die Fachkenntnisse fehlen.

Ich kann Ihnen jedoch versichern, dass sich die FDP-Bundestagsfraktion zum Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen (IQWiG) als wichtige Instanz zur Überprüfung von Kosten und Nutzen im Gesundheitswesen bekennt. Kosten-Nutzen-Bewertungen müssen praktikabel und nach klaren, eindeutigen Kriterien erfolgen. Das IQWiG ist dafür von zentraler Bedeutung. Die Arbeit des Instituts werden wir deshalb auch unter dem Gesichtspunkt stringenter, transparenter Verfahren überprüfen und damit die Akzeptanz von Entscheidungen für Patienten, Leistungserbringer und Hersteller verbessern.

Der Vorwurf, das IQWiG werde nun auf einen industriefreundlichen Kurs getrimmt und man betreibe Klientelpolitik ist vollkommen gegenstandslos. Denn die Personalie Peter Sawicki darf nicht mit der inhaltlichen Arbeit des Instituts vermengt werden. Die Nicht-Vertragsverlängerung Sawickis ist nicht mit dessen wissenschaftlicher Arbeit verknüpft. Tatsache indes ist, dass es erhebliche Unregelmäßigkeiten bei Sawickis dienstlichen Abrechnungen gab. Der Vertrag von Sawicki ist daher einstimmig im IQWiG-Vorstand nicht verlängert worden. Das Gesundheitsministerium verfügt dort über eine Stimme, die Kassen über zwei. Die Einstimmigkeit gilt ebenso für die Neubestellung, die jetzt ausgeschrieben wird.

Ich bin der Überzeugung, dass für alle die gleichen Maßstäbe gelten müssen. Ob Institutsdirektor, Ministerpräsident oder Abteilungsleiter -- mit öffentlichen Geldern muss einwandfrei umgegangen werden, Vorteilsnahme und Beeinflussung haben keinen Platz in unserer Gesellschafts- und Rechtsordnung.

Das Verhalten von Ministerpräsident Christian Wulf hinsichtlich seiner Flugreise wird zurecht beanstandet. Ich als Person bin jedoch weder Mitglied des Niedersächsischen Parlaments noch Vertreterin einer prüfungsberechtigten Institution. Daher kann ich nur meine persönliche Meinung äußern. Sowohl Upgrades bei Flugreisen als auch die illegitime Nutzung von Dienstwagen finde ich nicht korrekt und in jedem Falle aufklärungsbedürftig. Denn die Bürger haben ein Recht darauf, dass mit ihren Steuergeldern anständig umgegangen wird und dass Vertreter öffentlicher Institutionen sich den Bürgerinnen und Bürger verpflichten und keinen Dritten.

Ihren pauschalen Vorwurf der Klientelpolitik weise ich entschieden zurück. Der Deutsche Bundestag hat Ende 2010 das Wachstumsbeschleunigungsgesetz beschlossen. Darin wird das Sofortprogramm der steuerlichen Maßnahmen umgesetzt, die Union und FDP zur Entschärfung der Wirtschaftskrise vereinbart haben. Um aus dieser Krise herauszukommen, benötigen wir Wachstum.

Bürger und Unternehmen werden zusammen mit den bereits beschlossenen Maßnahmen um mehr als 20 Milliarden Euro entlastet. Das heißt: Mehr Netto vom Brutto. Wir halten unsere Versprechen. Der Gesetzentwurf stärkt die Familien und enthält den Abbau einiger Gegenfinanzierungsmaßnahmen der Unternehmensteuerreform, die für viele Unternehmen die Auswirkungen der Wirtschaftskrise noch verschärfen. Umgesetzt wird damit eines der zentralen Versprechen des FDP-Wahlprogramms. Weitere Entlastungen sind vorgesehen für Familien, für den Generationenübergang in Unternehmen und eben auch für die Hotellerie.

Im Gegensatz zur SPD halten wir, was wir vor der Wahl versprochen haben. Der Aufschrei einiger Genossen ist unglaubwürdig, wenn man uns genau dies vorwirft, nämlich dass wir unser Programm, mit dem wir zur Wahl angetreten sind, nach der Wahl auch umsetzen. Aus Sicht der SPD ist dies verständlich. Denn nach einhundert Tagen Großer Koalition Anfang 2006 wurden die Bürger mit einer erhöhten Mehrwertsteuer konfrontiert -- und das, obwohl sich die SPD im vorangegangenen Wahlkampf vehement gegen diese von der Union erhobene Forderung gewehrt hatte. Franz Münterfering hat es damals als unfair bezeichnet, wenn man Parteien an dem misst, was sie vor der Wahl in Aussicht gestellt haben. Für mich ist Münteferings Verhalten Wählerbetrug!

Nach einhundert Tagen christlich-liberaler Koalition jedoch haben die Menschen mehr Netto vom Brutto, das Kindergeld wurde erhöht und zentrale Wirtschaftszweige wurden deutlich entlastet.

In der Hotellerie in Deutschland arbeiten rund eine Million Menschen, davon sind ca. 100.000 Auszubildende in ca. 240.000 vorwiegend kleinen und mittelständischen Unternehmen. 22 von 27 Staaten in der Europäischen Union, alle unsere Nachbarstaaten mit Ausnahme Dänemarks, haben einen reduzierten Mehrwertsteuersatz auf Hotelübernachtungen. Wir haben mit unserem Gesetz also zur Herstellung gleicher Wettbewerbsbedingungen beigetragen und somit den Standort Deutschland gestärkt. Daran ist nichts auszusetzen. Das sehen im Übrigen auch die anderen im Deutschen Bundestag vertretenen Parteien so. So hat die SPD in ihren Tourismuspolitischen Leitlinien bereits im Mai 1998 den ermäßigten Mehrwertsteuersatz für die Hotellerie gefordert. So auch die Bayerische SPD-Fraktion in einem Parlamentsantrag vom Januar 2006. Erst im Mai 2009 gab es einen Beschluss der Bayerischen Grünen-Fraktion, den ermäßigten Mehrwertsteuersatz für Hotels einzuführen. Und sogar die Linke hat in ihr Wahlprogramm 2009 geschrieben, dass der ermäßigte Mehrwertsteuersatz für die Hotellerie dringend erforderlich ist.

Sehr geehrter Herr Brandt,
wem werfen Sie Klientelpolitik vor? Natürlich ist die mediale Aufmerksamkeit vorhanden, wenn eine Millionenspende im Raume steht. Doch lassen Sie mich klarstellen:

Richtig ist, die FDP hat in den Jahren 2008 und 2009 Spenden der Substantia AG erhalten. Sie erreichen, wenn man die Vorgänge aus unterschiedlichen Rechenschaftszeiträumen akkumuliert, die veröffentlichte Höhe.

Die FDP hat diese rechtmäßig erhaltenen Spenden entsprechend der Vorschriften zur Parteienfinanzierung binnen zweier Tage bei der Bundestagsverwaltung angezeigt. Der Spiegel konnte deshalb gar keine Millionenspende an die FDP "enthüllen", weil die FDP selbst den Eingang der Spenden bereits zuvor pflichtgemäß veröffentlicht hatte.

Der behauptete Zusammenhang zwischen Spenden der Substantia AG in den Jahren 2008 und 2009 und der gemeinsamen Forderung von Union und FDP, dem Übernachtungsgewerbe den ermäßigten Mehrwertsteuersatz zuzugestehen, ist frei erfunden. Richtig ist indes, dass das Tourismuskonzept der FDP-Bundestagsfraktion schon in der 14. Wahlperiode für diese Ermäßigung eingetreten ist. Die Bundespartei hat diese Forderung in ihrem Programm "Arbeit hat Vorfahrt" zu Bundestagswahl 2005 erstmals und damit lange vor der Spende der Substantia AG aufgenommen.

Der zweite Senat des Bundesverfassungsgerichts hat in Abschnitt 156 seines Urteil zur Parteienfinanzierung vom 9. April 1992 ausdrücklich festgehalten: "Spenden an politische Parteien, auch Spenden juristischer Personen, sind nach der Rechtsordnung der Bundesrepublik Deutschland in beliebiger Höhe zulässig. Gefahren für den Prozess der politischen Willensbildung, die sich hieraus ergeben können, beugt Art. 21 Abs. 1 Satz 4 GG vor, der von den Parteien unter anderem verlangt, über die Herkunft ihrer Mittel öffentlich Rechenschaft zu geben."

Entsprechend dieser höchstrichterlichen Rechtsprechung hat sich die FDP auch bei der Spende der Substantia AG verhalten.

Für das Bundesverfassungsgericht ist das eigene Bemühen der Parteien um Spenden Ausweis "der Verwurzelung der Parteien in der Gesellschaft, wie es der Grundsatz der Staatsfreiheit verlangt." Mehr noch: Im Abschnitt 98 des Urteils heißt es weiter: "Deshalb hat die Selbstfinanzierung der Parteien Vorrang vor der Staatsfinanzierung."

Parteien haben den Verfassungsauftrag, an der Willensbildung des Volkes mitzuwirken. Die Einnahmen aus Mitgliedsbeiträgen allein können die Kosten der Parteiarbeit nicht decken. Im Abschnitt 91 seines Urteils hält das Verfassungsgericht fest: "Die Parteien müssen nicht nur politisch sondern auch wirtschaftlich und organisatorisch auf die Zustimmung und Unterstützung der Bürger angewiesen bleiben." Wenn die Parteien ihrem Auftrag nicht nur aus Steuermitteln gerecht werden sollen, müssen sie die rechtliche Möglichkeit haben und nutzen dürfen, Spenden einzuwerben. Die Gesetzgebung zur Parteienfinanzierung in Deutschland legt dabei zu recht strenge Maßstäbe an und ist weltweit vorbildlich.

Mit Blick auf die demokratische Kultur in Deutschland wäre es schädlich, einen Zusammenhang zwischen Spenden an eine Partei und politischen Entscheidungen herzustellen. Deshalb ist es unzulässig, zum Beispiel die Tatsache, dass die schwarz-rote Bundesregierung 2009 die Abwrackprämie verlängert hat, in den Zusammenhang mit einer kurz zuvor an SPD und Union ergangenen Spende eines namhaften Automobilherstellers zu stellen oder Spenden aus der Solarwirtschaft an die Grünen mit deren Festhalten an der Übersubventionierung der Energieerzeugung durch Solaranlagen zu sehen.

Und damit möchte ich überleiten zu Ihrer Frage nach der "Reanimation der Kernenergie". Die Kernenergie ist unserer Auffassung nach eine Brückentechnologie, bis sie durch erneuerbare Energien verlässlich ersetzt werden kann. Andernfalls werden wir unsere Klimaziele, erträgliche Energiepreise und weniger Abhängigkeit vom Ausland nicht erreichen. Dazu sind wir bereit, die Laufzeiten deutscher Kernkraftwerke unter Einhaltung der strengen deutschen und internationalen Sicherheitsstandards zu verlängern. Das Neubauverbot im Atomgesetz bleibt bestehen. Die in Ihrer Email implizierte Unterstellung, die Kernenergie erlebe durch die christlich-liberale Koalition eine Renaissance, ist daher unzutreffend. Vielmehr wollen wir durch einen intelligenten Energiemix sicherstellen, dass in Deutschland nicht die Lichter ausgehen.

Abschließend möchte ich auf ihre Fragen nach der Zukunft des Gesundheitssystems eingehen.

Für die umlagefinanzierte gesetzliche Krankenversicherung liegen die Risiken nicht nur in der demografischen Entwicklung und dem Rückgang sozialversicherungspflichtiger Arbeitsplätze, sondern auch im medizinisch-technischen Fortschritt. Letzterer ist sehr erfreulich - kostet aber auch Geld. Wenn wir jetzt nicht gegensteuern, werden die Beiträge weiter steigen, gibt es Rationierung und steigende Lohnzusatzkosten. Weil wir das nicht wollen, ist eine tiefgreifende, ehrliche Reform notwendig.

Wir wollen den solidarischen Charakter der gesetzlichen Krankenversicherung erhalten und stärken. Das bestehende System wird daher langfristig überführt in eine Ordnung mit mehr Beitragsautonomie, regionalen Differenzierungsmöglichkeiten und einkommensunabhängigen Arbeitnehmerbeiträgen, die wiederum mit einem sozialen Ausgleich über das Steuer- und Transfersystem verknüpft werden. Um die Finanzierung der gesetzlichen Krankenversicherung von den Lohnzusatzkosten zu entkoppeln, bleibt der Arbeitgeberanteil fest. Das schafft und sichert Arbeitsplätze.

Dieses so genannte Prämienmodell, flankiert durch einen sozialen Ausgleich über Steuermittel ist der gerechteste Weg. Denn diejenigen, die viel verdienen, zahlen auch mehr ins System ein. Auch Privatversicherte.

Der vielfach erhobene Vorwurf, der Konzernchef zahle dann für Gesundheit genauso viel oder wenig wie die Supermarktverkäuferin, ist daher vollkommen substanzlos. Denn keiner kann bestreiten, dass Gutverdiener mehr Steuern zahlen und sich somit auch stärker an den Gesundheitskosten beteiligen als Geringverdiener. Ihre Befürchtung, das Gesundheitssystem werde sich zukünftig nicht mehr am Solidaritätsprinzip orientieren, ist daher vollkommen unbegründet. In unserem Modell werden auch Bürger mit niedrigem Einkommen eine umfangreiche Krankenversicherung haben.

Mit freundlichen Grüßen
Christine Aschenberg-Dugnus, MdB

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