Frage an Christiane Schneider von paula z. bezüglich Raumordnung, Bau- und Wohnungswesen
liebe christiane schneider,
haben sie vielen dank für ihre höchst informative antwort auf meine letzte frage. diese ermutigt mich nun direkt eine neue zu stellen:
heute habe ich gelesen, dass hamburg das höchstgebotsverfahren für öffentliche grundstücke abgeschafft hat. ist dieser paradigmenwechsel auf die "recht-auf-stadt"-bewegungen zurück zu führen?
viel erfolg bei ihrer arbeit wünscht ihnen
paula zucker
Liebe Paula Zucker,
vielen Dank für Ihre guten Wünsche.
Dass die Stadt offiziell vom Höchstgebotsverfahren abrückt, ist, davon gehe ich aus, auf die "Recht auf Stadt"-Bewegung zurückzuführen. Gerade in der Auseinandersetzung um das Gängeviertel wurde aufgedeckt, welche schlimmen Folgen dieses Verfahren für die Stadtentwicklung hat. Die Käufer werden natürlich versuchen, bei der Nutzung die höchstmögliche Rendite zu erzielen: Die politische Entscheidung zum Höchstgebotsverkauf gibt öffentliche Einwirkungsinstrumente aus der Hand und unterwirft die Stadtstruktur privaten Renditeinteressen. Diese Unterwerfung unter Renditeinteressen mit all ihren Folgen (Gentrifizierung, sozialräumliche Segregation, Zerstörung der Solidarität und Desintegration der Stadtgesellschaft) hat die "Recht auf Stadt"-Bewegung thematisiert und die herrschende Politik unter Druck gesetzt.
Offiziell will die Regierungskoalition nun also zum "Bestgebotsverfahren" übergehen, bei dem der Preis nur noch zu 30%, konzeptionelle, also Nutzungsvorstellungen zu 70% eine Rolle spielen. Ich bin bei der Beurteilung allerdings vorsichtig: Ob und wie die Stadt die Ankündigung umsetzt, wird ausschließlich davon abhängen, ob sie weiterhin mit einer kräftigen Bewegung rechnen muss.
Der Senat hatte auch früher schon angekündigt, vom Höchstgebotsverfahren Abstand nehmen zu wollen. Dennoch haben die im Höchstgebotsverfahren abgewickelten Verkäufe städtischer Grundstücke/Immobilien von 7 im Jahr 2007 auf 15 in den ersten neun Monaten 2009 zugenommen. Misstrauisch macht mich auch das jüngste in der Bürgerschaft verhandelte Beispiel: der Verkauf bzw. die Nutzung der Amsinckvilla. Auch diese war im Höchstgebotsverfahren an einen [zudem windigen] Investor gelangt, der sich um die öffentlichen Nutzungsinteressen praktisch nicht scherte. Nur der anhaltende Widerstand der Amsinck-Park-Nutzer/innen und FreundInnen der Amsinckvilla sowie der kommunalen Gremien in Eimsbüttel haben die Regierungsfraktionen zu einem gewissen Rückzug veranlasst: Das Ganze soll neu überdacht werden - aber bezeichnenderweise fehlt in dem Antrag von GAL und CDU (Datum 19.1.10!) zur "Zukunft der Amsinckvilla" jede klare Absage an einen Verkauf im Höchstgebotsverfahren. Die "FreundInnen der Amsinckvilla" meinen übrigens, dass die schöne alte Villa überhaupt nicht verkauft werden darf, wenn das öffentliche Interesse an ihrer Nutzung gesichert werden soll. Und damit haben sie Recht.
Es wird also auch in Zukunft darauf ankommen, für außerparlamentarische Bewegungen wie für uns als Opposition, wachsam zu bleiben und sich die einzelnen Verkaufsfälle genau anzuschauen. Leider ist der Umgang mit den städtischen Immobilien oft erst im Nachhinein zu erfahren, wenn das Kind schon in den Brunnen gefallen ist - die zuständige Kommission für Bodenordnung tagt nicht öffentlich und gibt auch nur einmal im Jahr einen allgemeinen Bericht ab.
Freundliche Grüße
Christiane Schneider