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Christiane Ratjen-Damerau
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Frage von Werner H. •

Frage an Christiane Ratjen-Damerau von Werner H. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen

Hallo,
wie stehen Sie zu dem längst überfälligen Gesetz gegen Abgeordnetenbestechung und wie haben Sie bei der namentlichen Abstimmung im Bundestag abgestimmt.
Weiterhin: wie stehen Sie zum Verbot von Nebentätigkeiten für Abgeordnete und fder forderung zu absoluter Transparenz von Nebeneinkünften?
mfG
Werner Haarmann

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Antwort von
FDP

Sehr geehrter Herr Haarmann

herzlichen Dank für Ihre Anfrage, auf die ich Ihnen gerne antworte:

Es ist für viele Bürger unverständlich, dass die Bundesrepublik Deutschland eine von ihr unterzeichnete Konvention der UN nicht ratifiziert. Es entsteht der Eindruck, die Abgeordneten wollten sich vor Bestrafung schützen.
Das ist aber nicht der Beweggrund, warum es bisher nicht zu einer Ratifizierung gekommen ist. Bereits vor der Unterschriftsleistung der Bundesregierung haben alle Fraktionen des Deutschen Bundestages, die damals regierenden Sozialdemokraten und Grünen, aber auch CDU/CSU und FDP als Oppositionsparteien, die Bundesregierung darauf aufmerksam gemacht, dass die in der UN-Konvention vorgenommene Gleichstellung von Amtsträgern (bei-spielsweise Beamten) und Mandatsträgern (beispielsweise Abgeordneten) nach der Verfassungsrechtslage der Bundesrepublik Deutschland nicht möglich sei. Der Bundesgerichtshof hat in ständiger Rechtsprechung immer wieder darauf hingewiesen, dass Abgeordnete keine Amtsträger im Sinne der deutschen Rechtsvorschriften sind.

Als Bundestagsabgeordnete kann ich einseitig Interessen vertreten, beispielsweise die des Wahlkreises, in dem ich kandiert habe. Es ist nicht möglich, Abgeordnete wie Beamte strikt und objektiv dem Gemeinwohl zu unterwerfen und Abgeordnete sind auch nicht verpflichtet, ein gleiches durchschnittliches Gesamtinteresse zu vertreten. Sie dürfen – und das ist gut so – auch Interessen einzelner Interessengruppen vertreten. Ich begrüße es außerordentlich, dass es immer wieder Gewerkschaftsvorsitzende im Deutschen Bundestag gegeben hat, die sehr einseitig die Interessen der Arbeitnehmer vertreten haben, obwohl der Kollege als Vor-sitzender der Gewerkschaft für die Wahrnehmung gleicher Interessen von der Gewerkschaft Gehalt bezogen hat.
Genau dieses Mitwirken hat den Diskussionen im Deutschen Bundestag immer wieder gut getan.

Der Deutsche Bundestag hat deshalb bei der Verabschiedung des Tatbestandes des § 108 e StGB, wie ich finde, zu Recht ausgeführt:

„Der Tatbestand der Abgeordnetenbestechung kann nicht dem der Beamten- und Richterbestechung nachgebildet werden (§§ 331, 332 StGB). Im Bereich des Öffentlichen Dienstes ist es generell verboten, einen persönlichen Vorteil für eine Diensthandlung oder im Zusammenhang mit einer dienstlichen Tätigkeit anzunehmen oder zu gewähren. Der Amtsträger soll seine Entscheidung im Rahmen der maßgeblichen Rechtsvorschriften stets unparteiisch und frei von unsachlichen Einflüssen treffen. Beim Träger eines Abgeordnetenmandats fehlt es hingegen bereits an einem genau umgrenzten Pflichtenkreis, wie er für Amtsträger existiert. Bei der Ausübung von Stimmrechten im Parlament spielen oft auch politische Gesichtspunkte und Rücksichtsmaßnahmen eine Rolle. Es ist nicht zu beanstanden, wenn bei der Stimmabgabe politische Zwecke mit verfolgt werden, die den eigenen Interessen des Stimm-berechtigten entgegenkommen. Bei zahlreichen Abgeordneten ist die Zugehörigkeit zu einer gesellschaftlichen Gruppe von wesentlicher Bedeutung für ihre Aufstellung als Kandidat. Von dem Abgeordneten erwartet die gesellschaftliche Gruppe denn auch, dass er sich für ihre Belange einsetzt. […] Zwar sind auch bei Abgeordneten Fälle denkbar, in denen Vorteile nicht für eine Stimmabgabe, sondern für ein anderes Verhalten in strafwürdiger Weise angenommen bzw. gewährt werden. Bei der Art des Aufgabenbereichs der Abgeordneten ist es jedoch nicht möglich, solche andersartigen Handlungen, die Gegenstand einer Bestechung sein könnten, begrifflich in einem klar begrenzten Tatbestand zu erfassen. Die Tätigkeit der Abgeordnete reicht über das eigentlich parlamentarische Wirken hinaus in das allgemeine politische Geschehen, wo scharf abgrenzbare Verhaltensvorschriften fehlen.“

Dies ist der Grund, warum die Große Strafrechtskommission über 15 Jahre hinweg keinen akzeptablen Vorschlag für eine weitere Fassung des Tatbestands der Abgeordnetenbestechung vorlegen konnte. Die Entwürfe, die von den Fraktionen SPD, Bündnis 90/ Die Grünen und der Linkspartei in den Deutschen Bundestag eingebracht worden sind, sind vor wenigen Monaten Gegenstand einer Anhörung des Rechtsausschusses gewesen.
Nach Auffassung der gehörten Sachverständigen verstoßen alle Entwürfe entweder gegen Artikel 38 GG, der die Freiheit des Mandats gewährleistet, und/oder gegen Artikel 103 Abs. 2 GG, wonach gesetzliche Bestimmungen klar und eindeutig verfasst sein müssen, damit der Bürger weiß, was strafbar ist oder nicht. Zu meinem großen Bedauern ist dieser Umstand trotz breiter Anwesenheit von Medienvertretern fast überhaupt nicht in der Presse erwähnt worden. Aus diesem Grunde wurde der Entwurf der Opposition von der FDP-Fraktion im deutschen Bundestag abgelehnt.

Nunmehr zum zweiten Teil Ihrer Frage, meinem Standunkt zum Verbot von Nebentätigkeiten für Abgeordnete bzw. zur Forderung nach absoluter Transparenz von Nebeneinkünften.
Transparenz ist geeignet, um möglichen Interessenkollisionen entgegenzuwirken. Es hat sich bei allen Vorfällen der vergangenen Jahre, wo Abgeordnete durch tatsächliches oder vermeintliches Fehlverhalten aufgefallen sind, deutlich gezeigt, daß die Verhaltensregeln in ihrer alten Fassung bereits ein breites Spektrum bieten, um diese Fälle angemessen zu er-fassen. Kein Fehlverhalten eines Abgeordneten blieb ohne gravierende Konsequenzen. An-dererseits gibt es aber keinen Grund, aufgrund des Fehlverhaltes einzelner Abgeordneter alle unter einen Generalverdacht zustellen.
Die FDP hält daran fest, dass den Abgeordneten auch weiterhin die Möglichkeit gegeben werden muss, neben der Ausübung des Mandates einer beruflichen Tätigkeit ob als Selb-ständige, Freiberufler oder eben auch als abhängiger Beschäftigter nachgehen zu können. Viele Abgeordnete scheiden nach nur einer Legislaturperiode aus dem Bundestag aus und müssen dann den Wiedereinstieg in ihren alten Beruf finden. Im Gegensatz zu Beschäftigten des öffentlichen Dienstes ist dies für Freiberufler und Angestellte in der freien Wirtschaft häufig besonders schwer. Eine Einschränkung von Nebentätigkeiten führt in der Konsequenz dazu, dass sich immer weniger Freiberufler für eine Kandidatur für den Bundestag entscheiden werden. Wir wollen jedoch, dass der Bundestag auch künftig einen repräsentativen Querschnitt der Bevölkerung abbildet.
Für freiberuflich und selbständig tätige Abgeordnete entsteht zudem ein besonderes Problem. Bei ihnen würden durch eine umfangreiche Offenlegung von Einkünften aus unternehmerischer oder freiberuflicher Tätigkeit Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse und Verschwiegenheitspflichten verletzt. Darüber hinaus würden erhebliche Wettbewerbsnachteile entstehen.
Der Deutsche Bundestag hat in der letzten Wahlperiode eine Verschärfung der Verhaltensregeln für Abgeordnete beschlossen. Die Änderungen sehen u. a. vor, dass die Nebeneinkünfte von Abgeordneten veröffentlicht werden müssen. Das alte Recht sah eine Anzeigepflicht gegenüber dem Bundestagspräsidenten vor. Die FDP-Bundestagsfraktion sieht in den erweiterten Veröffentlichungspflichten eine Verletzung der Privatsphäre der Abgeordneten und ihrer grundrechtlich geschützten Interessen. Eine Klage einiger Abgeordneter gegen die Änderung der Verhaltensregeln hat das Bundesverfassungsgericht verworfen. Das Gericht hat entschieden, dass die Verhaltensregeln und die entsprechenden Änderungen des Abgeordnetengesetzes mit dem Grundgesetz vereinbar sind. Damit besteht Rechtsklarheit. Die Abgeordneten, die an Recht und Gesetz gebunden sind, müssen sich jetzt rechtstreu verhalten und die Verpflichtungen aus den Verhaltensregeln erfüllen.`

In der Hoffnung, Ihre Fragen beantwortet zu haben, verbleibe ich mit den besten Grüßen aus Berlin!

Dr. Christiane Ratjen-Damerau