Frage an Christian Thomae von Martha A. bezüglich Außenpolitik und internationale Beziehungen
1)
Syrien war in der Vergangenheit ein Land mit Religionsfreiheit.
Momentan gibt es unter den Christen in Syrien großes Leid.
Haben Sie einen Plan, wie diesen Menschen geholfen werden kann und die Religionsfreiheit in Syrien in Zukunft sichergestellt wird?
2)
a) Befürworten Sie einen Militäreinsatz in Syrien trotz des Wiederstandes von Verbündeten wie Russland?
b) Wer wäre Ihrer Meinung nach der Nutznießer eines Militäreinsatzes in Syrien? (Ich bitte Sie um eine konkrete Antwort, Worthülsen wie "Rebellen" oder "Volk" sind bei dieser Frage nicht ausreichend. Ich möchte wirklich wissen, wer Ihrer Meinung nach "dahintersteckt".)Haben Sie Informationen über die Situation in Syrien, die über bloßes Medienwissen hinausgeht? Waren Sie im Gespräch mit christlichen Syrern, die die Ereignisse vor Ort erlebt haben?
c) Stellen Sie sich vor, dass sich einer Ihrer Nachbarn auf der Straße mit einem Fremden prügelt. Der betroffene Nachbar ist Ihnen nicht symphatisch, der Fremde aber auch nicht. Sie können keine Hilfe rufen. Wie reagieren Sie?
Sehr geehrte Frau Asti,
vielen Dank für Ihre Fragen.
Zu Frage 1
Die Piratenpartei tritt für Regligionsfreiheit ein und fordert zugleich für die unterschiedslose Behandlung aller Menschen, unabhängig von ihrer Religion.
Mögliche Sofortmaßnahmen in Syrien könnten daher unter diesem Gesichtspunkt und der weiteren Piratenpositionen sein:
1. Mehr Menschlichkeit durchsetzen
- Sofortige und umfassende humanitäre Hilfe über die Vereinten Nationen
- Unterschiedslose und massive Aufnahme von Flüchtlingen
- Behandlung von Verwundeten bei voller Kostenübernahme
2. Den Sumpf des Krieges austrocknen
- Keine Kriegsbeteiligung (Überflugsverbot / Ablehnung der Zusammenarbeit mit Kriegsparteien) und Abzug aller Bundeswehreinheiten aus dem Krisengebiet
- Keine Weitergabe von Informationen der Bundeswehr oder des BND an Kriegsparteien oder in den Konflikt verwickelte Staaten
3. Befähigung zur Verhandlung ermöglichen
- Sich als Vermittler für ergebnisoffene Gespräche ohne Vorbedingungen anbieten, um überhaupt eine Form von Dialog wiederherzustellen
- Gespräche könnten zu einer zumindest teilweisen Waffenruhe führen und damit den Weg für eine Friedenskonferenz freimachen
- Staaten, die den Konflikt mit Waffen und Geld fördern, müssen diplomatisch unter Druck gesetzt werden, diese Einmischung zu unterlassen
Wie in Zukunft die Religionsfreiheit sichergestellt werden kann, hängt davon ab, wie der jetzige Konflikt gelöst wird und wer sich am Ende durchsetzt. Darüber kann ich jetzt keine seriöse Aussage treffen.
Zu Frage 2a
Nein, ich lehne einen Militäreinsatz in Syrien ab. Hier stimme ich voll und ganz mit der Piratenposition überein:
Piraten denken und handeln global. Wir formulieren nicht die Interessen Deutschlands oder Europas, sondern eine Außenpolitik, welche die Bedürfnisse aller Menschen im Blick hat.
Leitmotiv des globalen Handelns der Piratenpartei ist das Engagement für Menschenrechte und eine gerechte Wirtschafts- und Gesellschaftsordnung. Wir treten weltweit für die Förderung der Zivilgesellschaft und die Lösung von Konflikten mit friedlichen Mitteln ein.
Wir Piraten wollen die Friedens- und Konfliktforschung stärker fördern. Wir unterstützen das Konzept von unbewaffneter, ziviler Krisenprävention.
Ich persönlich bin für eine defensive Verteidigungspolitik wie sie im Grundgesetz Art 87a steht: "Der Bund stellt Streitkräfte zur Verteidigung auf [Punkt!]". Mir ist ein friedlicher Umgang mit anderen Gesellschaften, eine Stärkung des Zivilen Friedensdienstes und eine nachhaltige sowie solidarische Entwicklungszusammenarbeit wichtig.
Dennoch stellt sich die Frage, was passiert, wenn ein Konflikt bereits ausgebrochen ist? Dann greifen die Maßnahmen, die ich in der Antwort auf Ihre erste Frage aufgelistet habe.
Zu Frage 2c
Individuelles Verhalten von Bürgern ist nicht auf Staaten übertragbar. Es gab bei der Musterung für die Bundeswehr die Frage: "Was würden Sie tun, wenn Sie allein im Wald sind und Ihre Freundin angegriffen wird? Sie haben ein Gewehr dabei." Diese wie auch Ihre Frage sind aus meiner Sicht unzutreffende Analogien. Die individuelle Situation findet innerhalb einer Gesellschaft mit Regeln und einem Gewaltmonopol (Polizei) statt. Bei der Interaktion von Staaten gibt es kein Gewaltmonopol, wie beim Konflikt zweier Bürger. Hingegen gibt es zwischen Staaten das Völkerrecht, an das sich auch nicht alle halten. Daher ist eine Übertragung der Situation auf den oben angesprochenen Syrien-Konflikt nicht möglich.
Mit freundlichen Grüßen
Christian Thomae