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Christian Ruck
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Frage von Dorothea L. •

Frage an Christian Ruck von Dorothea L. bezüglich Verkehr

Sehr geehrter Dr. Christian Ruck,

unter anderem in Japan, Großbritannien, den USA und Schweden, aber auch in Ländern Afrikas und Südamerikas wurden öffentliche Bahnen privatisiert In diesen Ländern zeigen sich acht ähnliche Folgen: Das einheitliche Bahnsystem wird zerschlagen, Arbeitsplätze werden abgebaut und Löhne gesenkt, Komfort und Service werden schlechter (zum Beispiel durch Bahnhofs- und Schalterschließungen), Regionalverbindungen verschwinden zu Gunsten von Hochgeschwindigsstrecken zwischen Metropolen, die Zuschüsse der öffentlichen Hand ans Bahnsystem steigen, die Bahn wird widerstreitenden Interessen von Autoindustrie, Busgesellschaften und Flugverkehrslobby ausgesetzt, Bahnhöfe verlieren ihre Funktion als Portale von Stadt und Verkehr, Bahnimmobilien werden zu Spekulationsobjekten.

Wussten Sie, dass es weltweit faktisch keine positiven Erfahrungen mit Bahnprivatisierungen gibt? Dass kurzfristige oder begrenzte Nutzen mit gravierenden Nachteilen verbunden sind? Dass die Deutsche Bahn AG bereits auf dem Weg ist, alle diese negativen Privatisierungsfolgen zu produzieren?

Eine Bilanz der Bahnreform von 1994 zeigt, dass alle drei damals gesetzten Ziele bisher nicht erreicht wurden. Im Fernverkehr hat die Bahn an Boden verloren, im Güterverkehr ihren Anteil kaum steigern können; der Bund zahlt heute mehr für das System Schiene als vor der Bahnreform, die DB AG hat seit 1994 fast so viele Schulden gemacht, wie zuvor die Bundesbahn in 44 Jahren; in der Kundenfreundlichkeit schneidet die DB AG bei allen Umfragen schlecht ab.

Die Bilanz belegt, dass in den vergangenen Jahren 60 Prozent der Investitionen in die Hochgeschwindigkeitsstrecken flossen, während jedoch 90 Prozent der Fahrten und 50 Prozent der Verkehrsleistung (Personenkilometer) auf Strecken bis zu 50 Kilometern anfallen, in die verhältnismäßig wenig investiert wurde.
Wie werden sie sich im Deutschen Bundestag verhalten? Werden sie der geplanten
Privatisierung zustimmen?

Mit freundlichen Grüßen,

D. Lorentzen

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Antwort von
CSU

Sehr geehrte Frau Lorentzen,

vielen Dank für Ihre Anfrage, in der Sie sich gegen die derzeit vorgesehene Form der Privatisierung der Deutschen Bahn AG aussprechen und deutlich machen, dass es Ihnen wichtig ist, dass das Leistungsangebot der Bahn erhalten bleibt und das Eigentum des Bundes nicht verscherbelt wird. Ich teile Ihre Sorge und kann Ihnen vorab versichern, dass der derzeitige Gesetz-Entwurf so nicht den Bundestag passieren wird.

Wie Sie vielleicht wissen, setze ich mich seit meiner ersten Wahl in den Deutschen Bundestag 1990 massiv für die Schienenanbindung Augsburgs ein, da auch ich es für besonders wichtig halte, dass möglichst viel Verkehr auf der umweltfreundlicheren Schiene abgewickelt wird. Für uns alle in Augsburg konnte ich schon einige Erfolge erzielen: Vom 4-gleisigen Ausbau der Strecke Augsburg-München mit optimalem Schallschutz für die Anwohner, bis hin zur Einführung eines Allgäu-Franken-Expresses von Lindau bzw. Kempten über Augsburg nach Nürnberg. Ganz besonders liegen mir in meiner gegenwärtigen Tätigkeit der optimale Umbau des Augsburger Hauptbahnhofs zur zukunftsfähigen Mobilitätsdrehscheibe des 21. Jahrhunderts, die Pendlerverkehre (Regio-Schienen-Takt und Anbindung Augsburg-München), die Anbindung Augsburgs an das nationale und internationale Hochgeschwindigkeitsnetz, sowie eine Kapazitätserweiterung der Schienenstrecke Augsburg-Ulm sehr am Herzen. Ich werde mich daher auch in Zukunft dafür einsetzen, dass die Bürger und Bürgerinnen von Augsburg zu den Gewinnern einer Bahnreform gehören werden.

Bereits mit der Bahnreform im Jahre 1994 wurde eine Organisationsprivatisierung der Deutschen Bahn AG vorgenommen, d. h., der Vorstand agiert losgelöst von politischen Vorgaben im Rahmen seiner unternehmerischen Verantwortung. Dies war ein notwendiger Schritt in die richtige Richtung, denn die seitdem vorgenommenen organisatorischen Veränderungen, technischen Innovationen, vor allem aber die konsequent vorangetriebene unternehmerische Ausrichtung der Bahn haben dazu geführt, dass der Bundeshaushalt und damit letztendlich der Steuerzahler deutlich entlastet wurden. Auch ist Qualität und Service bei der Deutschen Bahn AG gegenüber der früheren Behördenbahn deutlich besser geworden. Die Kundenorientierung steht nun eindeutig im Vordergrund. In diesem Zusammenhang wurde auch das Eigentum an der Schieneninfrastruktur an die Deutsche Bahn AG übertragen.

Der folgerichtige weitere Schritt bei einer Aktiengesellschaft ist dann aber auch die Herein­nahme von privatem Kapital. Dabei muss natürlich sichergestellt werden, dass die aus Steu­ermitteln getätigten Investitionen in die Schieneninfrastruktur nicht zum Spielball von Share­holder-Value-Interessen werden. Aus diesem Grund hat sich die CDU/CSU-Bundestagsfrak­tion eindeutig dafür ausgesprochen, dass das Netzeigentum beim Bund verbleibt und die Holding mit ihren Töchtern ansonsten an den Kapitalmarkt gebracht werden kann. Für einen gewissen Zeitraum soll allerdings die Bewirtschaftung und die Betriebsführung des Netzes durch das Unternehmen Deutsche Bahn AG weiterhin wahrgenommen werden. Für diese Entscheidung sprechen aus unserer Sicht gewichtige Gründe:

Erstens muss der staatlichen Infrastrukturverantwortung Rechnung getragen werden. Das ergibt sich nicht nur aus dem Grundgesetz, sondern auch aus der Tatsache, dass der Bun­deshaushalt langfristig zu erheblichen Zahlungen für Unterhalt und Ausbau des Netzes ver­pflichtet ist. In Artikel 87e Abs. 3 GG wurde die Mehrheitsbeteiligung des Bundes am Netz verankert - diese Regelung dient der Sicherung der Investitionen durch den Bund. Die hohen Zuschüsse - seit der Bahnreform über 50 Mrd. Euro und zukünftig 3 bis 4 Mrd. Euro pro Jahr - sind Aus­druck der staatlichen Infrastrukturverantwortung. Mit diesen hohen Netzinvestitionen verfolgt der Bund verkehrs- und strukturpolitische Ziele. Da der Bund dauerhaft zur Daseinsvorsorge, also zur dauerhaften Bereitstellung und Unterhaltung von Verkehrswegen gem. Art. 20 Abs. 1 GG, 28 Abs. 1 GG und Art. 87e Abs. 4 GG, verpflichtet ist, muss zur Sicherung staatlicher Interessen mindestens an dieser Mehrheitsbeteiligung des Bundes am Netz auf Dauer fest­gehalten werden.

Zweitens beläuft sich der Bruttoanlagenwert (Substanzwert) des Netzes auf rund 130 Mrd. Euro. Es darf nicht sein, dass der Bund diesen Wert für 5 bis 8,7 Mrd. Euro im Gesamtpaket „verschleudert“ (Wertfeststellung gem. PRIMON-Gutachten), und damit das Eigentum der Bürger und Steuerzahler an der Infrastruktur aus der Hand gibt. Im Ausland hat eine Privati­sierung des Netzes übrigens dazu geführt, dass die Netze später zu einem wesentlich teure­ren Preis zurückgekauft werden mussten, um Schieneninfrastrukturpolitik für den Staat über­haupt wieder möglich zu machen.

Drittens darf sich die künftige Verkehrspolitik des Bundes auf keinen Fall darin erschöpfen, jährlich Milliarden für den Unterhalt und den Ausbau des Eisenbahnnetzes auszugeben, während die Infrastruktur aber im Miteigentum eines internationalen Konzerns steht, der seine operativen Entscheidungen ausschließlich an kurzfristigen betriebswirtschaftlichen Renditeinteressen ausrichtet. Vielmehr muss der Bund auch zukünftig für die Erfüllung sei­nes Infrastrukturauftrages und seiner verkehrspolitischen Ziele den Substanzwert des deut­schen Schienennetzes im Eigentum behalten. Nur so behält der Bund unabhängig von der langfristigen Entwicklung des Logistik-Konzerns Deutsche Bahn AG die erforderlichen Steue­rungsmöglichkeiten.

Unter Berücksichtigung dieser Erwägungen hat die Verhandlungsdelegation der CDU/CSU-Bundestagsfraktion bereits Änderungsvorstellungen am Gesetzentwurf bei Minister Tiefen­see notifiziert. Neben dem dauerhaften Eigentum an der Bahninfrastruktur zählen u.a. zu den weitergehenden Forderungen der Union für das Verfahren die gesetzliche Sicherheit für das Initiativrecht des Bundes für den Aus- und Neubau des Schienennetzes, die Vorlage eines unterschriftsreifen Entwurfs für die Leistungs- und Finanzierungsvereinbarung noch vor dem Abschluss der Gesetzgebung sowie eine kürzere Laufzeit für den ersten vertraglich vereinbarten Bewirtschaftungszeitraum der Schieneninfrastruktur durch die DB AG. Von be­sonderer Bedeutung ist die Projektion einer konkreten Wertermittlung zum 01.07.2007 durch die Bundesregierung über den im Gesetzentwurf formulierten Wertausgleich. Dem kann dann die ebenfalls ausstehende Prognose über die Erlöserwartung gegenübergestellt wer­den. Daher ist das Gesetz auch mit einem Zustimmungsvorbehalt des Deutschen Bundesta­ges für die unmittelbare Kapitalprivatisierung der Deutschen Bahn AG zu versehen.

Da die Unionsvorstellungen im jetzt vorliegenden Gesetzentwurf nicht berücksichtigt wurden und der Minister diesbezüglich auf das laufende Gesetzgebungsverfahren verwiesen hat, werden wir diese im parlamentarischen Verfahren einbringen. Im Übrigen hat auch der Bun­desrat ein ergänzendes Gutachten in Auftrag gegeben; das Ergebnis wird ebenfalls in die Ausschussberatungen einfließen. Die CDU/CSU-Bundestagsfraktion hat nun beschlossen, den Entwurf des Gesetzes der Bundesregierung in das parlamentarische Verfahren einzubringen – jedoch nur in Verbindung mit einem Forderungskatalog der Fraktion, der die oben angesprochenen Punkte berücksichtigt und im laufenden Verfahren erfüllt werden muss.

Mit freundlichen Grüßen
Ihr

Dr. Christian Ruck MdB