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Christian Ruck
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Frage von Tobias M. •

Frage an Christian Ruck von Tobias M. bezüglich Außenpolitik und internationale Beziehungen

Sehr geehrter Dr. Ruck ,

Der amtierende israelische Außenminister Lieberman hat sich offen für einen Krieg mit dem Iran und die Deportation von israelischen Arabern ausgesprochen. 2002 forderte er die Armee u.a. auf in Gaza auch zivile Ziele "dem Erdboden gleich zumachen".
2010 lehnte Israel eine nicht bindende Resolution der IAEO ab, den Atomwaffensperrvertrag zu unterzeichnen und Inspekteuren den Zutritt zu seinen Atomanlagen zu gewähren.

Unterstützt die CDU die Lieferung von deutschen U-Booten der Dolphin Klasse an Israel, die so umgerüstet werden können, dass Sie mit Atomwaffen bestückt werden können?

Im Iran-Irakischen Krieg unterstützte der Westen, u.a. auch Deutschland, Saddam Hussein u.a. mit Waffenlieferungen. Im Rahmen dieses Krieges trägt somit auch Deutschland eine Verantwortung für den Tod von schätzungsweise 1 Mio Iranern und Irakern.

Inzwischen wird der Iran vom Westen wirtschaftlich boykottiert und permanent mit Krieg bedroht. Auf iranischem Territorium werden von westlicher Seite geheimdienstliche bzw. terroristische Aktivitäten u.a. gegen Zivilisten geführt.

Würden Sie der These zustimmen, dass kaum ein anderes Land so sehr zum Bau einer Atombombe getrieben wird, wie der Iran?

Mit den besten Grüßen,

Tobias Manthey

Quellenangabe:
Wikipedia.de ("Avigdor Lieberman", "erster Golfkrieg")

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Antwort von
CSU

Sehr geehrte Herr Manthey ,

haben Sie vielen Dank zu Ihrer Frage zur nuklearen Aufrüstung Israels und dem Verhältnis zum Iran.

Die Diskussion um das iranische Nuklearprogramm und mögliche israelische Militärschläge gegen iranische Atomanlagen hat sich zuletzt verschärft. Ich kann Ihr gestiegenes Interesse daher gut nachvollziehen.

So hat Günter Grass unmittelbar vor Ostern in einem in der „Süddeutschen Zeitung“ veröffentlichten „Gedicht“ behauptet, die Atommacht Israel gefährde den Weltfrieden, weil sie die nukleare Auslöschung des iranischen Volkes plane. Deutschland mache sich mit der Lieferung eines weiteren U-Boots an Israel an einem solchen Verbrechen mitschuldig. In einem weiteren Interview in der gleichen Zeitung vom 7. April hat er zu seinen „Thesen“ weiter Stellung genommen.

Die von Günter Grass eingeforderte „sachliche Auseinandersetzung“ mit seinen Äußerungen offenbart eine Unkenntnis über den Sachstand beim iranischen Nuklearprogramm und die Diskussion um mögliche Militärschläge Israels. Zu Recht wird ihm „Verdrehung von Ursache und Wirkung“ oder eine „Verharmlosung der Bedrohung“ vorgeworfen.

Der Vorwurf, die Atommacht Israel gefährde den Weltfrieden, verkennt die Tatsachen. Er bagatellisiert trotz der ernsthaften Sorge der IAEO und der Vereinten Nationen den möglichen militärischen Charakter des iranischen Nuklearprogramms und seine Gefahr nicht nur für die Existenz Israels, sondern für die Stabilität in der Region des Nahen und Mittleren Ostens und nicht zuletzt auch für unsere Sicherheit. Er verharmlost die Drohungen des iranischen Präsidenten, Israel auszulöschen, als Maulheldentum.

Im Folgenden soll daher auf sachliche Weise verdeutlicht werden, dass Verursacher der erkennbaren Gefahr nicht Israel, sondern der Iran ist:

Im Jahr 2002 wurden iranische Nuklearanlagen und Beschaffungsaktivitäten aufgedeckt, die Iran entgegen seinen Verpflichtungen im Rahmen des Vertrag über die Nichtverbreitung von Kernwaffen (auch „Atomwaffensperrvertrag“ genannt) der Internationalen Atomenergie-Organisation (IAEO) nicht gemeldet hatte. Aufgrund dieser Geheimhaltung, der Auslegung des iranischen Nuklearprogramms (etwa das Bemühen um Urananreicherung ohne erkennbaren zivilen Bedarf) und umfangreicher, für die IAEO plausibler Hinweise auf eine militärische Dimension entstand der Verdacht, Iran betreibe ein geheimes Atomwaffenprogramm.

Seither haben der IAEO-Gouverneursrat und der VN-Sicherheitsrat Iran wiederholt völkerrechtlich verbindlich aufgefordert, bis zur Wiederherstellung des Vertrauens die sensitiven Aktivitäten, wie etwa die Urananreicherung und die Vorarbeiten zur Gewinnung von waffenfähigem Plutonium, auszusetzen sowie alle Fragen zu klären, die auf ein mögliches Nuklearwaffenprogramm deuten. Iran erfüllt diese Verpflichtungen nicht.

Seit 2003 bemühen sich Deutschland, Frankreich und Großbritannien (die „E3“) und seit 2006 auch die USA, Russland und China (also die fünf ständigen Mitglieder des UN-Sicherheitsrats mit Deutschland, auch „P5+1“ und „E3+3“ genannt) um eine diplomatische Lösung. Dazu verfolgen sie einen zweigleisigen Ansatz: Einerseits bieten die E3+3 Iran für ein Einlenken weit reichende Kooperation an; so haben sie im Juni 2006 bzw. Juni 2008 Iran umfassende Angebotspakete unterbreitet. Aufgrund der anhaltenden iranischen Blockadepolitik wird andererseits seit 2006 aber auch der Sanktionsdruck im Rahmen der Vereinten Nationen und der EU erhöht, um Iran wieder an den Verhandlungstisch zu bewegen.

Die IAEO ist immer besorgter hinsichtlich einer möglichen militärischen Komponente des iranischen Nuklearprogramms. Unter Missachtung der Sicherheitsrats- und IAEO-Resolutionen reichert Iran seit Februar 2010 Uran auf 20% an (bis Mitte Februar 2012 ca. 110 kg), womit 90% der Anreicherungsleistung bis zum waffenfähigen Grad erfolgt sind. Der IAEO werden uneingeschränkte Inspektionen der Produktion verweigert, sie kann lediglich überprüfen, ob Iran das gemeldete Nuklearmaterial friedlich verwendet. Zudem wird der Schwerwasserreaktor in Arak weitergebaut, der der Herstellung des alternativen Waffenmaterials Plutonium dienen könnte. Die IAEO kann hier keine Proben nehmen.

Bei den letzten Verhandlungen der E3+3 mit Iran im Januar 2011 ging die iranische Delegation nicht auf den Vorschlag ein, im Rahmen eines Stufenplans praktische Schritte zu ergreifen, die das Vertrauen in die ausschließlich friedliche Natur seines Nuklearprogramms wiederherstellen könnten. Im Februar 2012 scheiterte eine IAEO-Mission nach Teheran wegen der unnachgiebigen Haltung Irans. Es konnte keine Einigung über die Modalitäten zur Klärung der offenen Fragen zum iranischen Nuklearprogramm erzielt werden.

Mitte April sollen die Gespräche mit dem Iran wiederaufgenommen werden. Die Initiative ging erneut von den E3+3 aus.

Es ist richtig: Dem Iran ist bislang kein Nuklearwaffenprogramm nachzuweisen. Experten sind sich jedoch einig, dass Iran an einer Ausbruchsoption arbeitet, also die technischen Voraussetzungen schaffen will, bei einer entsprechenden politischen Entscheidung schnell eine Kernwaffe bauen zu können. Zahlreiche Indizien, die die IAEO als glaubwürdig einschätzt, weisen auf eine solche militärische Dimension des iranischen Nuklearprogramms hin, u.a.:

Seit 2002 wurden wiederholt vom Iran geheim gehaltene Nuklearanlagen und Beschaffungsaktivitäten aufgedeckt (etwa 2009 die tief verbunkerte Urananreicherungsanlage in Qom). Es ist nicht auszuschließen, dass es neben den mittlerweile aufgedeckten Nuklearanlagen ein weiterhin geheim laufendes Atombombenprogramm gibt.

Für das zu 20% angereicherte Uran hätte Iran keinen zivilen Verwendungszweck. Aber Iran gewinnt dadurch Expertise für eine eventuelle spätere Anreicherung zu waffenfähigem Uran (90%).

Iran baut in Arak an einem Schwerwasserreaktor, der der Produktion des alternativen Waffenmaterials Plutonium dienen könnte. Für eine zivile Nutzung würde ein Leichtwasserreaktor genügen.

Die IAEO verdächtigt den Iran zudem, an einem nuklearen Sprengkopf zu arbeiten.

Vor dem Hintergrund dieses Sachstands ist festzustellen:

Es ist der Iran, der einen Konflikt heraufbeschwört und sich völkerrechtswidrig verhält. Seit Jahren kommt er den Forderungen des UN-Sicherheitsrats nach Transparenz seines Atomprogramms nicht nach und verschließt sich ernsthaften Verhandlungen für eine diplomatische Lösung.

Die iranische Bedrohung ist real und kein „Popanz“, der künstlich aufgebauscht wird. Noch hat der Iran wohl keine Atomwaffen, aber die IAEO zeigt sich seit fast zehn Jahren in ihren Berichten immer besorgter über den möglichen militärischen Charakter des iranischen Nuklearprogramms. Der UN-Sicherheitsrat hat Teheran in zahlreichen Resolutionen zur Klärung der offenen Fragen aufgefordert und seit 2006 mehrere Sanktionsresolutionen verabschiedet. Das ist keine Propagandalüge Israels.

Israel kann die Gefahr seiner möglichen nuklearen Vernichtung durch den Iran nicht ignorieren. Nie hat Israel aber mit einem atomaren Erstschlag gedroht und wäre auch trotz seiner Nuklearwaffen nicht in der Lage, das iranische Volk „auszulöschen“.

Es wird allgemein schon lange vermutet, dass Israel über Atomwaffen verfügt. Offiziell zugegeben wird dies von Israel aber nicht (aber auch keineswegs von israelischen Regierungen „verleugnet“), weshalb das Land auch nicht den Atomwaffensperrvertrag unterzeichnet hat. Deshalb steht das israelische Nuklearwaffenprogramm auch nicht unter internationaler Kontrolle. Der Iran dagegen hat dieses Abkommen unterzeichnet, verweigert der IAEO jedoch eine effektive Kontrolle bzw. unterläuft diese.

Die israelischen Nuklearwaffen werden nicht „allgemein verschwiegen“, sondern finden Berücksichtigung in den internationalen Bemühungen um eine nuklearwaffenfreie Zone im Nahen und Mittleren Osten, wofür sich auch die Bundesregierung einsetzt. Diese Diskussion wird seit Jahren intensiv geführt. Der Vorschlag einer Kontrolle auch der israelischen Nuklearwaffen ist also nicht neu. Die Bundesregierung sieht sich der Universalität des Nichtverbreitungsvertrags, der auch von Pakistan und Indien nicht unterzeichnet wurde, verpflichtet.

Keines der mit Israel zum Teil verfeindeten Nachbarländer hat sich in den vergangenen Jahrzehnten eigene Atomwaffen angeschafft (lediglich das mit Iran verbündete Syrien hat dies versucht) – gerade weil sie sich nicht von Israel atomar bedroht gefühlt haben.

Dieses Vertrauen haben Saudi-Arabien, Ägypten und auch die Türkei gegenüber dem Iran nicht. Diese Länder haben schon erkennen lassen, dass sie sich bei einer atomaren Bewaffnung Irans zum nuklearen Nachrüsten gezwungen sehen. Nicht Israel, sondern der Iran provoziert also ein nukleares Wettrüsten in der Region.

Vor diesem Hintergrund wäre eine iranische Atombombe eine erhebliche Gefährdung des Weltfriedens. Niemand spricht dem Iran das Recht auf eine zivile Nutzung der Atomenergie ab. Der Iran hat aber nach seinen Verpflichtungen aus dem Nichtverbreitungsvertrag kein Recht auf eine nukleare Bewaffnung. Deutschland und die fünf ständigen Sicherheitsratsmitglieder setzen seit Jahren mit großer Geduld auf eine diplomatische Lösung des Konflikts. Der Iran hat aber bisher nur auf Zeit gespielt.

Mögliche Militärschläge Israels gegen iranische Nuklearanlagen wurden zuletzt, wie in den vergangenen Jahren auch, kontrovers öffentlich diskutiert. Israel wird dabei, wie bei anderen Themen auch, oftmals kritisiert - auch von deutscher Seite. Es gibt also bei dieser Frage kein „Tabu“.

Dabei geht es nicht um den Angriff von Atomkraftwerken im Iran, die einen GAU zu Folge haben könnten. Im Iran gibt es (noch) keine fertiggestellten Atomkraftwerke. Weder der Leichtwasserreaktor in Busher noch der Schwerwasserreaktor in Arak sind in Betrieb.

Die von Deutschland an Israel gelieferten U-Boote dienen nicht der Unterstützung eines möglichen israelischen Angriffs. Israels Territorium ist so klein, dass das Land und sein Nuklearwaffenpotential durchaus mit einem Schlag vernichtet werden könnte. Seegestützte Atomwaffen sind eine zusätzliche Sicherheit, um einen Angreifer vom Einsatz von Massenvernichtungswaffen abzuschrecken. Sie verringern also die Wahrscheinlichkeit eines Nuklearkrieges, weil ein Angreifer weiter mit einem Gegenschlag rechnen muss.

Deutschland trägt dazu bei, einen atomaren Angriff auf Israel und somit einen nuklearen Schlagabtausch im Nahen und Mittleren Osten zu verhindern. Bundeskanzlerin Merkel hat vor vier Jahren vor dem israelischen Parlament gesagt: „Die Sicherheit Israels ist für mich als deutsche Bundeskanzlerin niemals verhandelbar. Und wenn das so ist, dann dürfen das in der Stunde der Bewährung keine leeren Worte bleiben.“

Mit freundlichen Grüßen
Ihr

Dr. Christian Ruck, MdB