Frage an Christian Ruck von Stephan N. bezüglich Recht
Sehr geehrter Dr. Ruck,
soweit ich die Thematik verstanden habe, werden bei einem Aufruf einer "Stopp-Webseite" meine IP-Adresse an die Behörden weitergeleitet.
Die IP-Adresse allein sagt nichts darüber aus, wie lange und mit welcher Absicht jemand die Webseite aufgerufen hat. Daraus schlußfolgere ich, dass die Behörde eigentlich jedem Anfangsverdacht nachgehen muß. Man selbst gerät somit unvermittelt in die Mühlen der Justiz. Schlimmer noch: Die Beweislast wird verdreht. Man selbst muß beweisen, dass man aus Versehen auf die Webseite geraten ist. Oder es erfolgt eine Hausdurchsuchung mit Beschlagnahmung der Computer.
Finden Sie diese Damoklesschwert, welches Sie mit diesem Gesetz über jedem Internetnutzer anbringen möchten, sinnvoll?
Übertragen wir die Thematik in die reale Welt: Warum werden nicht alle Personen von den Behörden geprüft, die eine Straße entlang gehen, in der ein Kinderschänder wohnt. Es könnte sich ja um eine Kontaktperson und ebenfalls um damit ebenfalls um ein Kinderschänder handeln.
Natürlich würde jetzt jeder meinen, wie absurd dieser Vorschlag ist. Aber anscheinend gilt für das Internet andere Regeln. Ich frage mich, warum Politiker im Netz Überwachungsmaßnahmen anordnen möchten, die sie sich für das reale Zusammenleben niemals erlauben würden.
Zum anderen empfinde ich es als zutiefst ärgerlich, dass die Debatte um eine Internet-Zensur (denn nichts anderes ist diese Maßnahme) nicht neutral und sachlich diskutiert wird, sondern nur mit dem Totschlag-Argument KiPo. Denn schon jetzt stehen die nächsten Marktschreier in den Startlöchern und möchten gerne Glückspielseiten und andere Inhalte gleich mitverbieten.
Und daher noch eine ganz konkrete Zusatzfrage: Können Sie ausschließen, dass nicht irgendwann auch andere Webseiten, die nichts mit KiPo zu tun haben, auf dieser Liste landen?
Mit freundlichen Grüßen
Stephan Niebling
Sehr geehrter Herr Niebling,
herzlichen Dank für Ihre Frage zur Weiterleitung der IP-Adresse bei Aufruf einer „Stopp-Webseite“ im Zusammenhang mit der Bekämpfung der Kinderpornographie.
Auch ich sehe hier deutlichen Klärungs- und Abgrenzungsbedarf. Die Bekämpfung der Kinderpornographie ist sehr wichtig, darf aber nicht als Einfallstor für eine wie auch immer geartete Internet-Zensur dienen. Ich habe mich daher an das zuständige Ministerium der Justiz gewandt und um Aufklärung und Absicherung gebeten.
Das Ministerium versichert, dass Ihre Befürchtungen unbegründet sind und in dem vorliegenden Entwurf bereits Rechnung getragen wird. Es werden keinesfalls Daten automatisch an irgendwelche Behörden weitergeleitet. Mit dem Regelungsentwurf geht eine Beeinträchtigung der Datenschutzrechte der Nutzer, die sich insbesondere aus dem Telemedien- und Telekommunikationsgesetz erbeben, keinesfalls einher. Insbesondere regelt der vorgeschlagene § 8 a Absatz 5 des Telemediengesetzes nicht, dass die Daten für Zwecke der Strafverfolgung gespeichert werden sollen. Das Gesetz sieht vielmehr eine Verwendung der Daten ausschließlich für Zwecke der Zugangssperre sowie der Umleitung auf die Stopp-Meldung vor, wozu eine Speicherung nicht erforderlich und folglich auch nicht gestattet ist.
Die Befugnisse der Strafverfolgungsbehörten ergeben sich weiterhin abschließend aus der Strafprozessordnung, nach der bspw. die Ausleitung von Daten zur sog. Echtzeit-Überwachung auch ohne deren vorherige Speicherung möglich ist, wenn die Voraussetzungen des § 100g StPo vorliegen. Dies hätte ein Richter zu beurteilen. Mit dem vorliegenden Entwurf wird diese ohnehin bestehende Rechtslage lediglich dahingehend eingeschränkt, dass – entsprechend der Zielsetzung der Bekämpfung der Kinderpornographie im Internet – diese Daten nur an Strafverfolgungsbehörden und nur zur Verfolgung von Straftaten nach § 184b StGB herausgegeben werden dürfen.
Soweit eine Strafverfolgungsbehörde nach richterlicher Genehmigung aber die Daten erhalten würde, wäre damit lediglich ein Anfangsverdacht einer objektiven Straftatbestandsverletzung gegeben. Bevor dann aber überhaupt über weitere Maßnahmen auch nur nachgedacht wird, ist von der Staatsanwaltschaft natürlich einzuschätzen, ob sich aus diesen Daten ein hinreichender Ermittlungsansatz dafür ergibt. Und natürlich müsste die Staatsanwaltschaft, bevor sie gar zu einer Anklage kommt, mit einer für eine Verurteilung hinreichenden Wahrscheinlichkeit zu der Überzeugung gelangen, dass eine genau zu ermittelnde Person mit dem erforderlichen Vorsatz gehandelt hat, was in einem Strafverfahren auch zu beweisen wäre.
Und nun noch zu Ihrer Zusatzfrage hinsichtlich der Abgrenzbarkeit: In dem geplanten Entwurf des Telemediengesetzes wird eine eindeutige Abgrenzung bzw. Einschränkung auf die Kinderpornographie vorgenommen: „ (…) führt das Bundeskriminalamt eine Liste (…) von Telemedienangebote, die Kinderpornographie nach § 184b des Strafgesetzbuchs enthalten (…)“. Eine Ausdehnung auf andere Zwecke als die Bekämpfung von Kinderpornographie in Kommunikationsnetzen ist mit dem Gesetzentwurf also nicht vereinbar. Das Bundesministerium der Justiz versichert mir, sich von Anfang an klar gegen eine solche Ausweitung ausgesprochen zu haben.
Mit freundlichen Grüßen
Ihr
Dr. Christian Ruck, MdB