Frage an Christian Hirte von Friederike V. bezüglich Soziale Sicherung
Sehr geehrter Herr Hirte,
ich mache zur Zeit eine schulische Ausbildung zur Sozialassistentin, im kommenden Jahr möchte ich eine Erzieherausbildung beginnen. Ich bin 22 Jahre alt und führe gemeinsam mit meinem Lebensgefährten und seinem Sohn einen eigenen Haushalt. Nun meine Fragen: Woher kommt die Annahme, dass Studenten mehr Geld benötigen, als Menschen, die eine schulische Ausbildung machen, wo doch die Ausgaben ähnlich sind? Ob ich nun studiere oder eine Ausbildung zur Erzieherin mache, meine Miete bleibt gleich und meine Lebensmittel werden auch nicht billiger.
Wie kann es sein, dass 16-jährige Klassenkameradinnen 192 € BaföG im Monat bekommen, obwohl beide Elternteile arbeiten gehen? Und vor allem, wie kann es sein, dass ich mit 78 € auskommen musste und seit ich mit meinem Freund zusammenlebe gar nichts mehr bekomme? Definitiv habe ich doch mehr Bedarf als die 16-jährige. Ich möchte anfügen, dass mir nach Unterhaltsrecht von beiden Elternteilen kein Unterhalt zusteht (geringer Verdienst). Nach BaföG- Rechnungen aber schon. Wie kommen so unterschiedliche Rechnungen zustande? Übrigens beträgt mein Schulgeld jeden Monat 60€, Ich hatte also inklusive Kindergeld (154 €) 172 € im Monat zur Verfügung. Jetzt habe ich nur noch 164 € Kindergeld. Ich wüsste gern, warum mein Freund als alleinerziehender Vater gezwungen ist, mich durchzufüttern ("eheähnliche Gemeinschaft")? Mit welchem Recht werden nicht verheiratete Paare auf diese Weise benachteiligt und ich bin gezwungen mich zu erniedrigen und aushalten zu lassen obwohl ich viel lieber ein Darlehen ähnlich des BaföG für Studenten hätte, das ich zurückzahle, wenn ich Geld verdiene. Ich werde benachteiligt, weil cih keine reichen Eltern habe und mein Freund ein paar Euro zuviel verdient (trotzdem wirds eng am ende des Monats). Und das alles, obwohl ich zu denjenigen gehöre, die in unserer Gesellschaft einmal viel Verantwortung tragen werden. MfG Friederike
Sehr geehrte Frau Voller,
herzlichen Dank für Ihre Mail.
Ziel der Gewährung einer individuellen Ausbildungsförderung nach dem BAföG ist es, auf eine berufliche Chancengleichheit aller Jugendlichen hinzuwirken. Das BAföG steht allerdings unter dem "Vorbehalt des Möglichen im Sinne dessen, was der Einzelne vernünftigerweise von der Gesellschaft beanspruchen kann" (BVerfGE 33; 303, 333). Das BAföG als Sozialleistungsgesetz tritt daher mit seinen Leistungen grundsätzlich nachrangig ein. Ein Rechtsanspruch auf Ausbildungsförderung besteht demnach gemäß § 1 und § 11 BAföG nur dann, wenn dem Auszubildenden die für seinen Lebensunterhalt und für seine Ausbildung erforderlichen Mittel nicht anderweitig zur Verfügung stehen. Auf den Bedarf werden Einkommen und Vermögen des Auszubildenden sowie das Einkommen seines Ehegatten (bzw. wie in Ihrem Fall des nach den bürgerlich-rechtlichen Bestimmungen über die Unterhaltspflicht gleichgestellten Lebenspartners) und seiner Eltern in dieser Reihenfolge angerechnet. Dabei geht der Gesetzgeber davon aus, dass die Unterhaltsverpflichteten ihr Einkommen vorrangig für die Ausbildung der Unterhaltsberechtigten einsetzen, bevor der Staat und damit die Steuerzahler zur Ausbildungsfinanzierung beitragen. Dies dient letztlich der Sicherung des Nachrangs der staatlichen Sozialleistung BAföG.
Das BAföG erfasst mit seinem Bedarfssatz nur die Kosten der Lebenshaltung und die Aufwendungen für Lern- und Arbeitsmittel sowie für Studien- und Familienheimfahrten. Für Schulgelder erbringt das BAföG keine Leistungen. Der Gesetzgeber geht davon aus, dass das von den Bundesländern bereitgestellte umfassende, vielfältig gegliederte Angebot der öffentlichen Ausbildungsstätten regelmäßig ausreichende Möglichkeiten bietet, um die gewünschte Ausbildung frei von Schulgebühren zu absolvieren, der Auszubildende daher nicht darauf angewiesen ist, eine Einrichtung zu besuchen, die Schulgebühren erhebt. Eine Berücksichtigung im Rahmen der Ausbildungsförderung würde zu einer Mitfinanzierung privater Ausbildungsstätten führen, die nicht beabsichtigt ist.
Die Höhe der förderungsrechtlichen Bedarfssätze ist in den §§ 12 und 13 BAföG geregelt. Sie legen fest, in welcher Höhe einem Auszubildenden die von ihm zur Bestreitung seines Lebensunterhalts und seiner Ausbildungskosten erforderlichen Mittel zur Verfügung gestellt werden. Bereits bei der Festsetzung der Bedarfssätze ist der Gesetzgeber von je nach Alter und Lebenssituation verschiedenen Unterhalts- und Ausbildungskosten ausgegangen. Er hat dabei je nach Ausbildungsstätte in typisierender Weise Fallgruppen gebildet und für diese jeweils Beträge festgelegt, die als Bedarf gelten. Das bei den Bedarfssatzregelungen notwendigerweise pauschalieren-de Massenleistungsgesetz hat einen Mittelweg gewählt zwischen einer sehr verwal-tungsaufwändigen individuellen Festsetzung des Bedarfs und der Festsetzung eines für alle Geförderten gleich hohen Bedarfs. Der individuelle Bedarf wird im Gesetz weitgehend mit pauschalen Bedarfssätzen abgedeckt, sofern die jeweiligen Voraussetzungen vorliegen.
Hinweisen möchte ich aber noch auf das Bildungskreditprogramm der Bundesregierung, das als weitere Finanzierungsmöglichkeit neben dem BAföG zur Verfügung steht. Der Bildungskredit ist ein zeitlich und der Höhe nach befristeter, zinsgünstiger Kredit, der zur Unterstützung von Studierenden und Schülern in fortgeschrittenen Ausbildungsphasen (für Schüler in den beiden letzten Jahren ihrer Ausbildung und für Studierende in der Regel nach bestandener Zwischenprüfung) angeboten wird.
Nähere Informationen hierzu finden Sie auch auf der Internetseite www.bildungskredit.de .
Ich hoffe Ihnen damit weitergeholfen zu haben und verbleibe
Mit freundlichen Grüßen
Christian Hirte MdB