Frage an Christian Ehler von Joachim H. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen
Sehr geehrter Herr Europaabgeordneter Dr. Ehler,
ergänzend zu
dieser Frage möchte ich Sie noch fragen, gibt es überhaupt ein praktisches, konkretes Beispiel für die Anwendung der Subsidiarität in Kommunen, Regionen und Ländern?
Ich kenne keines und würde mich freuen, wenn Sie in Ihrer Antwort Beispiele nennen könnten.
Mit freundlichen Grüßen
Joachim Hahn
Sehr geehrter Herr Hahn,
es freut mich, dass Sie sich so aufmerksam den Vorgängen der EU-Politik widmen. Um auf ihre Frage einzugehen, wie sich die Kommunen ihr Subsidiaritätsrecht sichern können, möchte ich nochmal auf das Subsidiaritätsprinzip an sich eingehen und anschließend ein von Ihnen gewünschtes Beispiel erläutern.
Nach dem 5. Artikel des EG-Vertrages heißt es, dass in den Bereichen, welche nicht in ihre ausschließliche Zuständigkeit fallen, die Gemeinschaft nur dann handelt, sobald die Aufgaben auf Ebene der Mitgliedsstaaten nicht ausreichend bearbeitet werden können bzw. bestimmte Ziele aufgrund ihres Umfangs oder ihrer Wirkungen auf der Gemeinschaftsebene besser umgesetzt werden können. Das Subsidiaritätsprinzip dient dem Zweck, untergeordneten oder lokalen Behörden ein bestimmtes Maß an Unabhängigkeit gegenüber höhergestellten Behörden oder der Zentralgewalt abzusichern. Sobald es zu solch einer Situation kommt, muss die Europäische Kommission in jedem Fall einer Gesetzesinitiative nachweisen, dass sie befähigt ist, die jeweilige Aufgabe besser zu bewältigen, als die eigentlich zuständigen Regionen oder Mitgliedsstaaten. Im Subsidiaritätsprotokoll aus dem Amsterdamer Vertrag (1999) sind rechtlich verbindliche Präzisierungen für die Anwendung des Subsidiaritätsprinzips enthalten. Hierzu muss das Handeln der Europäischen Union zwei Bedingungen erfüllen:
- Zum Einen können die Ziele der Maßnahmen nicht ausreichend durch Mitgliedsstaaten erreicht werden und
- Zum Anderen können sie besser durch Maßnahmen der Gemeinschaft erreicht werden.
Desweiteren gilt das Subsidiaritätsprinzip nur für Bereiche, die sich die Gemeinschaft und die Mitgliedsstaaten teilen. Das bedeutet, dass es weder ausschließlich für Gemeinschaftszuständigkeiten gilt, noch für ausschließlich nationale Zuständigkeiten. Durch das Fehlen klarer Trennungslinien für die Anwendung des Prinzips kommt es immer wieder zu unterschiedlichen Auslegungen des Subsidiaritätsgrundsatzes. Abschließend hierzu lässt sich noch sagen, dass die Rechtmäßigkeit von Maßnahmen der Gemeinschaftsorgane unter Anwendung des Prinzips vom Gerichtshof der Europäischen Union überprüft wird.
Zum Schluss noch die Erläuterung eines von Ihnen gewünschten Beispiels:
Betrachten wir den Grundsatz der Subsidiarität in Bezug auf die Richtlinien zu Luftqualität und Lärmschutz, so verzichtet die EU auf eine Festlegung der Grenzwerte. Diese sollen auf kommunaler bzw. regionaler Ebene getroffen werden. Unter anderem sind aus diesen Richtlinien in Deutschland auch die Umweltzonen in Innenstädten hervorgegangen.
Ich hoffe, ich konnte ihre Fragen weitestgehend klären.
Mit freundlichen Grüßen
Dr. Cristian Ehler