Frage an Christian Ehler von Jens-Frank R. bezüglich Außenpolitik und internationale Beziehungen
Sehr geehrter Dr. Ehler,
führende Politiker der CDU, darunter die Herren Pöttering und Schäuble, sprechen sich im Vorfeld der Europawahlen wieder einmal gegen einen Beitritt der Türkei zur EU aus. Ich unterstütze diese Haltung als CDU-Stammwähler voll und ganz, wundere mich aber nun, warum Frau Bundeskanzler bisher der Eröffnung jedes neuen Verhandlungskapitels zu dessen Vorbereitung zugestimmt hat. Wie ist dieses widersprüchliche Verhalten zu erklären, und wird Frau Merkel die Vorbereitungen zum EU-Beitritt der Türkei auch nach diesen Europawahlen weiter vorantreiben? Handelt es sich bei der gegenwärtigen Positionierung nicht vielmehr um eine Beruhigungspille für die beitrittsfeindliche CDU-Wählerschaft, zumal die Ablehnung nur vage formuliert ist, statt klar zu erklären, die CDU werde der Eröffnung weiterer Kapitel unter keinen Umständen zustimmen, was eine eindeutige und wünschenswerte Festlegung wäre? Für mich sieht das doch sehr nach Bauernfängerei aus!
Danke und Gruß,
Jens-Frank Rieben
Sehr geehrter Herr Rieben,
vielen Dank für Ihre Anfrage, dich ich Ihnen gerne beantworten werde.
Zunächst ist zu erwähnen, dass Bundeskanzlerin Dr. Angela Merkel nie einem EU-Beitritt der Türkei zugestimmt hat, sondern stattdessen ausdrücklich eine privilegierte Form der Partnerschaft mit der Türkei anstrebt. Eine Vollmitgliedschaft der Türkei in der Europäischen Union, so wie es vereinzelte Mitgliedsstaaten, aber auch SPD und Grüne fokussieren, würde Europa auf absehbare Zeit überfordern. Die Erweiterung der EU von 15 auf 27 Mitgliedsstaaten hat großer Anstrengungen bedurft. Die CDU/CSU-Gruppe in der EVP-Fraktion im Europäischen Parlament, der auch ich angehöre, tritt daher eindeutig für eine Phase der Konsolidierung ein. Dies bedeutet, dass Gefüge und Identität Europas zunächst gefestigt werden sollen. Somit hat die Konsolidierung der Identität und Institutionen zunächst Vorrang gegenüber weiteren EU-Beitritten. Ein widersprüchliches Verhalten liegt demnach nicht vor.
Ich hoffe sehr, dass ich Ihre Bedenken diesbezüglich zerstreuen konnte.
Mit freundlichen Grüßen
Dr. Christian Ehler