Frage an Christian Ahrendt von Frank M. bezüglich Gesundheit
Sehr geehrter Herr Ahrendt,
Bund, Länder und Gemeinden sind hoch verschuldet. Aber wem schulden wir das ganze Geld eigentlich? Und wie kommt es, dass der Staat immerzu neue Schulden macht, ohne das auch nur ein einziges Mal diejenigen danach befragt werden, die es letztlich zurückzuzahlen haben? Ist das Geld, über das die Politiker scheinbar so gedankenlos verfügen, nicht dasjenige aller Menschen, vor allem jener, die noch gar nicht geboren sind? Ich verstehe das seltsame Verhalten Ihrer Kaste nicht so ganz...
Frank Meister
P.S.: Ihre Antworten interessieren mich vor allem deshalb, weil Sie als FDP-Mitglieder der Kommission von Bundestag und Bundesrat zur Modernisierung der Bund-Länder-Finanzbeziehungen zum kontinuierlich wachsenden Schuldenberg von Bund, Ländern und Gemeinden ja gewiss schon eine Meinung haben werden.
Sehr geehrter Herr Meister,
vielen Dank für Ihre zahlreichen Anmerkungen. Diese will ich Ihnen nun gerne der Reihe nach beantworten.
Ja, Bund, Länder und Gemeinden sind hoch verschuldet. Für die Zeit von 1965 bis 2006 beträgt die Summe der Verbindlichkeiten aus Schuldenaufnahmen am Kreditmarkt fast 1,5 Billionen Euro. Die Höhe aller Zinszahlungen zusammen rund 1,4 Billionen (Quelle: Statistisches Bundesamt). Und diese sogenannte "Explizite Verschuldung" steigt rasant weiter an. Für das Jahr 2008 wird die Netto-Neuverschuldung nach Abschluss der Beratungen im Haushaltsausschuss bei 12,9 Mrd. Euro liegen; das sind lediglich 9,1 Milliarden Euro weniger als im vergangenen Jahr. Die entsprechenden Zahlen sind also noch einmal zur Gesamtschuld hinzuzurechnen.
Beschleunigt wird diese Entwicklung durch die kräftig steigenden Zahlen im Bereich der sogenannten Impliziten Verschuldung. Während der Begriff der Expliziten Verschuldung die Verbindlichkeiten gegenüber Bürgern und Unternehmern im In- und Ausland aus verbrieften und verzinslichen Geldforderungen umfasst, beinhaltet die Implizite Verschuldung die zukünftigen Verpflichtungen des Staates, die aus den sozialen Sicherungssystemen -hier besonders Renten- und Pensionsansprüche der Arbeiter, Angestellten und Beamten- resultieren. Auch diese in der Zukunft zu erfüllenden Verbindlichkeiten, die der Staat durch seine Leistungsversprechen gegenüber den Bürgerinnen und Bürgern eingeht, sind letztlich Schulden, die eines Tages beglichen werden müssen. Nach der sogenannten Generationenbilanz lag die Implizite Verschuldung im vergangenen Jahr bereits bei 185,1 bis 400,8 Prozent des Brutto-Inlandprodukts (hier richtet sich die jeweilige Summe nach unterschiedlichen Zinswachstum- und Demografieszenarien, Quelle: "Die Generationenbilanz -- Brandmelder der Zukunft, Ausgabe Nr. 17 des Forschungszentrum Generationenverträge der Uni Freiburg, Mai 2007, Seite 17). Die Finanzierungslücke ist mittlerweile also erheblich größer als der aktuelle Stand an Verbindlichkeiten aus Schuldenaufnahmen am Kreditmarkt.
Deutschland ist vor allem gegenüber Institutionellen Anlegern (Banken, Investmentfonds etc.) und auch Privatanlegern verschuldet. Sicher kennen Sie die verzinslichen "Bundesschatzbriefe", die Sie mit einer Laufzeit von bis zu sieben Jahren kaufen können. Viele Menschen nutzen diese Form der Geldanlage, um beispielsweise für "das Alter" anzusparen.
Der Staat darf sich verschulden. Das Grundgesetz gestattet die "Kreditbeschaffung" beispielsweise des Bundes in Art. 115 GG durch ein Bundesgesetz. Dieses Gesetz wird im Bundestag durch die Abgeordneten beschlossen, die vom Volk in Wahlen bestimmt wurden. Sie repräsentieren gewissermaßen den Volkswillen; wenn auch auf Zeit, nämlich vier Jahre. Ihre Einschätzung, dass der Staat Geld aufnehme, ohne die Menschen zu fragen, ist insoweit also nicht ganz richtig; er fragt ja die Abgeordneten. Die Vertreter der Bevölkerung bestimmen also die Schuldenaufnahme.
Sie haben Recht, das Geld, über das die Verantwortlichen in Bund, Ländern und Kommunen verfügen, ist das Geld aller Menschen. Aufgrund der stetig wachsenden Schulden, die irgendwann ja auch einmal wieder zurückgezahlt werden müssen, ist es aber auch das Geld zukünftiger Generationen. Noch gar nicht geboren, müssen sie für die Exesse heutiger Generationen aufkommen. Das ist zutiefst unsozial und unmenschlich!
Die in der Zukunft zu erfüllenden Verbindlichkeiten, die der Staat durch seine Leistungsversprechen gegenüber den Bürgerinnen und Bürgern eingeht (Rente, Pensionen etc.), sind, wie bereits oben erwähnt, letztlich auch Schulden, die eines Tages beglichen werden müssen. Die Frage ist jedoch, womit, oder besser, mit wem? Denn unsere Volkwirtschaft leidet nicht nur unter einer hartnäckigen, hohen Arbeitslosigkeit, in deren Folge nur unzureichend Beiträge in die Sozialkassen fließen, sondern auch unter einer rückläufigen Bevölkerungsentwicklung, die dazu führt, wie heute bereits jedes Kind bitter lernen muss, dass immer weniger junge Menschen für immer mehr Ältere als Folge der solidarischen Finanzierung der Sozialversicherungssysteme aufkommen müssen. Und die Zukunft verheißt mit Blick auf die niedrigen Geburten-, aber auch Zuwandererzahlen nichts Gutes!
Der augenfälligste Effekt wachsender Staatsverschuldung ist also die Belastung künftiger Steuerzahler. Ausgelöst durch das seit Jahrzehnten praktizierte "Über-die-Verhältnisse-leben" jeder Gegenwartsgeneration, wurden enorme Lasten für künftige Generationen angehäuft. Kaum vorstellbar ist, dass dieser Schuldenberg bei Fortführung der bereits bekannten (!) Haushaltspolitiken abgetragen werden könnte, ohne dass zukünftig höhere Steuern gezahlt würden. Es müsste schon zu einem explosionsartigen Produktivitäts- und Einkommensanstieg kommen, um solches zu vermeiden. Dies ist aber bei der Politik der Großen Koalition oder der Linken, die allein auf den Staat und seine unzähligen Leistungen setzt, unwahrscheinlich. Im Falle eines "Weiter-so!" werden sich künftige Generationen deshalb auf eine aus heutiger Sicht kaum vorstellbare Verringerung ihres Lebensstandards bei schamlos steigenden Steuern einstellen müssen, der durch die ungünstige demografische Entwicklung zusätzlich sinken wird.
Die viel gerechtere Lösung wäre --und so will es die FDP- ein Weniger an (staatlicher) Fremdsorge und ein Mehr an Eigenvorsorge. Die maßlos überzogenen Ansprüche der heutigen Generationen, die sich ausschließlich auf Kosten zukünftiger Generationen finanzieren lassen, müssen endlich an die realen Bedingungen angepasst werden. Alles andere ist asozial und unmenschlich, denn die zukünftigen Bürgerinnen und Bürger werden zu unfreien Knechten für die exessiv lebenden Menschen der Vergangenheit.
Mit freundlichen, liberalen Grüßen
Ihr Christian Ahrendt