Portrait von Christel Humme
Christel Humme
SPD
Zum Profil
Frage stellen
Die Frage-Funktion ist deaktiviert, weil Christel Humme zur Zeit keine aktive Kandidatur hat.
Frage von Sascha S. •

Frage an Christel Humme von Sascha S. bezüglich Außenpolitik und internationale Beziehungen

Sehr geehrte Frau Humme,

in Bezug auf den Kriegseinsatz der Bundeswehr am Hindukusch beschäftigen mich mehrere Fragen.

Da auch Sie regelmäßig für diesen Krieg im Bundestag stimmen, würde ich mich über die Beantwortung meiner Fragen sehr freuen.

1) Am 04. September 2009 starben in Kundus, durch einen von der Bundeswehr geführten Einsatz von Kampfflugzeugen, über 100 Zivilisten. Darunter leider auch viele Kinder. Ich habe in diesem Zusammenhang verschiedene Homepages der SPD (Bund, Land) sowie Ihre Homepage nach einem Beileidschreiben oder ähnlichem durchsucht. Es findet sich überraschender Weise keine Äußerung des Bedauerns. Da Sie und die SPD ja nun in einem hohen Maße an dem Tod der Menschen verantwortlich sind, überrascht mich dieses Vorgehen schon.
Wie kann es also sein, dass die toten Menschen keine Erwähnung finden?

2) Können Sie mir außerdem mitteilen, im welchen Umfang vor dem Krieg alternative und friedliche Vorgehensweisen von Ihrer Fraktion geprüft worden sind? Und warum diese gegebenenfalls nicht öffentlich kommuniziert worden sind?

3) Können Sie mir erklären, warum das "Schreckensregime" (s. Ihre Aussage oben) der Taliban vor dem Krieg zu freundlichen Verhandlungen in die USA eingeladen worden sind? Das Schreckensregime gab es ja schon. (Quelle: http://news.bbc.co.uk/2/hi/world/west_asia/37021.stm ).

Vielen Dank für Ihre Mühe.

Mit freundlichen Grüßen

Sascha Steffens

Portrait von Christel Humme
Antwort von
SPD

Sehr geehrter Herr Steffens,

vielen Dank für Ihre Mail zum Thema ISAF-Mandat in Afghanistan.

Trotz Ihrer nachvollziehbaren Skepsis und Ablehnung einer deutschen Verwicklung in bewaffnete Auseinandersetzungen in Afghanistan, weise ich Ihre Wortwahl, ich hätte “für einen Krieg“ gestimmt, entschieden zurück. Bei der ISAF-Mission, der auch deutsche Soldatinnen und Soldaten angehören, handelt es sich um eine internationale Operation der Vereinten Nationen. Diese verfolgt das Ziel, die Demokratie und den zivilen Aufbau in Afghanistan zu stärken .

Über wenig andere Themen wird in der SPD (zu Recht) so heftig gestritten und gerungen wie über die Frage nach der Zulässigkeit von Militäreinsätzen. Ich unterstütze diese Einsätze- zeitlich begrenzt, klar definiert und als ultima ratio, durchgeführt von einer internationalen Staatengemeinschaft- mit dem Ziel Freiheit, Sicherheit und Selbstbestimmung von Menschen zu sichern.

Jedes Todesopfer, sei es auf Seiten der Soldaten oder der Zivilbevölkerung, ist tragisch. Selbstverständlich teile ich die Trauer der Familien der unschuldigen Opfer des Bombenangriffes von Kunduz - ohne dass ich dies in einer gesonderten Pressemitteilung äußere. Wie Sie wahrscheinlich wissen, hat sich der Verteidigungsausschuss des Bundestages am 16.12.2009 zu einem Untersuchungsausschuss konstituiert, um die Hintergründe des umstrittenen Luftangriffes zu klären.

Ich habe mir die Zustimmung zur Fortsetzung des Mandats nicht leicht gemacht. Grundlage für meine Entscheidung waren zentrale Forderungen der SPD, die die schwarz-gelbe Bundesregierung bei Ihrem neuen Mandatsantrag weitestgehend übernommen hat. Dazu gehört eine klaren Abzugsperspektive für Afghanistan ebenso wie die massive Strategiekorrektur hin zur Stärkung des zivilen Engagements und der Entwicklungszusammenarbeit. Außerdem soll den Nichtregierungsorganisationen (NGOs), die oft das besondere Vertrauen der afghanischen Bevölkerung genießen, eine zentrale Rolle zukommen. Die NGOs brauchen aber nach wie vor militärischen Schutz, damit sie ihre Aufgaben vor Ort weiterführen können.

Unbestritten ist- die Lage in Afghanistan ist leider (noch) nicht so, wie viele sie sich erhofft haben. Gemessen an den Erwartungen und Hoffnungen vieler Afghaninnen und Afghanen und auch vieler Menschen hierzulande, sind der zivile Wiederaufbau und die dauerhafte Stärkung demokratischer Strukturen nicht weit genug gekommen; noch immer gibt es Korruption und Gewalt. Wichtig ist daher für die Soldatinnen und Soldaten bei ihren Auslandseinsätzen, bei den Bürgerinnen und Bürgern im Land und auch bei uns Politikern die Vergewisserung, was wir in Afghanistan tun, was uns gelungen ist und wo Fehler gemacht wurden bzw. Defizite bestehen.

Auch uns Parlamentarierinnen und Parlamentariern, die wir überwiegend nicht die Möglichkeit haben, uns vor Ort ein persönliches Bild der Lage zu machen, fehlt eine umfassende Bestandsaufnahme der Entwicklungen in Afghanistan seit 2001. Gemeinsam mit den Grünen fordern wir daher von der Bundesregierung eine umfassende Evaluierung des deutschen und internationalen Engagements (Bundestags-Drucksache 17/1964 http://dip21.bundestag.de/dip21/btd/17/019/1701964.pdf ). Vor dem Hintergrund dieser Ergebnisse des bisherigen deutschen diplomatischen, militärischen, entwicklungspolitischen und polizeilichen Engagements kann die Situation besser beurteilt werden. Außerdem spricht sich die SPD-Bundestagsfraktion in einem Antrag für eine Stärkung der humanitären Lage in Afghanistan und der stärkeren Kooperation mit Nichtregierungsorganisationen aus (Bundestags-Drucksache 17/1965 http://dip21.bundestag.de/dip21/btd/17/019/1701965.pdf ).

Mit freundlichen Grüßen
Ihre Christel Humme