Frage an Christel Humme von Harald und Edeltraut C. bezüglich Familie
Sehr geehrte Frau Humme,
haben Sie vielen Dank dafür, dass Sie sich dazu bereit erklärt haben, am 15. Februar in Siegen ein Gespräch mit Vätern zu führen (s. Willi Brase MdB bei Abgeordnetenwatch). Viele können aber nicht nach Siegen kommen.
Bitte erklären Sie daher auch hier in Kurzform, warum Mütter wegen § 1626a BGB bisher über das Sorgerecht für nicht ehelichen Nachwuchs alleine bestimmen konnten und was Ihres Erachtens zu tun ist, damit alle Kinder und Eltern (Mütter wie Väter) den gleichen grundgesetzlich gefordeten Rechtsstatus erhalten (Art. 6 GG). Kann man menschliche Grundrechte vom Geschlecht abhängig machen, wie das BVerfG im Januar 2003 noch für verfassungsgemäß erachtete - wenn die Eltern nicht miteinander verheiratet waren?
Was können Kinder für den "Beziehungsstatus" der Eltern untereinander?
Kurz: wenn mehr Beteiligung der Väter gefordert wird, ist es dann nicht schizophren, ihnen diese rechtlich zu verbieten u./o. künftig vielleicht immer noch von langen Gerichtsprozessen abhängig zu machen, also unverhältnismäßig zu erschweren? Ich frage vor dem Hintergrund, dass man Vätern allzu oft vorhält, sich angeblich nicht kümmern zu "wollen". Vielleicht kann man(n) einfach den Kampf um die Kinder auch nicht ewig durchhalten, oder?
Welche Form der Erziehungshilfe wird verantwortungsbereiten Eltern, unabhängig vom Geschlecht, von der Jugendhilfe vor Ort angeboten?
Wir schließen uns ferner sämtlichen Fragen an Ihren Fraktionskollegen Willi Brase zu diesem Thema (http://www.abgeordnetenwatch.de/willi_brase-575-37503.html) an.
Mit freundlichen Grüßen,
Harald und Edeltraut Crevecœur
Sehr geehrte Frau Crevecœur , sehr geehrter Herr Crevecœur, danke für Ihre Mail.
Als sozialdemokratische Kinder- und Familienpolitikerin sehe ich bei der aktuell geltenden Gesetzeslage in der Tat einen Änderungsbedarf. Das Gespräch im Wahlkreis meines Fraktionskollegen Willi Brase in Siegen hat mich in meiner Auffassung weiter bestärkt.
Derzeit ist es nach deutscher Rechtssprechung so, dass eine gemeinsame Sorge bei nicht verheirateten Paaren möglich ist- aber nur, wenn die Mutter zustimmt (BGB (§ 1626 bzw 1626a). Die dahinter stehende Überlegung war, dass die Mutter die Bedürfnisse des Kindes am besten kennt und ihr Veto gegen eine gemeinsame Sorge in der Regel sehr schwerwiegende Gründe hat. Diese Auffassung hat das Bundesverfassungsgericht in seinem Urteil vom 29. Januar 2003 im Wesentlichen für verfassungskonform erklärt. Gleichzeitig sollte der Gesetzgeber die tatsächliche Entwicklung beobachten und prüfen, ob diese Annahme noch immer der Realität entspricht.
Die SPD-Bundestagsfraktion hat im Januar 2005 eine Anhörung zu diesem Thema durchgeführt. Die Mehrheit der Sachverständigen sprachen sich für Änderungen der bestehenden Regelungen aus, da in Deutschland im EU-Vergleich die Hürden für ein gemeinsames Sorgerecht bei nicht verheirateten Paaren besonders hoch seien.
Über die konkrete Umsetzung gingen die Meinungen der Experten jedoch deutlich auseinander. Als Minimallösung sollte ein Gericht im Streitfall die fehlende Zustimmung der Mutter für die gemeinsame Sorge korrigieren können, wenn dies dem Kindeswohl dient. Vertreter einer „großen Lösung“ forderten die gemeinsame Sorge von Vater und Mutter, egal ob miteinander verheiratet oder nicht, zum Regelfall zu machen.
Für eine abschließende Bewertung fehlt jedoch noch immer eine wissenschaftlich fundierte Studie. Bereits im September 2008 hat das Bundesjustizministerium unter der damaligen Ministerin Brigitte Zypries ein Gutachten „Gemeinsames Sorgerecht für nicht miteinander verheiratete Eltern“ beim Deutschen Jugendinstitut in Auftrag gegeben, die den Alltag nichtehelicher Lebensgemeinschaften über einen längeren Zeitraum wissenschaftlich begleiten soll. Dabei soll vor allem der Frage nachgegangen werden, wann und warum es trotz der Möglichkeit der gemeinsamen Sorge beim alleinigen Sorgerecht der Mutter bleibt. Die Ergebnisse dieser Studie werden erst Ende 2010 vorliegen. Ich persönlich hege große Sympathien für die angesprochene „große Lösung“, nach der Väter, die sich zu ihrer Vaterschaft bekennen und sich über die finanzielle Unterstützung fürsorglich mit Liebe und Verantwortung um ihr Kind kümmern selbstverständlich auch das Recht dazu haben sollen.
Um es nochmals zu wiederholen: zentraler Maßstab jeder gesetzlichen Regelung ist das Wohl des Kindes. Im Regelfall wird jedes Kind davon profitieren, Zuwendung und Sorge von beiden Elternteilen zu erfahren. Ich werde mich in der SPD-Bundestagsfraktion dafür einsetzen, das Thema gemeinsame Sorge /Stärkung der Väterrechte auf unsere politische Agenda zu setzen. Daher warte sicherlich nicht nur ich, sondern auch die zuständigen Rechts- und Familienpolitiker meiner Fraktion gespannt auf das ausstehende Gutachten aus dem Justizministerium.
Mit freundlichen Grüßen nach Hilchenbach
Ihre Christel Humme