Frage an Christel Humme von Maren K. bezüglich Soziale Sicherung
Sehr geehrte Frau Humme!
Nachdem nun die 2. Änderung des Conterganstiftungsgesetzes eher überstürzt verabschiedet wird, habe ich noch Fragen speziell an Sie. Gemeinsam mit Ihrer Kollegin Frau Falk (CDU/CSU) hatten Sie zur Veröffentlichung des Entwurfes am 13. Nov. 2008 eine Presseerklärung herausgegeben, auf die ich mich hier beziehe.
•Ist es nicht so, dass die Rentenzahlungen deshalb so schnell verdoppelt wurden, weil durch die Aufmerksamkeit auch der internationalen Öffentlichkeit klar wurde, dass die Kaufkraft sich halbiert hatte und der Zweck der Conterganrente nicht mehr erfüllt wurde? Und dass die deutschen Conterganopfer im europäischen Vergleich sehr schlecht dastehen? Auch heute noch, nach der Verdopplung!
Sie verweisen auf die zusätzlich möglichen Sozialleistungen: Hier werden von Armut bedrohte Menschen weiter in die Bittstellerhaltung gedrängt - und haben oft kaum die Kraft dazu, obwohl sie die Gelder dringend brauchen. Bei nicht Anspruchsberechtigten wird die Conterganschädigung "eiskalt" privatisiert!
•Ist es nicht so, dass die Conterganrente bereits mit dem ersten Stiftungsgesetz nicht auf Sozialleistungen, Krankenkassenbeiträge und Steuerpflicht angerechnet werden durfte? Für unsere Eltern war es ein oder DAS maßgebliche Argument, um dem Vergleich und dem Stiftungsgesetz damals zu zustimmen! Es war und ist ein sehr gutes Argument- für mich das beste, dass für den Vergleich und die Stiftung überhaupt spricht!
Wollen Sie uns alten Wein in neuen Schläuchen verkaufen oder wie darf ich Ihre Desinformation verstehen?
Sie erwarten von den Contergangeschädigten Solidarität mit anderen Behinderten. Diese ist absolut gegeben! Aber lassen Sie mich darauf hinweisen: Bei uns ist der Schädiger (Fa. Grünenthal) und der finanziell Verantwortliche (der Bund) bekannt.
•Sollen wir weiter entrechtet werden?
Wieso gibt es auch nach 50 Jahren keine anständige und gerechte Entschädigung für uns?
Mit freundlichen Grüßen
Maren Kühlen
Sehr geehrte Frau Kühlen,
zunächst einmal möchte ich mich bei Ihnen entschuldigen, dass ich erst jetzt dazu komme, Ihre Anfrage zum Conterganstiftungsgesetz zu beantworten.
Entgegen Ihrer Einschätzung haben wir keine überstürzte Gesetzesänderung vorgenommen, sondern sind in einem intensiven und engen Dialog mit Contergangeschädigten, ihren Interessensverbänden, Fachleuten aus der Medizin sowie den beteiligten Ministerien zu einer guten und verantwortungsvollen Lösung gekommen. Wir haben die Probleme und Sorgen der Betroffenen aufgegriffen und dafür so weit es möglich war, Lösungen gefunden, die deutliche Verbesserungen beinhalten.
Mit dem am 14. Mai im Bundestag verabschiedeten Conterganstiftungsgesetz http://dip21.bundestag.de/dip21/btd/16/130/1613025.pdf wollen wir die Entschädigung contergangeschädigter Menschen auf eine zukunftsfähige Basis stellen. Auf ausdrücklichen Wunsch der Betroffenen haben wir dafür gesorgt, dass die monatliche Unterstützung künftig dynamisiert und somit automatisch an die Steigerung der gesetzlichen Renten angepasst wird. Außerdem wurde der zunächst geplante Auszahlungszeitraum der jährlichen Sonderzahlung – ebenfalls auf Wunsch der Betroffen – auf 25 Jahre reduziert.
Insgesamt sollen nach diesem Gesetz künftig 100 Millionen Euro, zusätzlich zu den jetzigen Leistungen, als jährliche Sonderzahlungen ausgeschüttet werden. Denn das Gesetz sieht vor, dass die Grünenthal GmbH 50 Millionen Euro in die Conterganstiftung einbringt und zusätzlich weitere Mittel in gleicher Höhe aus dem Kapitalstock der Stiftung an die Betroffenen ausgezahlt werden. Aus den Erträgen des restlichen Stiftungsvermögens sollen nur noch Projekte gefördert werden, die ausschließlich contergangeschädigten Menschen zugute kommen. Dafür ist eine Änderung des Stiftungszwecks nötig, denn bisher bezog sich die Projektförderung generell auf Menschen mit einer Behinderung.
Außerdem sollen die Strukturen der Conterganstiftung gestrafft werden, weshalb künftig der Bund die finanziellen Mittel für alle Verwaltungskosten der Stiftung aufbringen soll. Außerdem ist geplant, den Stiftungsrat aufgrund der Änderung des Stiftungszwecks auf maximal sieben Mitglieder zu verkleinern. Davon werden zwei Mitglieder aus dem Kreis der Betroffenen stammen und durch eine Wahl von den Contergangeschädigten selbst bestimmt werden.
Neu ist auch, dass die bisher von der Ausschlussfrist betroffenen contergangeschädigten Menschen künftig Leistungen nach dem Conterganstiftungsgesetz geltend machen können. Bisher mussten Anträge bis zum 31. Dezember 1983 eingereicht worden sein. Zu einem späteren Zeitpunkt gestellte Anträge mussten wegen Fristversäumnis abgelehnt werden. Nun wird die Ausschlussfrist vom 1. Juli 2009 bis Ende 2010 geöffnet. Damit erhalten die Betroffenen in diesem Zeitraum die Möglichkeit, Leistungen nach dem Conterganstiftungsgesetz zu beantragen.
Sehr geehrte Frau Kühlen, ich hoffe, Sie können anhand meiner Ausführung nachvollziehen, warum ich davon überzeugt bin, dass wir- im Rahmen des Möglichen- eine deutliche Verbesserung der Lebenssituation contergangeschädigter Menschen erreicht haben.
Ich wünsche Ihnen alles Gute.
Mit freundlichen Grüßen
Ihre
Stellvertretende Vorsitzende der SPD-Bundestagsfraktion
Christel Humme