Frage an Christel Happach-Kasan von Benjamin G. bezüglich Landwirtschaft und Ernährung
Sehr geehrte Dr. Christel Happach-Kasan,
für die Eierproduktion wurden vom Menschen spezielle Legehennen gezüchtet, die zusammen mit den männlichen Küken in Schlüpfbetrieben zur Welt kommen.
Dabei werden die männlichen von den weiblichen Küken getrennt. Da die männlichen Küken aus kapitalistischen Gründen nicht zur Mast "geeignet" sind, werden diese vergast. Die weiblichen Küken werden zu Legehennen heran gezüchtet.
Das Vergasen der männlichen Küken mit Kohlenstoffdioxid ist nach dem Tierschutzgesetz verboten und politisch geächtet, wird aber trotzdem weiterhin praktiziert. Schätzungen zufolge kommen alleine in Deutschland jährlich 45 Millionen Küken und 280 Millionen Küken in der EU pro Jahr ums Leben.
Weiterhin "lohnt" sich ein Nachschlüpfen der Küken nicht, egal ob männlich oder weiblich, diese werden anschließend ebenfalls ermordet.
Meine Fragen an Sie wären:
Was wollen Sie als Abgeordnete gegen diese katastrophalen Misstände tun?
Das Verbot besteht bereits, welche konkreten Umsetzungsmöglichkeiten können Sie sich vorstellen?
Sollte es nicht generell mehr Anreize geben vegane Kost zu fördern, aus ökologischen, nicht zuletzt auch aus ökonomischen Gründen?
Ich bitte um eine Antwort!
Mit freundlichen Grüßen!
Benjamin Göhler
Sehr geehrter Herr Göhler,
Sie fragen nach Antworten zu zwei unterschiedlichen Themenkomplexen:
1. Dem Töten männlicher Küken sowie
2. nach der veganen Ernährung
Zu 1.
Sie beschreiben sehr richtig, dass die Eier, die wir im Laden oder auf dem Hof kaufen, von speziellen Hühnerrassen stammen, die eine besonders hohe Legeleistung erbringen und nur wenig Muskelfleisch besitzen. Es ist einleuchtend, dass diese Rassen nicht geeignet sind für die Aufzucht von Masthähnchen oder Suppenhühnern. Daher gehören Masthähnchen und Suppenhühner einer anderen Rasse an.
Dies hat zur Folge, dass in Brütereien, in denen die Hühnereier bebrütet werden, die männlichen Küken von Legehennenrassen am ersten Tag, wenn das Geschlecht festgestellt werden kann, herausgenommen und getötet werden. In der Europäischen Union muss die Tötung der Küken der EU-Richtlinie 93/119/EG folgen. Mir sind Verstöße gegen diese Richtlinie nicht bekannt. Weltweit werden aus diesem Grund männliche Küken getötet, im Übrigen unabhängig vom politischen System. Es gibt für die Tötung der Küken keinen „kapitalistischen Grund“, wie Sie schreiben, sondern einen wirtschaftlichen Grund. Dieser ist in Ländern mit sozialer Marktwirtschaft, wie der Bundesrepublik Deutschland, derselbe wie in sozialistischen Ländern: Die Aufzucht der männlichen Küken würde den Preis einer Legehenne und damit den Preis für Eier erhöhen. Ökobetriebe halten dieselben Hühnerrassen wie konventionell arbeitende Betriebe. In der DDR wurden männliche Küken ebenfalls getötet.
Niemand hält diese Praxis für gut. Deswegen werden von verschiedenen Forschungsinstitutionen zahlreiche Ansätze verfolgt, um eine Alternative zur Tötung männlicher Küken zu entwickeln. Es ist bei Hühnern leider nicht möglich, männliche von weiblichen Spermien zu unterscheiden. Deshalb wird nach Möglichkeiten gesucht, das Geschlecht von Küken im frisch gelegten Ei zu bestimmen, bevor das Ei bebrütet wird. Dann könnten die männlichen Eier verwertet werden und nur die weiblichen Eier würden bebrütet.
Am Friedrich-Löffler-Institut für Nutztiergenetik (FLI) wurde ein solches Verfahren entwickelt. Es wird mit Hilfe der Kernspintomografie die Lage des Keims im Ei ermittelt. Diesem werden durch ein Loch in der Schale einige Zellen entnommen, die auf das Geschlecht untersucht werden. Das Verfahren ist noch sehr teuer. Es wurde bisher keine die Kosten senkende Automatisierung entwickelt.
Eine Alternative ist die Nutzung der Raman-Spektroskopie. Diese nutzt die Tatsache, dass männliche Hühnerzellen einen um etwa 2 % höheren DNS-Gehalt haben als weibliche Hühnerzellen. Dieser kann spektroskopisch gemessen werden. Zurzeit gelingt es noch nicht, dies Verfahren bei Eiern treffsicher anzuwenden. Eine weitere Möglichkeit ist die Züchtung von Hühnern, die sowohl als Legehennen wie als Masttiere geeignet sind. Es ist allerdings zu bedenken, dass dabei in Kauf genommen würde, dass die Legeleistung geringer ist als bei den heutigen Legehennenrassen und dass die Mastleistung geringer ist als bei heutigen Masthuhnrassen. Ökologisch wäre dies ein Nachteil.
Die FDP unterstützt und fördert Forschungsarbeiten, die dem Tierschutz dienen. Welches der beschriebenen Verfahren sich durchsetzen wird, ist nach meiner Einschätzung zurzeit noch offen.
Zu 2.
Ich halte es für sehr wichtig, dass Menschen sich gesund ernähren. Dies schafft Lebensqualität, hilft Übergewicht und ernährungsbedingte Krankheiten zu vermeiden. Dazu brauchen sie ein solides Wissen, welche Ernährung wirklich gesund und für die entsprechende Lebenssituation angemessen ist. Deswegen wollen wir eine Nährwertkennzeichnung, die über für die Ernährung wichtige Eigenschaften eines Lebensmittels informiert. Unsere Vorstellungen zur Lebensmittelkennzeichnung haben wir in unserem Antrag „Verbraucherfreundliche und praxistaugliche Lebensmittelkennzeichnung durchsetzen – Verbots- und Bevormundungspolitik verhindern“ dargelegt (1).
Ihren Wunsch, Anreize für eine Befolgung der veganen Ernährungsvorstellungen zu setzen, teile ich dagegen nicht. Vegane Ernährung bedeutet, dass auf alle tierischen Produkte verzichtet wird, wie z.B. Fleisch und Fleischprodukte, Fisch, Milch und Milchprodukte, Eier, Honig.
Am Institut für Lebensmittelwissenschaft der Universität Hannover wurde Mitte der 1990iger Jahre von Prof. Dr. Andreas Hahn und Annika Waldmann die Deutsche Veganstudie (DVS) erstellt. Es ist die erste und bisher einzige umfangreiche Studie im deutschsprachigen Raum zum Ernährungs- und Gesundheitsstatus von Menschen, die sich vegan ernähren (2). Sie hat bestimmte Nutzen und Risiken dieser Ernährungsart festgestellt. Sie kommt zu dem Fazit, dass eine pflanzenbetonte Ernährung wünschenswert, eine allein auf pflanzlicher Kost beruhende Ernährung jedoch riskant ist.
In einer Veröffentlichung der Studienergebnisse heißt es: „Im Kollektiv der Deutschen Vegan Studie wiesen, gemessen am Spiegel des Eisenspeichers Ferritin, rund 40 Prozent der jüngeren Frauen einen Eisenmangel auf; bei den Frauen nach der Menopause waren es noch circa zwölf Prozent. Problematisch wird diese Situation besonders, wenn erhöhter Eisenbedarf besteht, zum Beispiel während einer Schwangerschaft, da ein ungenügender Eisenstatus der Mutter eine unzureichende Eisenversorgung des Fötus hervorruft und diese bekanntermaßen mit geistiger Retardierung und einer verzögerten Entwicklung der motorischen Fähigkeiten beim Neugeborenen einhergehen kann. Insgesamt zeigen die Ergebnisse der DVS, dass eine vegane Ernährung durch ihre günstige Relation an Hauptnährstoffen und ihren hohen Gehalt an antioxidativen Substanzen und Ballaststoffen in dieser Hinsicht ähnliche Vorteile mit sich bringt wie eine lakto-ovo-vegetarische Kostform. Diesen stehen aber in einigen Bereichen gravierende Mängel gegenüber, die diese Ernährungsform bestenfalls für Erwachsene mit guten Ernährungskenntnissen und ohne besondere Belastungen eingeschränkt empfehlenswert machen. Schwangeren, Stillenden und Kindern ist hiervon hingegen dringend abzuraten. Das Fazit kann nur lauten: Eine pflanzenbetonte Ernährung ist wünschenswert, eine reine Pflanzenkost aber riskant.“ (3)
Zu einer ähnlichen Bewertung kommt das Bundesamt für Gesundheit der Schweiz. Es stellt in einem Expertenbericht fest: „Bei Veganern erhöhen sich durch den zusätzlichen Verzicht auf alle tierischen Produkte die Risiken für eine mangelnde Zufuhr dieser Nährstoffe. Insbesondere auf die genügende Zufuhr des Vitamins B12 muss geachtet werden. Auch die Veganer können sich einer guten Gesundheit erfreuen, sofern sie über ein großes Ernährungswissen verfügen und genügend Erfahrung besitzen, um sich so zu ernähren, dass die erhöhten Risiken auch während längeren Lebensphasen wie Wachstum, Schwangerschaft und Alter kompensiert werden. Bei einem totalen Verzicht auf alle tierischen Produkte (veganische Ernährung) sind die Risiken für eine mangelnde Zufuhr verschiedener Nährstoffe so groß, dass es für einen Laien kaum möglich ist, sich auf eine Art und Weise zu ernähren, welche diese Mängel konsequent kompensieren könnte. In verschiedenen Lebensphasen wie Wachstumsperioden, Schwangerschaft oder auch bei Betagten können die Mangelerscheinungen kritisch werden und zu Krankheiten führen. Deshalb ist die veganische Ernährungsweise generell für breitere Bevölkerungskreise insbesondere für Kinder und andere Risikogruppen wie Schwangere und ältere Leute nicht zu empfehlen.“ (4)
Angesichts dieser Ergebnisse ist es meiner Meinung nach nicht verantwortbar, Anreize dafür zu geben, dass mehr Menschen sich vegan ernähren. Die Gefahr der Mangelernährung ist hoch. Für eine vegane Ernährung ist zur Vermeidung von Mangelerscheinungen ein sehr großes Wissen über gesunde Ernährung erforderlich. Dieses Wissen kann ich nicht bei allen Menschen voraussetzen. Es müssen regelmäßige Blutkontrollen durchgeführt werden, um beispielsweise einen möglichen Vitamin B 12-Mangel aufzudecken, der zu neurologischen Störungen führen kann. Deswegen ist es aus meiner Sicht nicht zu verantworten, eine allgemeine Empfehlung für vegane Ernährung zu geben.
Mit freundlichen Grüßen
Christel Happach-Kasan
Quellen:
1 http://dip21.bundestag.de/dip21/btd/16/116/1611671.pdf
2 http://vegetarierbund.de/alt/gesundheit/Die_Deutsche_Vegan_Studie.pdf
3
http://www.uni-hannover.de/imperia/md/content/pressestelle/unimagazin/04_1-2/03_waldmann.pdf
4
http://www.bag.admin.ch/themen/ernaehrung_bewegung/05207/05219/index.html?lang=de