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Christel Happach-Kasan
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Frage von Bernd R. •

Frage an Christel Happach-Kasan von Bernd R. bezüglich Landwirtschaft und Ernährung

Sehr geehrte Frau Happach-Kasan,

ich bin Hobby-Imker. Die Diskussion um die Verkehrsfähigkeit von Honig in Bayern macht mich besorgt. Ich kann mir nicht vorstellen, warum Honig, der Pollen von Bt-Mais enthält, nicht verkehrsfähig sein soll - trotz des Augsburger Urteils. Wie kann es sein, dass in Brandenburg die Gerichte urteilen, dass Honig, der Bt-Maispollen enthält, verkehrsfähig ist und in Bayern soll er nicht verkehrsfähig sein? Das geht doch nicht.

Nach meiner Erfahrung sammeln Bienen Maispollen nur, wenn sie nichts anderes finden. Als Greenpeace 2002 den Rapshonig von Völkern, die an einem GVO-Rapsfeld in Sachsen-Anhalt standen, untersuchen ließ, war der Anteil von GVO-Pollen an der Nachweisgrenze und konnte nicht zahlenmäßig benannt werden.

Ich bitte sie, mir zu schreiben, wie Sie die Verkehrsfähigkeit von Honig beurteilen, der GVO-Pollen enthält.

Noch ein Wort zu Laborversuchen: Laborversuche sind notwendig, um mögliche Auswirkungen zu erkennen und um unter natürlichen Bedingungen zielgerichtet forschen zu können. Wir alle kennen die Beipackzettel bei Medikamenten.
Würden wir die gleichen Maßstäbe wie bei GVO anwenden, müssten alle Medikamente verboten werden.

Ich wünschte mir, die Imkerorganisationen sowie die Gentechnikgegner würden mit der gleichen Intensität den Einsatz von Pflanzenschutzmitteln kritisch begleiten. Eine weitere Aufgabe sehe ich in einer Bienenschutzverordnung, die dem Namen 100 %-ig gerecht wird und nicht nur schwammige Regeln zu Schäden durch Pflanzenschutzmittel beinhaltet.

Mit freundlichen Grüßen
Bernd Richter

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Antwort von
FDP

Sehr geehrter Herr Richter,

vielen Dank für Ihre Frage und vielen Dank auch für Ihren Hinweis aus der imkerlichen Praxis, dass Bienen Maispollen nur sammeln, wenn sie nichts anderes finden.

In den Bundesländern Bayern, Brandenburg und Sachsen haben Imker gegen den Anbau von Bt-Mais geklagt mit dem Argument, Honig würde durch den Eintrag von Pollen von Bt-Mais seine Verkehrsfähigkeit verlieren. Durch die Klagen der Imker ist die Verkehrsfähigkeit von Honig zum Thema geworden. Bis jetzt gibt es kein abschließendes, also rechtskräftiges Urteil, das Honig die Verkehrsfähigkeit abspricht, wenn er Bt-Mais-Pollen enthält.

Die Bundesregierung hat in der Beantwortung einer Einzelfrage am 7. Oktober 2008 festgestellt: "Die Bundesregierung besitzt keine Erkenntnisse über Honig, der aufgrund eines Eintrags von Pollen gentechnisch veränderten Maises seine Verkehrsfähigkeit verloren hat. Zum einen fällt die Lebensmittelüberwachung in die Zuständigkeit der Länder, zum anderen ist das Urteil des Verwaltungsgerichts Augsburg, das offenbar Anlass für Ihre Frage war, bislang nicht rechtskräftig, so dass dieses Urteil keinen Verlust der Verkehrsfähigkeit von Honig zur Folge hat." (BT-Drucksache 16/10520). Nach meiner Auffassung wird die Verkehrsfähigkeit von Honig nicht durch Bt-Mais-Pollen oder sonstige gv-Mais-Pollen beeinträchtigt. Honig hat einen Gehalt von etwa 0,5% Pollen, der von sehr vielen verschiedenen Pflanzen stammen kann. Pollen ist natürlicher Bestandteil von Honig und beeinträchtigt seine Qualität nicht ganz unabhängig davon, ob er von Wildpflanzen oder von gv-Pflanzen stammt.

In Europa sind die gentechnisch veränderten Maissorten MON 810 und T 25 zum Anbau und als Lebens- und Futtermittel zugelassen. Diese Zulassung gilt für die ganze Pflanze. MON 810 ist ein Bt-Mais. Er enthält ein Gen des Bakteriums Bacillus thuringiensis, das einen Wirkstoff produziert, der für den Maiszünsler und eingeschränkt auch auf andere Insektenarten giftig wirkt. Präparate mit den Sporen des Bacillus thuringiensis sind bereits seit 1970 in Deutschland als Pflanzenschutzmittel zugelassen. Der Wirkstoff ist nicht giftig für Säugetiere also auch nicht für den Menschen.

In diesem Jahr wurde die bereits seit 10 Jahren währende Zulassung für MON 810 erneuert. Wir haben also in Europa mehr als zehn Jahre Erfahrung mit dem Anbau von Bt-Mais, in Deutschland seit vier Jahren. Es hat in dieser Zeit keinerlei Hinweise gegeben, die die Unbedenklichkeit von Bt-Mais als Lebens- und Futtermittel in Frage stellen. Beimengungen von Pollen von MON 810 im Honig beeinträchtigen die Qualität des Honigs nicht.

Einzelne EU-Länder haben den Anbau von MON810 verboten. In meinen Augen sind dies politische Entscheidungen, sie beruhen nicht auf einer wissenschaftlichen Basis. Das österreichische Gutachten, mit dem das Verbot begründet wurde, habe ich gelesen, es überzeugt nicht. Die Europäische Behörde für Lebensmittelsicherheit (EFSA) hat in ihrer Stellungnahme vom 1. 11. 2008 ausführlich dargelegt, dass das Anbauverbot in Frankreich für gentechnisch veränderten Mais ebenfalls unbegründet ist.

Ich bin der Überzeugung, dass Landwirte die Möglichkeit haben sollten, Bt-Mais zur Bekämpfung von Schadinsekten anzubauen. Dies ist laut den Ergebnissen eines bayrischen Großversuchs naturverträglicher als die Bekämpfung der Schadinsekten mit Pflanzenschutzmitteln. Das bedeutet auch, dass Bienen durch den Anbau von Bt-Mais geschützt werden.

Es wird vielfach die Frage gestellt, ob Bt-Mais-Pollen im Honig den Tatbestand des Inverkehrbringens eines GVO erfüllt. Um dies zu beurteilen, muss die Frage beantwortet werden, ob Pollen von Bt-Mais gentechnisch veränderte Organismen sind. Nach Art. 2 Nr. 2 Richtlinie 2001/18/EG ist ein Organismus "jede biologische Einheit, die fähig ist, sich zu vermehren oder genetisches Material zu übertragen". Pollen überträgt genetisches Material, ist nach dieser Definition also ein Organismus. Pollen im Honig verliert jedoch bereits nach einem Tag die Fähigkeit zur Befruchtung. Der Pollen im Honig kann also keine Erbinformation übertragen. Damit verliert er auch die Eigenschaft, ein GVO zu sein. Weiter gilt, wie oben dargelegt, MON 810 ist in der EU zugelassen.

Somit bleibt die Frage, ob Honig, der Pollen von Bt-Mais enthält, nach der Kennzeichnungsverordnung der EU 1829/2003 gekennzeichnet werden muss. Honig ist eindeutig ein tierisches Produkt. Ohne Bienen gibt es keinen Honig. Daher gilt nach meiner Auffassung der Erwägungsgrund 16 der Kennzeichnungsverordnung 1829/2003 der EU. In Beantwortung der Kleinen Anfrage "Kennzeichnungspflicht bei Fermentationsprodukten von gentechnisch veränderten Mikroorganismen" (Drucksache 15/3413) (1) hat mir die vorige Bundesregierung geantwortet: "Erwägungsgrund 16 der Verordnung stellt insoweit jedoch klar, dass Produkte, die von Tieren stammen, die "mit" gentechnisch veränderten Futtermitteln gefüttert oder gentechnisch veränderten Arzneimitteln behandelt wurden, ebenso vom Anwendungsbereich der Verordnung und damit von der Kennzeichnungspflicht ausgenommen sind wie Lebens- und Futtermittel, die mit Hilfe gentechnisch veränderter technischer Hilfsstoffe hergestellt wurden."

Bienen werden zwar nicht gefüttert, sie suchen sich ihr Futter im Sommer allein, doch dürfte die Aufnahme von Pollen von Bt-Mais durch Bienen als analog zur Fütterung anzusehen sein. Nach Erwägungsgrund 16 der Kennzeichnungsverordnung ist somit keine Kennzeichnung erforderlich.

Mit der Novellierung des Gentechnikgesetzes am Anfang dieses Jahres hat die Bundesregierung eine neue "Ohne Gentechnik"-Kennzeichnung geschaffen. Kann Honig, der Bt-Mais-Pollen enthält, dennoch das "Ohne Gentechnik"-Kennzeichen erhalten? Da Honig nur bis zu 0,5% Pollen enthält, liegt bei jedem beliebigen Anteil an Bt-Mais-Pollen der Gehalt des Honigs an GVO unter 0,9%. Der Kennzeichnung "Ohne Gentechnik" sollte somit nichts im Wege stehen.

Folgende Gerichtsentscheidungen hat es bis jetzt gegeben, die sich mit der Klage von Imkern befassten, die wegen der möglichen Beimengung von Pollen von Bt-Mais im Honig den Anbau von Bt-Mais verbieten oder das Abschneiden der männlichen Blüten bewirken wollten:

Erstinstanzliche Entscheidungen:
4. Mai 2007 Beschluss des Verwaltungsgerichts Augsburg
8. Mai 2007 Beschluss des Verwaltungsgerichts Frankfurt/Oder
9. Mai 2007 Beschluss des Verwaltungsgerichts Leipzig

Eilentscheidungen der zweiten Instanz, Ablehnung der Anträge der Imker:
21. 6. 2007 Beschluss des Verwaltungsgerichtshofs München
27. 6. 2007 Beschluss des Oberverwaltungsgerichts Berlin-Brandenburg
30. 5. 2008 Urteil des Verwaltungsgerichts Augsburg, nicht
rechtskräftig, da Widerspruch eingelegt wurde.

Das Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg stellt in seiner Begründung u. a. fest: "(...) mit einer wesentlichen Beeinträchtigung der Imkereiprodukte des Antragsstellers ist nicht zu rechnen" (S. 9). "Schließlich kommt hinzu, dass (…) sowohl der Antraggegner als auch das BVL sowie das Bundesministerium für Gesundheit offenbar davon ausgehen, dass Honig, der Maispollen gentechnisch veränderter Pflanzen enthält, keiner Zulassung nach Art. 4 Abs. 2 VO (EG) Nr. 1829/2003 bedarf, so dass mit behördlichen Beanstandungen einer Vermarktung des Honigs unter den erörterten Gesichtspunkten nicht zu rechnen sein dürfte." (S. 11).

Im Urteil des Bayrischen Verwaltungsgerichtshof heißt es: "Angesichts dessen, dass zum Einen Mais der Linie MON 810 im Rahmen der Erteilung der Inverkehrbringensgenehmigung einer Sicherheitsprüfung unterzogen wurde, die jedenfalls die Ausbringung des Maises (und damit des Pollens) in die Umwelt erlaubt, und zum Anderen für Produkte, die aus MON 810 hergestellt wurden (…) eine Zulassung als Lebensmittel (…) besteht, (…) ist diese Auslegung auch unter Sicherheits- und insbesondere Gesundheitsaspekten mit dem Schutzzweck der Verordnung vereinbar. Damit fällt das Inverkehrbringen des Honigs nicht unter das Verbot 2 des Art. 4 Abs. 2 der Verordnung (EG) Nr. 1829/2003." (S. 8/9).

Trotz der beiden Urteile aus dem vergangenen Jahr, die in zweiter Instanz festgestellt haben, dass Honig, der Pollen von MON 810 Mais enthält, verkehrsfähig ist, hat der Imker Heinz Bablok erneut ein Verfahren angestrengt. Gegen das Urteil des Augsburger Verwaltungsgerichts, in dem das Gericht festgestellt hat, der Honig sei nicht verkehrsfähig, hat er selbst Berufung eingelegt. Das Urteil ist somit nicht rechtskräftig. Es ist für mich völlig unverständlich, warum er dennoch die Anordnung des Amtstierarztes akzeptiert hat, der sich auf dieses nicht rechtskräftige Urteil berufen hat, das außerdem den zweitinstanzlichen Urteilen des vergangenen Jahres widerspricht, und seinen wertvollen Honig entsorgt hat. Das ist nicht nachvollziehbar. Offensichtlich stand für den Imker der Honig nicht im Mittelpunkt seines Interesses. Der Honig war für ihn Mittel zum Zweck. Ich habe den Eindruck, er wollte die Schlagzeile.

Ich möchte Sie auf einen Vortrag von Dr. Iwan Chotjewitz aus dem Ministerium für Ländliche Räume in Brandenburg hinweisen, der zu einer ähnlichen Bewertung kommt wie ich (2).

Sie haben weiterhin die Bienenschutzverordnung angesprochen. Die FDP-Bundestagsfraktion hat einen Antrag in den Bundestag eingebracht mit dem Titel "Schutz der Bienenvölker sicherstellen" (BT-Drucksache 16/10322) (3). In der Diskussion im Ausschuss werde ich die Bienenschutzverordnung ansprechen.

Mit freundlichen Grüßen
Christel Happach-Kasan

Quellen:
(1)
http://www.transgen.de/features/download_pdf.php?file=/pdf/bundestag/1503413
.pdf&absolute_dl=true
(2) http://www.luis-bb.de/presse/gen/Vortrag_Chotjewitz.pdf
(3) http://dip21.bundestag.de/dip21/btd/16/103/1610322.pdf