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Christel Happach-Kasan
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Frage von Volker W. •

Frage an Christel Happach-Kasan von Volker W. bezüglich Umwelt

Sehr geehrte Frau Dr. Happach-Kasan,

Aus Gesprächen mit Menschen in der Region wissen wir, dass große Teile der Bevölkerung mit großer Sorge um die Reinhaltung des Trinkwassers dem Einsatz des Frackings mit Ablehnung gegenüber stehen.
Das Umweltbundesamt (UBA) hat in einer Studie zum Fracking die größten Risiken aufgelistet. Die teils hochgiftigen Chemikalien, die in den Boden gepumpt werden, können das Trinkwasser verseuchen.
Die Bundesanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe (BGR) widerspricht dem fracking-kritischem UBA.
Hieraus ergibt sich für uns die Frage, wie es sein kann, dass zwei öffentliche Ämter in der Beurteilung der Risikofaktoren des Frackings zu widersprüchlichen Ergebnissen kommen. Wir sind der Auffassung, dass die Risiken der Technologie noch nicht abschließend erforscht und bestimmbar sind und lehnen deshalb den Einsatz dieser Technologie ab. Ihre Meinung dazu ist uns wichtig und wir fragen Sie:
1. Aus welchen Quellen beziehen Sie Ihre Informationen zur Beurteilung der Fracking-Risiken?
2. Wem glauben Sie: UBA oder BGR?
3. Teilen Sie unsere o.g. ablehnende Haltung zum Einsatz des Frackings?
Wir fordern ein bedigungsloses Frackingverbot in unkonventionellen Lagerstätten und schlagen dafür die Verabschiebung eines entsprechenden Gesetzes oder die Einführung eines unbefristeten Moratoriums vor (ähnlich wie bereits in Frankreich geschehen). Hierzu haben wir folgende Fragen an Sie:
4. Unterstützen Sie ein entsprechendes Gesetzesvorhaben, das den Einsatz des Frackings unter Benutzung chemischer Substanzen verbietet?
5. Wie bewerten Sie persönlich den Einsatz von Fracking mit Hilfe von chemischen Substanzen?
Über eine Antwort zu den gestellten Fragen bis zum 15. August 2013 würden wir uns freuen.
Im übrigen behalten wir uns vor, Ihre Reaktion (Antworten oder keine Antworten) zu unserer Anfrage zu veröffentlichen.

Mit freundlichen Grüßen

Johann Karstens

Volker Wülbern

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Antwort von
FDP

Sehr geehrter Herr Karstens,
sehr geehrter Herr Wülbern,

vielen Dank für Ihre Fragen. Fracking ist ein Thema, dass aufgrund der geologischen Gegebenheiten insbesondere bei uns in Schleswig-Holstein und in Niedersachsen diskutiert wird. In Anlage 3 des Berichts des Landesamtes für Bergbau, Energie und Geologie Niedersachsen sind die Gebiete in Schleswig-Holstein zu erkennen, in denen Kohlenwasserstoffe vermutet werden (1).

Ein paar Vorbemerkungen zu Ihren Fragen:

Derzeit gibt es im Wahlkreis 10, meinem Bundestagswahlkreis in Schleswig-Holstein, einen genehmigten Antrag auf „Aufsuchungsgenehmigung“ für die Suche nach Kohlenwasserstoffen. Betroffen ist ein Gebiet, in dem schon vor einigen Jahrzehnten Öl gefördert wurde. Eine Aufsuchungsgenehmigung entspricht dem Abstecken eines Claims, innerhalb dessen mit wissenschaftlichen Methoden lohnende Lagerstätten gesucht werden dürfen. Weitere Genehmigungen sind damit nicht verbunden – keine Bohrungen, seismischen Sprengungen oder ähnliches, auch keine Förderung.

Zu einem frühen Zeitpunkt habe ich mich daher mit den wissenschaftlichen und wirtschaftlichen Hintergründen der Erschließung bisher uninteressanter Lagerstätten beschäftigt. Im wesentlichen werden zwei Technologien verstärkt zum Aufschluss verwendet, die in diesem Umfang bisher nicht eingesetzt wurden: Die Einbringung waagerechter Bohrungen (Horizontalbohrungen) und das Aufbrechen tiefliegender Gesteinsschichten durch Flüssigkeitsdruck (Hydraulic Fracturing). Beide Verfahren werden meist kombiniert eingesetzt.

Um einen sicheren Einsatz der Technik zu gewährleisten, müssen drei Risiken beherrscht werden:

1. Das Aufbrechen von Gesteinsschichten kann zu Spannungsentladungen und damit lokalen Erdbeben führen, wie in Landau oder Basel (2).
2. Bohrungen, bei denen Anhydrid-Schichten verletzt werden, können zu massiven Hebungen führen und Schäden an Gebäuden anrichten, wie in Staufen (3). Solche Schichten sind in Schleswig-Holstein verbreitet und haben z.B. den Kalkberg in Segeberg entstehen lassen.
3. Schließlich besteht die Gefahr, dass ungewollt Betriebsflüssigkeiten aus den Frackingbohrungen ins Grundwasser gelangen. Beispiele hierfür gibt es in Deutschland bisher nicht. Der schleswig-holsteinische Umweltminister Habeck teilt auf der Webseite seines Ministeriums auf die Frage nach Erfahrungen in Schleswig-Holstein mit (4):

Es gäbe „mehrere Bohrungen mit dem Einsatz der Fracking-Methode. Diese Bohrungen fanden zwischen 1955 und 1994 überwiegend im Kreis Plön statt. Es gibt keine Hinweise, dass die Maßnahmen in dem betroffenen Gebiet zu schädlichen Umweltauswirkungen geführt haben.“

Ähnliche Erfahrungen gibt es aus Niedersachsen.

Im Sinne einer vorbeugenden Gefahrenabwehr muss dieses Risiko genau wie die beiden erst genannten beherrscht werden.

Ihr Fragekatalog enthält die Prämisse, nur bei Bohrungen nach Kohlenwasserstoffen sei nach ihrer Meinung staatliches Handeln gefordert. Dieser eingeschränkte Ansatz wird nicht näher begründet. Im Sinne einer umfassenden Risikoabschätzung halte ich eine willkürliche Begrenzung des zu diskutierenden Einsatzfeldes der Technologie für falsch. Es gibt kein „gutes“ und „böses“ Fracking, sondern nur die verantwortungsvolle oder die unverantwortliche Nutzung dieser Technik.

Das Bergrecht stammt in seinen Anfängen aus feudalen Zeiten. Deshalb muss die Frage diskutiert werden, ob die Rechte und Pflichten der Explorationsfirmen noch den Anforderungen des 21. Jahrhunderts entsprechen. Und schließlich stellt sich die Frage, ob der völlige oder doch weitgehende Verzicht auf angemessenen Förderzins, wie er das Gesetz vorsieht, eine de-facto-Subventionierung darstellt. Meine Recherchen haben ergeben, dass die Muttergesellschaft eines in Deutschland tätigen Unternehmens in Kanada 35% des Umsatzes abführen muss, in Deutschland aber in der Regel nur 0-5 % des Gewinns. Zudem werden die von Förderung betroffenen Gebiete nicht an den staatlichen Einnahmen beteiligt.

Zu Ihren Fragen:

Aus welchen Quellen beziehen Sie Ihre Information zur Beurteilung der Fracking-Risiken?

Die Abgeordneten des Deutschen Bundestages verfügen über Informationen der Fachbehörden, diverser Sachverständiger, Gutachter und deren Gutachten, von Unternehmen und Verbänden sowie Betroffenen. Darüber hinaus fand im Ausschuss für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit des Deutschen Bundestages eine Anhörung zur Gewinnung von Erdgas aus unkonventionellen Lagerstätten statt(5). Des weiteren hat die FDP-Bundestagsfraktion gemeinsam mit der Union eine Anhörung Ende des vergangenen Jahres durchgeführt. Bei dieser wurde die ganze Bandbreite der Meinungen abgedeckt. Weiter liegen uns alle großen Studien (Umweltbundesamt, BGR, NRW, Exxon-Dialog usw.) vor. Diese sind Grundlage der inhaltlichen Auseinandersetzung. Meine Mitarbeiter haben sich ergänzend mit den Erfahrungen, Regelungen und Rahmenbedingungen in anderen Staaten beschäftigt.

Wem glauben Sie: UBA oder BGR?

Als Naturwissenschaftlerin ist es mir grundsätzlich fremd, Gutachten zu „glauben“. Im konkreten Fall werden Fragen von unterschiedlichen Blickwinkeln beleuchtet und nachvollziehbar untersucht. Zwischen den Studien des UBA und des BGR gibt es keine offenkundigen Widersprüche. Die Ergebnisse spiegeln die unterschiedlichen Aufgaben der Einrichtungen wider. Der Volksmund nennt das: sie zeigen „zwei Seiten derselben Medaille“.

Teilen Sie unsere o. g. ablehnende Haltung zum Einsatz des Frackings?

Offenbar lehnen Sie Fracking nur dann ab, wenn es für die Gasförderung genutzt werden soll, nicht jedoch, wenn es für andere Zwecke genutzt wird, obwohl es hier bisher die meisten Probleme gegeben hat.

Ich setze mich für klare Regeln im Umgang mit dieser Technologie ein, egal mit welchem Ziel die Methode genutzt wird. Sie müssen den Schutz der Umwelt gewährleisten. Die Behörden brauchen für ihre Entscheidungen einen konkreten Rechtsrahmen. Leider wurde eine Änderung des Gesetzes, die solche klaren Vorgaben gesehen hat (z.B. obligatorische Umweltverträglichkeitsprüfung mit Öffentlichkeitsbeteiligung, Schutz von Wassereinzugsgebieten) von den Ländern im Bundesrat blockiert. Ein „Laissez Faire“ lehne ich ebenso ab wie eine nicht am Einzelfall orientierte Ablehnung einer Technik aus Glaubensgründen.

Wir fordern ein bedingungsloses Frackingverbot in unkonventionellen Lagerstätten und schlagen dafür die Verabschiedung eines entsprechenden Gesetzes oder die Einführung eines unbefristeten Moratoriums vor (ähnlich wie bereits in Frankreich). Hierzu haben wir folgende Fragen an Sie:

1. Unterstützen Sie ein entsprechendes Gesetzesvorhaben, das den Einsatz des Frackings unter Benutzung chemischer Substanzen verbietet?

Ich unterstütze den Schutz unseres Grundwassers und unserer Natur vor toxischen Substanzen. Um diesen zu gewährleisten, werden fachliche Genehmigungsverfahren zu denen auch die Umweltverträglichkeitsprüfung gehört, durchgeführt. Wie dieses im Einzelnen technisch umgesetzt wird, ist keine politische Frage.

Im Übrigen ist ihr Gesetzesvorschlag so unbestimmt, dass er wohl eher auf eine meinungsbildende als auf eine legislative Wirksamkeit abzielt: Eine „chemische Substanz“ ist ein Material, ein Stoff, so Wikipedia. Mehr als neun Zehntel der üblicherweise verwendeten Substanzen sind klares Wasser und Sand. Mehr nicht (6). Ich nehme an, sie meinen toxische Substanzen.

Ein „unbefristetes Moratorium“ ist ein Verbot in einer Mogelpackung, zumal nicht klar wird, welche neuen Erkenntnisse während des Moratoriums gefunden werden sollen. Ich habe angesichts der verschiedenen Probleme in Frankreich nicht den Eindruck, dass Frankreich für Deutschland ein geeignetes Vorbild ist.

In unserer freiheitlichen Demokratie muss das Verbot begründet werden, nicht die Erlaubnis. Fachliche Entscheidungen dürfen nicht politisch getroffen werden. Gesetzgeberisches Handeln ist gefordert, wenn den Fachbehörden zuweilen die Instrumente fehlen, unerwünschtes Handeln zu unterbinden. Daran arbeiten wir. Ziel einer Bergrechtsreform sollte sein, die Rechte der Betroffenen angemessen zu schützen und ihre Beteiligung in transparenten Verfahren zu sichern.

Eine Technik pauschal zu verbieten, deren Einsatz in Schleswig-Holstein selbst nach Aussagen des grünen Umweltministers vier Jahrzehnte ohne jede Probleme erfolgte, ist logisch nicht zu begründen.

Mit freundlichen Grüßen,

Christel Happach-Kasan

(1) Karte: http://www.lbeg.niedersachsen.de/download/78086/Erdoel_und_Erdgas_in_der_Bundesrepublik_Deutschland_2012.pdf
(2) Erdwärme-Projekt: Erneut Erdbeben am Bohrloch von Basel:
http://www.spiegel.de/wissenschaft/natur/erdwaerme-projekt-erneut-erdbeben-am-bohrloch-von-basel-a-459945.html
(3) Nach Erdwärme-Bohrung: Eine Stadt zerreißt http://www.spiegel.de/wissenschaft/natur/nach-erdwaerme-bohrung-eine-stadt-zerreisst-a-589944.html
(4) Umweltminister Habeck stellt Vorgehen gegen umwelttoxisches Fracking vor
http://www.schleswig-holstein.de/MELUR/DE/Startseite/Slider/StdArtikel/Fracking.html#doc1155926bodyText4
(5) Anhörung zur Gewinnung von Erdgas aus unkonventionellen Lagerstätten http://www.bundestag.de/dokumente/textarchiv/2011/36605378_kw47_pa_umwelt/
(6)http://www.dihk.de/themenfelder/innovation-und-umwelt/ihk-jahresthema-2012/faktenpapier-unkonventionelles-erdgas.pdf/at_download/file?mdate=1362138805229