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Christel Happach-Kasan
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Frage von Sebastian L. •

Frage an Christel Happach-Kasan von Sebastian L. bezüglich Recht

Sehr geehrte Frau Happach-Kasan,

wie stehen Sie zu dem Gesetzesentwurf des Jahressteuergesetzes 2013 und der damit verbundenen Problematik : Gemeinnützigkeit von NGO´s durch Verfassungsschutz aberkennen ? Hier ein Link zu Ihrer Information : http://blog.abgeordnetenwatch.de/2012/07/25/gesetzentwurf-konnte-existenz-kritischer-organisationen-wie-abgeordnetenwatch-de-bedrohen/

Vielen Dank für eine Antwort,

mfG Sebastian Lindemann

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Antwort von
FDP

Sehr geehrter Herr Lindemann,

herzlichen Dank für Ihre Frage.

Gemeinnützigkeit ist ein Begriff aus dem Steuerrecht. Durch die Zuerkennung der Gemeinnützigkeit für eine Körperschaft (Verein, GmbH, Stiftung etc.) fördert der Staat soziales, kulturelles und gesellschaftliches Engagement. Er verzichtet mit der Anerkennung der Gemeinnützigkeit auf Steuereinnahmen. Seit 2007 gibt es eine vorläufig abgeschlossene Liste der anerkannt gemeinnützigen Tatbestände. Die Körperschaft und seine Förderer genießen durch die Gemeinnützigkeit Steuervorteile. Hierzu bedarf es einer Satzung, die beschreibt, was der Verein tut, und einen Finanzbericht, der zeigt, dass satzungsgemäß gearbeitet wurde. Sind beide Voraussetzungen erfüllt, wird die Gemeinnützigkeit rückwirkend für den Abrechnungszeitraum vom Finanzamt zuerkannt.

Es versteht sich von selbst und ist im Parlament auch nicht wirklich strittig, dass besondere Förderungswürdigkeit einerseits und Missachtung von Recht und Gesetz sich gegenseitig ausschließen. Vereine, Verbände, Stiftungen, die absichtlich z.B. zur Erzielung medialer Aufmerksamkeit Rechtsbruch begehen, können nicht gefördert werden. Dies ist von verschiedenen Einrichtungen anerkannt worden und es ist in der Folge zur Ausgründung von Vereinen gekommen, die absichtlich auf die Anerkennung als "gemeinnützig" verzichten. Somit geht es bei der derzeitigen Debatte um die Frage, wie und vom wem eine förderungsschädliche Betätigung festgestellt wird und auf welchem Rechtsweg eine solche Entscheidung überprüft werden kann.

Derzeit prüfen die Finanzämter, ob Satzung und tatsächliche Betätigung mit den Grundsätzen der Gemeinnützigkeit vereinbar sind. Betroffenen steht rechtliches Gehör und ggfls. eine Klage vor den Finanzgerichten offen. Auch heute schon können und werden bei dieser Entscheidung nach pflichtgemäßen Ermessen Verfassungsschutzberichte berücksichtigt.

Erlauben Sie mir hier einen Einschub: In Deutschland gab es nach der Vereinsstatistik von 2011 580.298 eingetragene Vereine. Die Mehrzahl von ihnen wird gemeinnützig sein, einige verzichten absichtlich darauf. 95 von Ihnen haben sich nun kritisch zu der geplanten Rechtsänderung geäußert, nicht die größten, aber die mit der größten Medienreichweite. So sehr ich jede Diskussion über bessere Gesetze begrüße - man sollte die Kirche im Dorfe lassen. Die Aufregung wirkt unverhältnismäßig und nährt den Verdacht, das Feld für Spendenaktionen zu bereiten, die dem Motto folgen: "Spendet, solange es noch geht". Man sollte eine Gesetzesdebatte nicht sachfremd instrumentalisieren.

Mit der Anerkennung der Gemeinnützigkeit eines Vereins soll ehrenamtliches Engagement für verschiedene als "gemeinnützig" anerkannte Tätigkeitsbereiche gefördert werden. Ehrenamtliches Engagement gibt es nicht nur in großen, bundesweit tätigen Verbänden sondern auch in kleinen regionalen Vereinen. Wir müssen darauf achten, dass die Anerkennung der Gemeinnützigkeit solcher Vereine, die unbestritten gemeinnützig tätig sind, weiter möglich bleibt und nicht durch zu hohe Anforderungen an den Verwaltungsaufwand unmöglich gemacht wird. Dieses Engagement unserer Vereine ist eine besondere Qualität unseres Gemeinwesens.

Die vorliegende Materie ist aus verschiedenen Gründen schwierig. Einerseits gibt es Konsens, dass z.B. rechtsextremistische Gruppen oder religiöse Fundamentalisten nicht in den Genuss staatlicher Förderung kommen sollen. Andererseits liegt es in der Natur der Sache, dass hier mit unbestimmten Rechtsbegriffen gearbeitet wird. Was "extremistisch" ist, wird immer einen Wertungskern enthalten. Ob der Verfassungsschutz in seiner derzeitigen Situation geeignet ist, das hierfür erforderliche Vertrauen zu gewinnen, dürfte zumindest umstritten sein - jenseits aller rechtlichen Überlegungen. Ich halte übrigens den Begriff "extremistisch" für eine politische Kategorie. Ich bevorzuge den vom Bundesverfassungsgericht verwendeten Begriff der "aktiv-kämpferischen, aggressiven Haltung gegen unsere Verfassungsordnung", da er deutlich klarer und in verschiedenen Urteilen präzisiert worden ist.

Recht ändert sich mit der gesellschaftlichen Realität. Der Druck, die Praxis der Zuerkennung der Gemeinnützigkeit zu überprüfen, stammt nicht etwa von Problemen mit NGO, sondern, wie schon 2001 bei der rot-grünen Aufhebung des Religionsprivilegs im Vereinsrecht, aus der religiös-fundamentalistischen Szene. Das Verfassungsgericht hat dem Verbot solcher Vereine sehr enge Grenzen gesetzt. Das bedeutet aber nicht, dass unsere Demokratie sie auch noch steuerlich fördern muss. Eine wirksame und rechtsstaatlich saubere Lösung: Das ist es, was ich als Ergebnis der parlamentarischen Beratungen erwarte.

Heute ist die öffentliche Anhörung zum Jahressteuergesetz. Es sind 31 Experten zur Stellungnahme aufgefordert worden. Ihre Stellungnahmen werden ausgewertet werden und dann wird entschieden.

Mit freundlichen Grüßen
Christel Happach-Kasan