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Christel Happach-Kasan
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Frage von Conrad S. •

Frage an Christel Happach-Kasan von Conrad S. bezüglich Verkehr

Warum erachtet die FDP die geplante S4 nach Ahrensburg als sinnvoll an, obwohl bereits heute mit der R10 eine sehr gute Nahverkehrsverbindung nach Hamburg besteht und die Kosten von ca. 450 Mio. Euro sicherlich sinnvoller (z.B. Schuldentilgung) angelegt werden könnten.

Gegenüber der S4 ist die R10 deutlich komfortabler (z.B. Sitzplatzangebot und -qualität,Toiletten, Gepäckablage, Abteildurchgang, Klimaanlage), leiser, schneller und sicherer (Zugbegleitung).

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Antwort von
FDP

Sehr geehrter Herr Schmidt,

die Eisenbahnverbindung zwischen Hamburg und Lübeck (mit der Teilstrecke nach Ahrensburg) ist unter verschiedenen Gesichtspunkten eine Besonderheit. Zunächst handelt es sich um die am stärksten von Reisenden frequentierte Verbindung in Schleswig-Holstein. Sie ist Teil der europäischen Transit-Trasse von Stockholm über Hamburg nach Palermo und liegt in einem der drei Korridore, in der nach einer EU-Verordnung der Güterverkehr Vorrang vor dem Personenverkehr hat. Bereits im ersten Entwurf eines deutschlandweiten Eisenbahnnetzes, den Friedrich List 1833 erstellte, wird die Strecke Hamburg-Lübeck vorschlagen (vergl. http://upload.wikimedia.org/wikipedia/commons/e/ed/Friedrich_List_und_die_erste_grosse_Eisenbahn_2.jpg).

Bereits die Elektrifizierung der Strecke Hamburg-Lübeck hat vor einigen Jahren zusätzliche Verkehre auf die Schiene gebracht. Der ICE erreicht inzwischen auch Lübeck. Die Korridorentscheidung der EU verbunden mit der geplanten festen Beltquerung wird nach den vorliegenden Prognosen nochmals zu einem erhöhten Aufkommen an Verkehrsbewegungen beitragen. Daraus wird deutlich, dass zusätzliche Schienenkapazitäten erforderlich sind. Investitionen in das Streckennetz erfordern vorausschauende Entscheidungen, oft auf Jahrzehnte hinaus. Ohne zusätzliche Kapazitäten des Netzes droht ein Verdrängungseffekt. Der Bau einer parallel geführten S-Bahn-Linie unter der Bezeichnung S4 wirkt dem entgegen. Nur der Bau als S-Bahnstrecke sichert die Schienenkapazität für den Nahverkehr, denn in der Hierarchie rangiert der Regionalverkehr auf Fernverkehrsgleisen erst nach Güter- und Personenfernverkehr. Die Teilung der Strecke in Ahrensburg hat finanzwirtschaftliche Gründe, da die beiden Teilstrecken aus unterschiedlichen Töpfen finanziert werden.

Nach Angaben von Wikipedia soll die S-Bahn Hamburg nach dem Ausbau einen Fahrgastzuwachs von zurzeit täglich 30.000 Personen auf 50.000 erwarten, insgesamt würden rund 250.000 Menschen im Umfeld der Strecke vom Ausbau profitieren. Soweit bisher bekannt strebt man einen 10-Minuten-Takt nach Ahrensburg an, eine deutlich verbesserte Situation zum derzeitigen 30-Minuten-Takt an Werktagen.

In Ihrer Frage führen sie unter anderem an, die R10 sei eine „sehr gute Nahverkehrsverbindung“. Die Zahlen für das Jahr 2010 und zahlreiche Beschwerden von Fahrgästen in Internetforen sprechen mit fast 1000 ausgefallenen Zügen und zahlreichen Verspätungen auf der Strecke Hamburg-Lübeck jedoch eine deutlich andere Sprache (http://www.nahverkehrhamburg.de/kurzmeldungen/2011-08-26-2010-knapp-tausend-zugausfaelle-auf-bahnstrecke-hamburg-luebeck.html). Nach meinen Informationen geht das Land derzeit von Kosten in Höhe von 350 Mio. Euro für das Gesamtprojekt Hamburg-Bad Oldesloe aus.

Der durchschnittliche Preis für einen Kilometer Autobahn beträgt in Deutschland samt Nebenkosten etwa 27 Mio. Euro. Betrachtet man diese Kosten in Relation zum Projektpreis der S4, zeigt sich, dass der Bau der S-Bahn-Strecke außer dem erheblichen Umweltbeitrag auch einen gesamtgesellschaftlichen Kostenvorteil ergibt. Neben den Komfortvorteil (die A1 ist „Dauergast“ im Verkehrsstudio) und dem erheblichen Umweltbeitrag ergibt sich dann auch ein gesamtgesellschaftlicher Kostenvorteil.

Auf der neuen Strecke sollen nicht die Fahrzeuge der Baureihe 474 zum Einsatz kommen, die dann schon 20 Jahre alt sein werden, sondern es befindet sich ein neuer Fahrzeugtyp (BR 490) in der Ausschreibung, der mit Gleich- und Wechselstrom betrieben werden kann (Stromschiene und Oberleitung). Er wird nicht nur schneller sein, sondern auch über Abteildurchgänge verfügen.

Ich teile Ihre Auffassung, dass die Haushaltskonsolidierung ein wichtiges Ziel ist. Ich möchte jedoch darauf hinweisen, dass es nicht die notwendigen Investitionen sind, die die öffentlichen Haushalte belasten, sondern die konsumtiven Ausgaben sowie die Zinslasten. In den USA kann man die Folgen unterbliebener Investitionen in die Infrastruktur ebenso besichtigen wie im britischen Eisenbahnnetz. Ein funktionierender Personenverkehr ist für die Metropolregion Hamburg lebenswichtig. Am Erhalt und Ausbau dieses Verkehrsnetzes zu sparen ist meines Erachtens die falsche Strategie.

Mit freundlichen Grüßen
Christel Happach-Kasan