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Christel Happach-Kasan
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Frage von Dr. Claus G. •

Frage an Christel Happach-Kasan von Dr. Claus G. bezüglich Finanzen

Sehr geehrte Frau Happach-Kasan,

wie werden Sie am 29. September 2011 im Bundestag über den Euro-Rettungsschirm abstimmen?

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Antwort von
FDP

Sehr geehrter Herr Gossler,

ich danke Ihnen für die Frage und Ihr Interesse an meiner Entscheidung.

Für die Entwicklung der Bundesrepublik Deutschland in den vergangenen 60 Jahren ist die Einbindung in die westliche Welt und nach dem Zusammenbruch des Warschauer Paktes in ein starkes Europa entscheidend gewesen. Wir haben wirtschaftliche Prosperität, Wohlstand und auch die Deutsche Einheit erreicht, weil wir uns als verlässlicher Partner erwiesen haben. Diesen Weg sollte Deutschland auch in der jetzigen Krisensituation fortsetzen.

Der Euro zählt neben dem Dollar und dem Yen zu den wichtigsten Währungen. Zur Einführung des Euro wurden im Maastricht-Vertrag Konvergenzkriterien vereinbart wie die Begrenzung der jährlichen Nettoneuverschuldung auf 3% und ein Gesamtschuldenstand von 60% des Bruttoinlandsprodukts. Diese Kriterien sind nicht von allen Staaten eingehalten worden, auch von Deutschland nicht. In der Folge haben sich verschiedene Länder in einer Höhe verschuldet, die jetzt die Stabilität unserer Währung gefährdet.

Bevor man sich die Frage stellt, wie der Schuldenkrise in manchen europäischen Staaten begegnet werden sollte, muss man die Frage beantworten, wie es zu dieser Situation gekommen ist. Warum drängt Deutschland heute, im Jahre 2011 auf eine Sanierung der Staatsfinanzen in anderen Ländern, und warum verfolgt Deutschland dieses Thema nicht schon seit Jahren? Die Ursachen der Verschuldung sind unterschiedlich. Leider gehört auch Deutschland zu den Ländern, die in mehreren Jahren die Stabilitätskriterien des Vertrags von Maastricht nicht eingehalten haben. So hatte Deutschland wenig Glaubwürdigkeit mit seiner Forderung an andere Länder nach Einhaltung dieser Kriterien, als sich die griechischen Angaben zum Staatsdefizit als gefälscht herausstellten. Insider wussten längst, dass etwas faul war im Staate Griechenland. Doch es gab eine stillschweigende Übereinkunft der Regierungen, nicht zu hart zu reagieren, schließlich hatte man das eigene Haus auch nicht in Ordnung. Kritik der FDP an dieser Entwicklung blieb sowohl unter Rot-Grün, als auch in der Großen Koalition ungehört.

Die jetzige Situation zeigt die Notwendigkeit, die Einhaltung der Konvergenzkriterien der Länder der Eurozone stärker zu überwachen als bisher und gegebenenfalls Möglichkeiten zur Verfügung zu haben, die Einhaltung der Kriterien auch durchzusetzen.

Deutschlands Volkswirtschaft ist sehr eng mit seinen Nachbarn verzahnt. Unser größter Handelspartner ist Frankreich, dessen Banken nach meiner Kenntnis sich besonders in Griechenland engagiert haben. Eine durch die Insolvenz Griechenlands ausgelöste Bankenkrise würde den deutschen Export und die durch ihn getragenen Arbeitsplätze hart treffen. Daraus ergibt sich, dass Deutschland ein starkes Eigeninteresse daran hat, eine Insolvenz Griechenlands zu vermeiden. Außerdem ist es wichtig, die derzeitige Verschuldenskrise auf die tatsächlich notleidenden Staaten zu begrenzen. Dies ist nach meiner Einschätzung gelungen.

Die Krise hat auch eine außenpolitische Dimension. Verfolgt man die Diskussionen, dann könnte man meinen, wir hätten noch immer die EWG und nicht eine Europäische Union. Es mischen sich bereits offen nationalistische Töne in Diskussionen über „faule Griechen“ und „geizige Deutsche“. Die Ursachen der Probleme liegen aber in falscher Politik, nicht im Nationalcharakter der Völker. Bei allem, was wir zu entscheiden haben, müssen wir beachten, dass das „gemeinsame Haus Europa“ bereits zwei grausame Weltkriege überstehen musste. Europa hatte stets Angst vor einem wirtschaftlich starken Deutschland. Der Sozialist Mitterand und die Konservative Maggy Thatcher verfolgten die deutsche Wiedervereinigung mit Unwohlsein. Gerade im Umgang mit den kleinen Völkern Europas ist großes Fingerspitzengefühl ratsam.

Die Abstimmung über das Gesetz zum Europäischen Stabilisierungsmechanismus (Gesetz zur Änderung des Gesetzes zur Übernahme von Gewährleistungen im Rahmen eines europäischen Stabilisierungsmechanismus) erfolgt nach einer sehr angestrengten Beratung in den Ausschüssen und den Fraktionen.

Zwei Kernpunkte werden umgesetzt:

1. Erhöhung des effektiven Operationsvolumens
Der deutsche Anteil am Gewährleistungsrahmen von 440 Mio. € soll von derzeit 123 auf 211 Milliarden Euro erhöht werden. Diese Erhöhung des deutschen Anteils ist sinnvoll, um das Operationsvolumen von 440 Mrd. Euro zum bestmöglichen Zinssatz (AAA-Rating) zu erreichen. Dadurch wird die deutsche Verantwortung erhöht. In diesem Umfang wird das Bundesfinanzministerium ermächtigt, Bürgschaften für Hilfsmaßnahmen der EFSF für Euroländer zu übernehmen. Die EFSF tätigt die Anleihen am Kapitalmarkt.

2. Einführung von Mitwirkungsrechten des Deutschen Bundestages
Jede neue Hilfsmaßnahme der EFSF bedarf fortan der vorherigen Zustimmung des Deutschen Bundestages. Mit dem Gesetz sind die vom Bundesverfassungsgericht in seinem Urteil vom 7. September 2011 aufgestellten Anforderungen einer Parlamentsbeteiligung bei weitem übertroffen worden. Entgegen der in diesem Urteil ausdrücklich gebilligten Möglichkeit einer erst nachträglichen Unterrichtung des Haushaltsausschusses in Eilfällen, macht das Gesetz auch für Fälle besonderer Eilbedürftigkeit oder Vertraulichkeit eine vorherige Zustimmung zumindest eines vom Parlament gewählten Gremiums, das mit Mitgliedern des Haushaltsausschusses besetzt wird, erforderlich.

Ich werde dem Rettungsschirm zustimmen. Instrumente wie Euro-Bonds, die Schuldnern neue Kredite zu niedrigen Zinsen verschaffen, lehne ich ab. Es dürfen keine Anreize für eine höhere Verschuldung gegeben werden. Gemeinsame Staatsanleihen sind nur im Rahmen einer gemeinschaftlichen Finanz- und Wirtschaftspolitik denkbar, die es in der EU nicht gibt und auf weite Sicht nicht geben wird. Es muss gerade in den südeuropäischen Ländern das Verständnis dafür gestärkt werden, dass jedes Land die Mittel zu erwirtschaften hat, die es für die Finanzierung des eigenen Staatswesens braucht. Dafür sind dort grundlegende Reformen notwendig. Dabei sind wir in den letzten Monaten vorangekommen. Spanien wird z. B. nach deutschem Vorbild eine Schuldenbremse in seiner Verfassung verankern. Auch Griechenland hat bereits Reformen auf den Weg gebracht.

Ich werde dem Gesetz auch deswegen zustimmen, weil es in den letzten Monaten gelungen ist, einen starken Parlamentsvorbehalt einzuziehen. In den 90-er Jahren hat die FDP darauf hingewirkt, dass Auslandseinsätze der Bundeswehr außerhalb des Bündnisgebietes der Zustimmung des Bundestags bedürfen. Darüber wird in namentlicher Abstimmung entschieden. Ebenso hat jetzt die FDP-Fraktion darauf hingewirkt und durchgesetzt, dass die Regierung bei allen wesentlichen den Bundeshaushalt betreffenden Fragen der Eurostabilisierung das Parlament vorab beteiligt. Das ist kein formaler Akt. Der Parlamentsvorbehalt bindet die Regierung.

Das Risiko für die deutsche Volkswirtschaft ist bei einer Verweigerung der Zustimmung nach meiner Einschätzung deutlich größer als bei einer Zustimmung. Die genannten Zahlen sind angsteinflößend, 211 Milliarden sind fast die Hälfte des Volumens des Bundeshaushalts. Doch für eine Exportnation wie Deutschland ist die Zahlungsfähigkeit der Kunden ein hohes Gut. Unsere Bereitschaft zur Solidarität verbunden mit den Forderungen nach Konsolidierung der Haushalte, Reformen der Verwaltung, Privatisierungen hat in den verschuldeten Ländern bereits Wirkung gezeigt.

Ich möchte eine persönliche Anmerkung machen: Mir ist das „gemeinsame Haus Europa“ sehr wichtig. Ich habe als Schülerin bereits im ersten Jahr am deutsch-französischen Austauschprogramm teilgenommen und dieses Programm begleitete mich während der Sommerferien in allen weiteren Jahren auf dem Gymnasium. Ich fühle mich meiner damaligen französischen Freundin noch immer verbunden. Mein Vater war Soldat in beiden Weltkriegen. Von ihm habe ich gelernt, dass die deutsch-französische Freundschaft ein sehr hohes Gut ist, die Überwindung der so genannten Erbfeindschaft eine große politische Leistung und ein Gewinn für die Menschen.

Als Schleswig-Holsteinerin will ich einen weiteren Gesichtspunkt für meine Entscheidung hinzufügen: Schleswig-Holstein ist in seiner Finanzierung vom Länderfinanzausgleich abhängig. Den Abstieg Schleswig-Holsteins von maßvoller Verschuldung in die Gruppe der am stärksten verschuldeten 4 Länder (Bremen, Berlin, Saarland und Schleswig-Holstein) in den vergangenen 20 Jahren im wesentlichen unter rot-grünen Regierungen hat die FDP-Landtagsfraktion kontinuierlich kritisiert. Wir haben konkrete alternative Wege aufgezeigt. Erst die jetzige christlich-liberale Regierung wirkt dem entgegen. Nicht einmal die CDU/SPD-Regierung hatte dazu die Kraft. Als Landtagsabgeordnete in Schleswig-Holstein habe ich verfolgt, wie die rot-grünen Regierungen die Verpflichtung, als Bundesland das Geld zu verdienen, das gebraucht wird, vollständig missachtet haben.

Erlauben Sie mir noch eine Bemerkung zu den Eurokritikern, die am liebsten die DM wieder einführen würden. An den Märkten würde diese „DM-neu“ sofort um etwa 30% aufgewertet und um diese Marge würden sich Exporte aus Deutschland schlagartig verteuern. Was das für Konjunktur, Arbeitsplätze und Steuereinnahmen bedeuten würde, mag ich mir kaum ausmalen.

Gerne verweise ich Sie für weitergehende Informationen auf das „Liberale Argument“ zum Thema Eurostabilisierung: http://www.fdp-fraktion.de/files/252/14-EFSF-Ertuechtigung.pdf

Mit freundlichen Grüßen
Christel Happach-Kasan