Frage an Christel Happach-Kasan von Christian S. bezüglich Wirtschaft
Sehr geehrte Frau Happach-Kasan,
als Bewohner Ihres Wahlkreises mit angeschlossenem Atomkraftwerk würde ich gerne wissen was im Störfall für mich eintritt. Wieviel km Luftlinie bin ich eigentlich entfernt (habe ich bei google-maps nicht rausfinden können, mit dem Auto 30km)?
Welche Evakuierungspläne liegen vor? (Konkret für Großensee)
Ist die FFW Großensee auf eine solche Evakuierung vorbereitet?
Verfügt die FFW Großensee über geeignete Schutzausrüstung?
Wie ist die dezentrale Wasserversorgung im ländlichen Bereich (einzelörtliche Wasserwerke // Hausbrunnenanlagen) zu bewerten bei radioaktiver Verseuchung des Grundwassers?
Wo erhalte ich als Wähler Ihres Wahlkreises Jodtabletten?
Über eine Beantwortung meiner Fragen freue ich mich
und verbleibe mit besten Grüßen
Christian Schmelzer
Sehr geehrter Herr Schmelzer,
vielen Dank für Ihre Fragen zum Katastrophenschutz um das Kernkraftwerk Krümmel. Ich beantworte sie gern.
Die für den Katastrophenschutz zuständigen Behörden sind der Kreis Herzogtum Lauenburg und die Landkreise Lüneburg und Harburg. Auf der Internetseite des Kreises Herzogtum Lauenburg heißt es: „Die Katastrophenschutzbehörde hat für die besonderen Gefahren, die bei einem radiologischen Unfall von Kernkraftwerken ausgehen könnten, einen Sonderplan nach den Rahmenempfehlungen für den Katastrophenschutz in der Umgebung kerntechnischer Anlagen erstellt.“ Deren Gegenstand sind im Wesentlichen:
• Warnung und Unterrichtung der Bevölkerung
• Verkehrseinschränkungen
• Verteilung von Jodtabletten
• Evakuierung
Art und Umfang der schadensbegrenzenden Maßnahmen sind abhängig von der Entfernung zur kerntechnischen Anlage. Deren Umgebung wird in vier Zonen und zwölf Sektoren eingeteilt:
(a) die Zentralzone, welche die kerntechnische Anlage bis zu einer Entfernung von 2 Kilometern umschließt,
(b) die Mittelzone bis zu einer Entfernung von 10 Kilometern,
(c) die Außenzone bis zu einer Entfernung von 25 Kilometern,
(d) die Fernzone bis zu einer Entfernung von 100 Kilometern
Großensee liegt etwa 25 km vom Kernkraftwerk Krümmel entfernt, also an der Grenze zwischen Außen- und Fernzone.
Der Katastrophenschutz ist Aufgabe der Kreise. Konkrete Aussagen über die Organisation des Katastrophenschutzes in Ihrem Ort erhalten Sie von der Kreisverwaltung in Bad Oldesloe und von Ihrer örtlichen Verwaltung in Großensee. Die Feuerwehr in Großensee hat keine akuten Aufgaben im Strahlenschutz.
Eine Evakuierung ist in Deutschland vorgeschrieben, wenn nach einer Woche die Strahlenbelastung 100 Millisievert (mSv) beträgt. Zum Vergleich: Die natürliche Strahlenbelastung beträgt etwa 2 mSv pro Jahr. Eine Belastung des Grundwassers in ihrer Region ist nicht zu befürchten. Die Entfernung ist zu groß und damit verbunden die Wahrscheinlichkeit der radioaktiven Belastung des Grundwassers zu gering, um theoretische Vorsorge zu betreiben.
Bei einem Reaktorunfall wird unter anderem das radioaktive Jod-Isotop 131 an die Umgebung abgegeben. Die Abgabe von Jodtabletten hat das Ziel, den Körper mit nicht-radioaktivem Jod ausreichend zu versorgen, so dass eine Aufnahme von Jod-131 aus der Umgebung unterbleibt. Die Aufnahme von radioaktivem Jod-131 und die anschließende Ablagerung in der Schilddrüse erhöht die Gefahr, an Schilddrüsenkrebs zu erkranken. Die Halbwertszeit von Jod-131 beträgt 8 Tage, das heißt nach 8 Tagen hat sich die vom Jod verursachte Radioaktivität halbiert, nach 16 Tagen ist noch ein Viertel der ursprünglichen Aktivität, nach drei Monaten ein Tausendstel vorhanden. Auf Grund der kurzen Halbwertszeit ist die Abgabe von Jodtabletten nur bis zu einer mittleren Entfernung von bis zu 10 km erforderlich.
In einer Mitteilung der Reaktorkreise heißt es: „Im Bedarfsfall wird die Bevölkerung über die vorgesehene Schutzmaßnahme informiert, erhält Anweisungen, wann und wie die Ausgabe erfolgt und wann die Tabletten einzunehmen sind. Bei der Ausgabe wird gleichzeitig ein Merkblatt ausgehändigt“. Diese Merkblätter sind erst im Februar dieses Jahres überprüft worden.
Die Strahlenschutzkommission hat bei der Erarbeitung der Empfehlungen zur Abgabe von Jodtabletten auch zu berücksichtigen, welche Risiken die erhöhte Jodaufnahme durch die Tabletten mit sich bringt. Im Ergebnis verzichtet man auf die Abgabe der Tabletten an Personen, die älter als 45 Jahre sind. Nähere Details hat die Strahlenschutzkommission veröffentlicht: http://www.klinikum-nuernberg.de/DE/aktuelles/neuigkeiten/01_Bilder_2011/2011_03_Iodmerkblatt.pdf
Die Deutsche Gesellschaft für Endokrinologie warnt in einer aktuellen Stellungnahme ebenfalls vor den Gefahren einer überhöhten Jodeinnahme.
http://www.endokrinologie.net/stellungnahmen.php
Mit freundlichen Grüßen
Christel Happach-Kasan