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Christel Happach-Kasan
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Frage von Johannes K. •

Frage an Christel Happach-Kasan von Johannes K. bezüglich Wirtschaft

Sehr geehrte Frau Dr. Christel Happach-Kasan,
in den Lübecker Nachrichten vom 23.04.2010 ( Link: http://www.ln-online.de/artikel/2774946 ) kritisieren sie, dass private Firmen Züge und Busse gesponsort haben, um möglichst vielen Menschen eine Teilnahme an der Anti-Atomkraft-Menschenkette am 24.04.2010 zu ermöglichen.
Sie werden zitiert mit den Wort (Auszug): "Das Grundrecht auf Demonstrationsfreiheit darf nicht von PR-Strategen staatlich geförderter Öko-Konzerne als Instrument des Marketing instrumentalisiert werden."

Als aufmerksamer Beobachter der Demonstration "Freiheit statt Angst" am 12.09.2010 in Berlin - aufgrund einer Terminüberschneidung konnte ich leider nicht vor Ort sein - habe ich festgestellt, dass ihre Partei, die FDP, auf dieser Demonstration erheblich vertreten war, unter Anderem mit einheitlich gekleideten Parteimitgliedern, einem oder mehreren Infoständen sowie Partei-Fahrzeugen. Desweiteren wurde diese Demonstration von Ihrer Parteil bewusst zur Wahlwerbung der bevorstehenden Bundestagswahl 2009 eingesetzt, z.B. in diesem auf der Online-Plattform veröffentlichten Video: http://www.youtube.com/watch?v=K4gjxrLqBsU

Es drängt sich die Frage auf, wie diese offensichtlich PR-motivierte Teilnahme ihrer Partei an der FSA-Demonstration im Einklang mit der oben zitierten Aussage steht.

Meine konkreten Fragen lauten daher:
1. Warum sind sie gegen eine Unterstützung von Demonstrationen durch externe Geldgeber?
2. Im konkreten Fall der erwähnten 2 Demos: Befinden sie die Teilnahme Ihrer Partei an der FSA-Demo genauso problematisch, weil PR-motiviert, wie die Unterstützung der Anti-Atom-Demo zur Ökostromanbieter?
3. Wie könnten Ihrer Meinung nach konkrete Änderungsvorschläge im Demonstrationstecht aussehen?

Mit freundlichen Grüßen

Johannes König

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Antwort von
FDP

Sehr geehrter Herr König,

vielen Dank für Ihre Frage.

Das Grundgesetz der Bundesrepublik Deutschland verankert das Demonstrationsrecht als persönliches Grundrecht aller Deutschen. Es ist das ureigene Recht von Menschen, aber nicht von juristischen Personen. Als die Verfassungsväter und -mütter den Artikel 8 (Versammlungsfreiheit) in den Kanon der unveräußerlichen Grundrechte aufnahmen, taten Sie es in der frischen Erinnerung an das nationalsozialistische Unrechtsregime. Mit großer Sicherheit konnte man sich damals aufwendige Demonstrationsevents nicht vorstellen. Heute werden teilweise Demonstrationen als Ereignisse mit Eventcharakter organisiert und manch ein Demonstrant weiß nur unvollkommen, weshalb demonstriert wird und wie die Begründungszusammenhänge sind. Es wächst ein ausgeprägter Demonstrationstourismus.

Die Finanzierung von Demonstrationen durch Unternehmen halte ich unter verschiedenen Gesichtspunkten für problematisch. Ich befürchte, dass unter dem Deckmantel einer politischen Meinungsäußerung wirtschaftliche Interessen verfolgt werden. Zunächst einmal und rein formal betrachtet sind juristische Personen wie Aktiengesellschaften, GmbHs und andere Gesellschaftsformen keine Grundrechtsträger. Sie haben kein Demonstrationsrecht. Das ist den Unternehmen sehr wohl bewusst.

Ist die Unterstützung eines Ökostromunternehmens für eine Demonstration, die gegen eine andere Form der Stromerzeugung demonstriert, wirklich eine politische Äußerung? Wird nicht vielmehr eine Demonstration gegen die Konkurrenz finanziert? Setzt sich dies fort, müssen wir dann nicht erwarten, dass ALDI und LIDL nicht nur mit günstigen Preisen für sich werben und gegenseitig Kunden abwerben, sondern auch noch Demonstrationen gegeneinander finanzieren? Werden nicht wirtschaftliche Interessen als politische Interessen ausgegeben? Hält sich gar eine PR-Abteilung eines Unternehmens eine Demonstration als privilegierte Veranstaltung?

Ich halte es nicht für problematisch, dass Parteimitglieder sich an der Demonstration beteiligt haben. Es hat nicht „die FDP“ teilgenommen, sondern Mitglieder, die sich als solche zu erkennen gegeben haben. Das gilt im Übrigen auch für die Mitarbeiter der SPD-Bundesgeschäftsstelle, die laut Meldung auf einer Website der Veranstalter „ihren Betriebsausflug“ in die Elbmarsch verlegt haben. Laut §1 des Parteiengesetzes sind Parteien „Vereinigungen von Bürgern, die dauernd oder für längere Zeit (...) auf die politische Willensbildung Einfluss nehmen und an der Vertretung des Volkes (...) mitwirken wollen (...).“ Was anders als „politische Willensbildung“ aber bezweckt eine Demonstration? Ich halte deshalb ganz grundsätzlich die Beteiligung von Parteien – egal ob mit roten Fahnen am 1. Mai, oder mit blau-gelben an anderen Tagen für vereinbar mit den ihnen vom Grundgesetz auferlegten Aufgaben. „Die Parteien wirken bei der politischen Willensbildung des Volkes mit“. So beschreibt das Grundgesetz ihre Hauptaufgabe der politischen Parteien in der Bundesrepublik.

Ich bin nicht der Auffassung, dass man bei jedem gesellschaftlichen Problem nach dem Gesetzgeber rufen sollte. Deshalb habe ich auch zu keinem Zeitpunkt eine Änderung des Demonstrationsrechtes gefordert. Ich gehe davon aus, dass die Zuwendungen der „Sponsoren“ aus dem versteuerten Gewinnen der Unternehmen erfolgten und so keine verdeckte steuerliche Subvention stattgefunden hat. Anderenfalls hätten Bürger, die die Kernkraft befürworten mit ihren Steuern eine Anti-AKW-Demonstration finanziert, wogegen ich mich verwahren würde. Mit meiner öffentlichen Kritik und deren Wiedergabe in zahlreichen Medien habe ich die Transparenz hergestellt, die ich mir wünsche, ohne Gesetzesänderung. Wenn das den einen oder anderen zum Nachdenken über Motive bewegt haben sollte, so war das durchaus gewollt.

Mit freundlichen Grüßen

Christel Happach-Kasan