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Christel Happach-Kasan
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Frage von Sven C. •

Frage an Christel Happach-Kasan von Sven C. bezüglich Wirtschaft

Sehr geehrte Christel Happach-kasan,

durch die von CDU und FDP geplante Laufzeitverlängerung der Atomkraftwerke werden viele Firmen die in umweltfreundliche Energieformen investiert haben ruiniert, da der Strompreis zugunsten der Atomenergie verzerrt wird.
Da viele dieser Firmen im Mittelstand angesiedelt sind, finde ich es besonders befremdlich, dass die FDP sich hier so kontraproduktiv engagiert.
Wie stehen sie dazu und wie würden/werden sie abstimmen, falls der Ausstieg aus dem Atomausstieg verschoben werden soll?

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Antwort von
FDP

Sehr geehrter Herr Cornils,

ich stimme Ihnen zu, dass unsere mittelständischen Unternehmen ein wichtiges Rückgrat unserer Wirtschaft sind. Ich kann nicht erkennen, dass eine Laufzeitverlängerung für Kernkraftwerke mittelständische Unternehmen, die in die erneuerbaren Energien investiert haben, in ihrer Existenz gefährden. Ich meine das Gegenteil trifft zu. Im Übrigen gilt es, für die gesamte mittelständische Wirtschaft und nicht nur für einen Sektor gute Rahmenbedingungen zu erhalten.

Der Primärenergieverbrauch in Deutschland beruht zu etwa 80% auf fossilen Energieträgern, 11% Kernenergie und 9% erneuerbaren Energien ( http://www.ag-energiebilanzen.de/viewpage.php?idpage=62 ). Es ist das Ziel der Bundesregierung, bis 2020 den Anteil der Erneuerbaren Energien auf 20% zu erhöhen und gleichzeitig die Kohlendioxidemissionen weiter zu senken. Im Koalitionsvertrag haben CDU/CSU und FDP vereinbart, die Kohlendioxidemissionen bis 2020 um 40% gegenüber 1990 zu senken. Das ist ein ambitioniertes Ziel. Gleichzeitig darf gerade im Interesse der mittelständischen Wirtschaft das Niveau der Energiekosten nicht weiter steigen. Beides zusammen kann nur erreicht werden, wenn die Nutzung fossiler Energieträger gesenkt und durch erneuerbare Energien ersetzt wird, der Anteil der Kernenergie aber beibehalten wird.

Bei der Stromproduktion wird unterschieden zwischen Grundlast, Mittellast und Spitzenlast. Als Grundlast wird diejenige Stromnachfrage bezeichnet, die im Tagesgang nicht unterschritten wird. Die Grundlast wird durch Kraftwerke gedeckt, die Strom zu niedrigen variablen Kosten erzeugen und die (meist) nur schwer zu regeln sind. In Deutschland sind dies derzeit vor allem Kernkraft- und Braunkohlekraftwerke und zu einem geringen Anteil auch Laufwasserkraftwerke an großen Flüssen. Eine Verminderung der Stromproduktion aus Kernenergie hat deren Ersatz durch Kraftwerke auf der Basis von fossilen Energieträgern zur Folge. Die fluktuierenden Stromquellen Wind- und Sonnenenergie können dafür nicht eingesetzt werden. Wenn der Wind nicht weht, die Sonne nicht scheint, muss Strom durch zusätzliche Kraftwerke bereit gestellt werden. Daraus wird deutlich, dass die Stromproduktion mit Kernkraftwerken den Einsatz erneuerbarer Energien in keiner Weise behindert. Das Klimaschutzziel der Minderung der Kohlendioxidemissionen kann ohne die weitere Nutzung der Kernenergie nicht erreicht werden.

Es ist im Gegenteil davon auszugehen, dass jede Abschaltung eines Kernkraftwerks den Bau eines neuen Kohlekraftwerks oder alternativ den Stromimport z. B. aus Kernkraftwerken in Frankreich oder auch in Osteuropa erforderlich macht.

Die Möglichkeiten, Strom zu speichern, sind sehr begrenzt. Strom, der produziert wird, muss möglichst sofort verbraucht werden. Wenn ich Fahrrad fahre, liefert der Dynamo Strom für die Beleuchtung. Sowie ich aufhöre, in die Pedale zu treten, ist es dunkel. Pumpspeicherwerke bieten in einigen Regionen Deutschlands eine Möglichkeit, Strom in Zeiten geringen Verbrauchs dafür zu nutzen, ein Speicherbecken mit Wasser zu füllen, das in Zeiten besonders hohen Strombedarfs geleert wird und dabei Turbinen antreibt, die Strom produzieren. Die Möglichkeiten dafür sind begrenzt, der Energieverlust ist hoch.

Da zurzeit keine praxistauglichen Speichertechnologien zur Verfügung stehen, kann der Strom aus fluktuierenden Stromquellen nur eingeschränkt genutzt werden. Die bisherigen Vorstellungen intelligenter Netze sowie des Ausbaus der Elektromobilität als Speicher für Strom aus fluktuierenden Stromquellen sind zurzeit noch nicht in die Praxis umsetzbar.

Das Erneuerbare Energiengesetz (EEG) regelt die Einspeisung des Stroms aus erneuerbaren Energien und bestimmt die Preise, die die Produzenten erhalten und die von den Stromkunden zu zahlen sind. Diese Regelungen gelten für 20 Jahre. Das bedeutet, dass es die von Ihnen befürchtete Konkurrenz zwischen dem kostengünstigen Strom aus Kernkraftwerken und dem deutlich teureren Strom aus erneuerbaren Energien nicht gibt.

Nach dem novellierten EEG wird ab 1. 7. 2010 der Erzeugerpreis von Strom aus erneuerbaren Energien zwischen 4,3 € Cent pro Kilowattstunde für Strom aus Wasserkraftwerken und 32,88 € Cent pro Kilowattstunde für Strom aus Photovoltaikanlagen (vor der Novellierung des EEG 43 € Cent) liegen. Den Erzeugerpreis in deutschen Kernkraftwerken gibt das Bundeswirtschaftsministerium für 2007 dagegen mit 2,65 € Cent/kWh an. Das macht deutlich, dass Strom aus Kernkraftwerken deutlich kostengünstiger ist als Strom aus erneuerbaren Energien. Dieser erhebliche Preisnachteil hat das Wachstum der Branche jedoch in keiner Weise behindert. Entscheidend für deren Erfolg ist vielmehr das EEG, das die Netzbetreiber verpflichtet, den Strom aus erneuerbaren Energien einzuspeisen, egal wie teuer er ist, und die Einspeisevergütung, die um ein Vielfaches über dem Wettbewerbspreis liegt. Im "Cleantech-Magazin" habe ich im Dezember des vergangenen Jahres meine Position zum Thema Solarstrom dargelegt: http://www.happach-kasan.de/?seite=search&newsid=1375 .

Ziel des EEG ist es durch die Verpflichtung der Einspeisung und die auf jeweils 20 Jahre festgelegte Einspeisevergütung die technologische Entwicklung der erneuerbaren Energien voranzutreiben. Durch die schrittweise Senkung der Einspeisevergütung sollen auch die Stromkunden am technologischen Fortschritt, den sie mitfinanziert haben, teilhaben können.

Wie eingangs erwähnt, teile ich ihre Auffassung zur Bedeutung des Mittelstandes in Deutschland. Als Bundestagsabgeordnete habe ich aber ich aber auch gesamtgesellschaftliche Interessen zu berücksichtigen. Europa ist in erheblichem Maße von Energieimporten abhängig. Ein Energiemix, der Strom aus Kernkraftwerken durch Importe ersetzt, würde diese Situation weiter verschärfen.

Weltweit steht man der Kernenergie wieder offener gegenüber. Italien plant, sein Kernkraftprogramm wieder anzufahren. Die schwedischen Pläne, die Kernkraft auslaufen zu lassen, sind hinfällig. 26 neue Kernkraftwerke wurden in den USA beantragt. Auch in Asien setzt man verstärkt auf Kernkraft. Zurzeit sind 436 Kernkraftwerke in 30 Ländern in Betrieb. Im Jahr 2008 ging zwar kein neuer Reaktor ans Netz, aber es wurde mit dem Bau von zehn Reaktoren begonnen. Allein ein Land in Europa hält neben Deutschland noch am Atomausstieg fest: Belgien. Allerdings hat man auch dort 2009 die Laufzeiten für die drei ältesten Reaktoren um 10 Jahre verlängert.

Mit freundlichen Grüßen
Christel Happach-Kasan