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Christel Happach-Kasan
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Frage von Marco S. •

Frage an Christel Happach-Kasan von Marco S. bezüglich Gesundheit

Sehr geehrte Frau Happach-Kasan,

In einer Meldung der Tagesschau ( http://www.tagesschau.de/inland/schulessen100.html ) warnen Sie vor einer Sondersteuer auf „vermeintlich“ ungesunde Lebensmittel.

1. Warum? Was befürchten Sie?
2. In der Meldung geht es um den auf 19% angehobenen Mehrwertsteuersatz auf Schulessen, während der Satz für fast food weiterhin bei 7% bleibt. Boris Palmer fordert ein umgekehrtes Verhältnis der Mehrwertsteuersätze. Meinen Sie mit „Sondersteuer“ den 19%igen Mehrwertsteuersatz für fast food?
3. Wenn der reguläre Mehrwertsteuersatz von 19% für Sie eine Sondersteuer darstellt, warum soll diese für Schulessen erhoben werden?
4. Die unterschiedlichen Mehrwertsteuersätze sollen doch der Marktregulierung dienen.(?) Soll damit nun der fast food-Konsum gefördert werden?

Gruß
Schmidt

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Antwort von
FDP

Sehr geehrter Herr Schmidt,

ich danke Ihnen für Ihre Fragen.

Das deutsche Steuerrecht gehört weltweit zu den kompliziertesten. Viele Regelungen sind deshalb nicht leicht nachzuvollziehen.

In der Berichterstattung zum Thema Schulverpflegung und Fast Food wurde einiges durcheinander geworfen. Deshalb bin ich froh, dass Sie mir die Möglichkeit geben, die Sachverhalte noch einmal detailliert darzustellen.

In Medienberichten wie dem von Ihnen verlinkten "Tagesschau"-Artikel wurde behauptet, dass Schulkantinen gegenüber Fast-Food-Restaurants steuerlich benachteiligt würden. Das ist nicht richtig.

Grundsätzlich gilt, bei Lebensmitteln, die zuhause also außerhalb eines Restaurants verzehrt werden, gilt der ermäßigte Mehrwertsteuersatz von 7 %, bei Lebensmitteln, die im Restaurant verzehrt werden der normale Mehrwertsteuersatz von 19%. Das bedeutet zum Beispiel, dass ein belegtes Brötchen, das am Kiosk gekauft und sonst wo verzehrt wird, einer Mehrwertsteuer von 7% unterliegt, wird es in der Sitzgruppe eines Bistro verzehrt, ist ein Mehrwertsteuersatz von 19% zu zahlen.

Allgemein heißt dies, dass auf Lebensmittel, die im Restaurant verzehrt werden, ob Edelgastronomie, Fast-Food-Restaurant oder eben auch Schulkantine, Essen im Krankenhaus oder im Seniorenheim ein Mehrwertsteuersatz von 19% erhoben wird. Dabei ist entscheidend, dass der reguläre Steuersatz immer dann erhoben wird, wenn mit dem Verkauf des Lebensmittels eine Dienstleistung verbunden ist, z.B. Tische und Stühle bereit gestellt werden, Geschirr gewaschen wird.

Es gibt dazu Urteile des Europäischen Gerichtshofs wie auch des Bundesfinanzhofs. Das Urteil des Bundesfinanzhofs vom 10. August 2006 stellt klar, dass diese Regelung auch für Schulessen gilt.

Unabhängig davon gibt es gleichwohl rechtliche Möglichkeiten, die Schulessen mit Hilfe des Steuerrechts preislich attraktiv zu gestalten. Diese Möglichkeit wird nach meiner Kenntnis von zahlreichen Einrichtungen, die Schüler verpflegen, auch genutzt.

Nach §4 Nr. 23 des Umsatzsteuergesetzes ist unter bestimmten Umständen die Gewährung von Beköstigung durch Einrichtungen umsatzsteuerfrei, wenn diese überwiegend Jugendliche für Erziehungs- und Ausbildungszwecke bei sich aufnehmen. Das gilt zum Beispiel für Landschulheime.

Diese Steuerbefreiung wird dann gewährt, wenn die Verpflegungsleistung vom Träger der Einrichtung erbracht wird. Das ist bei Landschulheimen immer der Fall. Wird eine Schulkantine entsprechend organisiert, erhält sie ebenfalls die Steuerbefreiung.

Zu Ihren Fragen im Detail:

Zu 1 und 2:

Unser Steuerrecht ist kompliziert genug. Ich möchte es eher vereinfachen als noch weitere komplizierte Regelungen einfügen. Wenn der Mehrwertsteuersatz für Lebensmittel entsprechend einer ideologischen Bewertung festgelegt wird, ist er völlig undurchschaubar. Die Steuerzahler haben jedoch Anspruch auf Transparenz. Deswegen habe ich mich gegen die Forderung der Grünen ausgesprochen, die unabhängig von der bestehenden Steuersystematik, wie ich sie oben erläutert habe, so genanntes „Fast Food“ generell mit 19% besteuern wollen, auch dann wenn der Verzehr außerhalb eines Restaurants nach jetziger Steuersystematik den ermäßigten Steuersatz von 7 % vorschreibt. Demnächst wird dann eine höhere Besteuerung für Matjes gefordert, weil der Fettgehalt hoch ist oder für Marmelade, weil der Zuckergehalt hoch ist. Dies halte ich für falsch.

Der Tübinger Oberbürgermeister Boris Palmer hat mit seiner Initiative gezeigt, dass er die Möglichkeiten des Steuerrechts, Schulessen von der Besteuerung zu befreien, wohl nicht kennt. Anders ist seine Einlassung nicht zu verstehen. Es gibt bereits Möglichkeiten des Steuerrechts, Schulessen preislich attraktiv anbieten zu können. Vielerorts werden sie genutzt.

Wie ich oben ausgeführt habe, gibt es keine Sonderregelung für so genanntes „Fast Food“ – weder in der einen noch in der anderen Richtung.

Zu 3 und 4:

Steuern dienen der Finanzierung des Staatshaushalts. Die unterschiedlichen Steuersätze auf Lebensmittel und Dienstleistungen sollen nicht der Marktregulierung dienen. Der ermäßigte Mehrwertsteuersatz wurde 1968 aus sozialen Gründen eingeführt. Lebensmittel, Kulturgüter und Personennahverkehr sollten auf diesem Weg steuerlich subventioniert werden.

Generell stößt die unterschiedliche Festsetzung der vollen und ermäßigten Steuersätze vielfach auf Unverständnis. Darüber ist oft berichtet worden. Mein Kollege, Dr. Volker Wissing, hat dies in einer Kleinen Anfrage in der letzten Legislaturperiode einmal deutlich herausgestellt. Es gibt sehr viele Ungereimtheiten. Sie spiegeln die Aktivitäten der verschiedenen Lobbygruppen wider. Inzwischen werden auch Bergbahnen und Skilifte geringer besteuert.

Die christlich-liberale Koalition hat sich vorgenommen, dies zu ändern.

Im christlich-liberalen Koalitionsvertrag heißt es hierzu:
"(…) gibt es Handlungsbedarf bei den ermäßigten Mehrwertsteuersätzen. Benachteiligungen gehören auf den Prüfstand. Aus diesem Grund wollen wir eine Kommission einsetzen, die sich mit der Systemumstellung bei der Umsatzsteuer sowie dem Katalog der ermäßigten Mehrwertsteuersätze befasst."

Mit freundlichen Grüßen
Christel Happach-Kasan