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Christel Happach-Kasan
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Frage von Bernd K. •

Frage an Christel Happach-Kasan von Bernd K. bezüglich Soziale Sicherung

Sehr geehrte Frau Dr. Happach- Kasan

Welche Meinung haben Sie persönlich zur Einrichtung von Pflegekammern in den Bundesländern? Unterstützt die FDP die Einrichtung von einer Pflegekammer in Schleswig/Holstein?

Einige Politiker und die Gesellschaft fordern zu Recht, Mitarbeiter in Betrieben und Firmen sollten von ihrer Arbeit leben können. Wie wollen Sie und die FDP Einfluß darauf nehmen, das z.B. speziell Pflegekräfte in der ambulanten Pflege verhältnismäßig wenig verdienen. Dieser relativ niedrige Verdienst resultiert aus der Möglichkeit der Refinanzierung durch die Verträge mit Pflegekassen, Krankenkassen und Sozialbehörden. Beispielhaft soll die Bezahlung von allen Krankenkassen für alle ambulanten Pflegedienste in Schleswig/Holstein für 1 Wundbehandlung stehen. Der Zeitaufwand kann unter Einhaltung des Expertenstandards: Behandlung von Patienten mit chronischen Wunden, durchaus bei 46 bis 60 Minuten liegen. Wundverbände dürfen in der Regel nur examinierte Krabkenschwestern-Krankenpfleger oder Altenpflegerinnen (er) durchführen. Für diese Wundbehandlung erhalten ambulante Pflegedienste eine Kostenerstattung von knapp unter 9,00 €. Damit ist eine faire Refinanzierung der Lohnkosten nicht sichergestellt.

Der Gesundheitsminister stammt aus der FDP. Ich hoffe und wünsche endlich den großen Wurf bei der Gesundheitsreform. Hier einige Gdanken dazu und wie ist ihre persönliche Meinung dazu:
- Abschaffung der Kassenärztlichen Vereinigung aus verschiedenen Gründen
- Einführung eines verpflichteten Case- Management in den Krankenhäusern (teilweise wie noch vor 20 Jahren nur mit Sozialarbeitern besetzt)
- Erleichterung der Einrichtungen von Netztwerken für die Behandlung von Patienten
- Abschaffung Preisdiktat für Medikamente der Pharmaindustrie in Deutschland
- Delegierung von ärztlichen Tätigkeiten per Gesetz exakt festlegen
- Anzahl der Medikamente rigoros beschränken ohne Rücksicht auf die Pharmaindustrie

Mit freundlichen Grüßen

Bernd Kavelmann

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Antwort von
FDP

Sehr geehrter Herr Kavelmann,

vielen Dank für Ihre Fragen zum Thema Gesundheitspolitik, die ich Ihnen gern der Reihe nach beantworte.

Pflegekammer

Eine Kammer ist eine berufsständische Selbstverwaltungsorganisation, die hoheitliche Aufgaben erfüllt. Die Rechtsform ist die einer Körperschaft des öffentlichen Rechts. Bei den Freien Berufen (Heilberufe, Berufe der Rechts- und Wirtschaftsberatung, etc.) gibt es seit Jahrzehnten Kammern. Die Diskussion zum Thema Pflegekammer ist in Deutschland relativ neu und noch nicht abgeschlossen. Mir sind die Anträge von SPD und Grünen im niedersächsischen Landtag aus dem Februar diesen Jahres zu dem Thema bekannt. Aus der Regierungszeit der beiden jetzigen Oppositionsparteien kenne ich dagegen keine derartigen Initiativen. Das Anliegen von Vertreterinnen und Vertretern der Pflegeberufe nach Einrichtung einer Pflegekammer sollte sorgfältig geprüft werden. Dabei sollte auch berücksichtigt werden, inwieweit sich gegebenenfalls Doppelmitgliedschaften ergeben. Es muss auch geprüft werden, ob dem Anliegen der Pflegenden nach größerer Anerkennung ihres Berufes durch Gründung einer Pflegekammer tatsächlich entsprochen wird. Es sollte im Übrigen das Rad nicht neu erfunden werden. Es gibt bereits Verbände, die die Interessen der Pflegenden vertreten wie den Deutschen Berufsverband für Pflegeberufe e. V. (DBfP) oder den Deutschen Pflegerat e. V..

Gesundheitsreform

In unserem Wahlprogramm auf den Seiten 18 – 23 haben wir die Grundzüge unserer liberalen Vorstellungen zur Gesundheitsreform vorgestellt:
http://www.deutschlandprogramm.de/files/653/Deutschlandprogramm09_Endfassung.PDF
Einen wesentlichen Teil dieser Vorstellungen konnten wir in den Koalitionsvertrag einbringen.

Wir teilen Ihre Auffassung, dass eine grundlegende Reform notwendig ist. Sicher verfolgen Sie die öffentliche Diskussion zu dem Thema, die deutlich macht, dass innerhalb der Koalition trotz Koalitionsvertrag noch nicht in allen Fragen Einigkeit erzielt werden konnte. Ich halte es für richtig, dass inzwischen eine gemeinsame Gesundheits-Kommission - leider gegen heftige Widerstände aus der CSU - gegründet wurde, die gerade ihre erste Sitzung beendet hat. Ergebnisse sind so schnell nicht zu erwarten.

Wichtigstes Thema ist es, die Finanzierbarkeit des Gesundheitssystems mittel- und langfristig zu gewährleisten. Gleichzeitig muss eine gute Versorgung der Bevölkerung sichergestellt werden.

Wir wollen, dass vom Grundsatz her jede Generation die von ihr verursachten Gesundheitskosten über die gesamte Lebenszeit selbst trägt. Das bedeutet, dass in den Lebenszeiten, in denen nur wenige Gesundheitsleistungen in Anspruch genommen werden, Rücklagen aufgebaut werden für die Zeit, in der mehr medizinische Versorgung benötigt wird. Davon sind wir zurzeit weit entfernt. Dies macht das Problem deutlich.

Bei der Gesundheitsreform muss berücksichtigt werden, dass ein weiteres Steigen der Lohnzusatzkosten erhebliche Auswirkungen auf die Bereitstellung von Arbeitsplätzen hat. Ein weiteres Steigen der Lohnzusatzkosten muss verhindert werden. Arbeit darf nicht noch teurer werden.

Kassenärztliche Vereinigung

Die Kassenärztlichen Vereinigungen sind Körperschaften des öffentlichen Rechts. Ihre Abschaffung ist nicht möglich, ohne zuvor festzulegen, von wem deren Aufgaben wahrgenommen werden sollen. Die Abschaffung von Kammern ist vergleichsweise schwierig, weil sie es in aller Regel verstanden haben, sich durch Übernahme hoheitlicher Leistungen unentbehrlich zu machen.

Case-Management

Das Fallmanagement (case-management) stammt aus der Sozialpolitik und findet zunehmend gerade bei der Rehabilitation Anwendung. Ziel ist es, einen Rehabilitationsplan zu erarbeiten, in dem die verschiedenen Behandlungsschritte von stationärer bis ambulanter Behandlung integriert sind. Die Fallsteuerung soll der Hausarzt übernehmen. Dabei sollen Mehrfachuntersuchungen vermeiden und eine Kosteneinsparung erzielt werden. Probleme ergeben sich vor allem daraus, dass zur wirkungsvollen Umsetzung von Fallsteuerungen zusätzliche Kapazitäten freigestellt werden müssten, dass die verschiedenen Systeme z.B. stationärer und ambulanter Therapie noch immer nicht ausreichend verknüpft sind und sich für den Betroffenen Schwierigkeiten ergeben, sobald verschiedene Kostenträger beteiligt sind. Weiterhin bleiben das soziale und berufliche Umfeld ausgeklammert und die Eigeninitiative und Aktivität des Hilfenehmers wird eher eingeschränkt als gefördert. Gleichwohl halte ich es für richtig, den Ansatz in die Überlegungen zur Gesundheitsreform einzubeziehen.

Arzneimittel

Nach Angaben des Gesundheitsministeriums haben im vergangenen Jahr die Ausgaben für Arzneimittel 32 Milliarden € betragen. Das sind 18% der Ausgaben der gesetzlichen Krankenkassen. Bundesgesundheitsminister Dr. Philipp Rösler will die Pharmaindustrie zum Sparen zwingen. Er will erreichen, dass die Hersteller durch Gesetz verpflichtet werden, Preisverhandlungen mit den Krankenkassen aufzunehmen. Außerdem sollen sie verpflichtet werden, über eine Studie den Zusatznutzen eines Medikaments für Patienten wissenschaftlich zu belegen. Dies ist ein sehr mutiger Vorschlag, bei dessen Durchsetzung Minister Rösler jede öffentliche Unterstützung braucht. Minister Rösler ist sich bewusst, dass eine solche Reform Augenmaß verlangt, damit die Innovationskraft der Branche nicht geschwächt wird.

Die Angaben auf der Internetseite des Bundesministeriums zeigen außerdem deutlich, dass der größte Kostenfaktor im Gesundheitswesen die Krankenhausbehandlungen sind. Sie betrugen im vergangenen Jahr über 56 Milliarden €. Das sind 32% und damit ein knappes Drittel der Ausgaben der gesetzlichen Krankenkassen. Auch dort müssen Kosteneinsparungen ansetzen.
http://www.bmg.bund.de/cln_160/nn_1168248/SharedDocs/Bilder/DE/Pressemitteilungen/2010/10-03-10-PM-KV-45-Tortendiagramm,property=poster.jpg

Die Zahl der Krankenhausbetten ist in Deutschland im Vergleich mit anderen Ländern vergleichbarer Wirtschaftskraft relativ hoch. Die Höhe der Fallpauschalen ist in den einzelnen Bundesländern unterschiedlich. Warum kostet eine Blinddarmoperation in Berlin mehr als in Schleswig-Holstein?

Ihre Forderung nach einer rigorosen Beschränkung der Anzahl von Medikamenten ist aus liberaler Sicht nicht vertretbar. Der geeignete Mechanismus, um den Wünschen und Bedürfnissen von Versicherten und Patienten einerseits und Arzneimittelherstellern (sowohl forschenden Arzneimittelherstellern als auch Herstellern von Generika) am besten gerecht zu werden, ist der faire Wettbewerb mit ganz klaren Spielregeln.

Delegierung ärztlicher Tätigkeit

Ich teile nicht Ihre Auffassung, dass die Delegierung ärztlicher Tätigkeit im Gesetz festgelegt werden sollte. Ob eine Änderung der Delegations- und Durchführungsverordnung angebracht ist, können nur Fachleute beurteilen. Ich halte eine Regelung in einer Verordnung, für die es selbstverständlich eine gesetzliche Legitimation geben muss, für angemessen, da deren Änderung in Anpassung an geänderte Verhältnisse im Bereich der Heilberufe auf diese Weise schneller möglich ist. Es ist nicht Aufgabe von Gesetzen, Detailbestimmungen, die sehr wohl notwendig sind und ihre Berechtigung haben, festzulegen. Das geschieht in Verordnungen.

Mit freundlichen Grüßen

Christel Happach-Kasan