Frage an Christel Happach-Kasan von Wolfgang H. bezüglich Wirtschaft
Sehr geehrte Frau Happach-Kasan,
Da ich noch nicht weiß, wem ich meine Erststimme gebe möchte ich Ihnen folgende Frage stellen:
In der heutigen Zeit , in der immer mehr Aufgaben von immer weniger Menschen ausgeführt werden, immer mehr Menschen in Zwangsmaßnahmen gesteckt werden( Hartz 4, Bedarfsgemeinschaften, Kontrollen, Generalverdacht ).
Andererseits könne neue Aufgaben , in denen der Initiative Mensch gefragt ist nicht mehr finanziert werden ( Erziehung , Bildung, Begleitung von Menschen in besonderen Lebenslagen) und gerde hier wird durch die damit verbundenen Missstände der Bürokratieaufwand immer mehr ausgeweitet ( Dokumentation).
Können wir als Gesellschaft nicht einen neuen Ansatz auf den Weg bringen , der im Moment mit dem Arbeitstitel: Bedingungsloses Grundeinkommen in immer mehr Gesellschaftsbereichen besprochen wird. Eine Idee die dem einzelnen Menschen Gestaltungsfreiräume gibt, und er nicht mehr abhängig ist von wohlwollendem Verhalten anderer (z.B. Behördenmitarbeiter, Fallmanager, Vorgesetzte)
Würden sie sich mit dieser Frage auseinandersetzen und sich aktiv für eine Umsetzung des Bedingungslosen Grundeinkommens einsetzen.
Mit freundlichen Grüßen
Wolfgang Heimann
Sehr geehrter Herr Heimann,
ich danke Ihnen für Ihre Frage zum bedingungslosen Grundeinkommen.
Das so genannte "bedingungslose Grundeinkommen" ist ein Konzept für eine staatliche Grundsicherung, die jedem Menschen ab 16 Jahren, unabhängig davon, ob er arbeitet oder nicht, ein individuelles, nicht an eine Bedürftigkeitsprüfung oder Arbeitsverpflichtung geknüpftes Grundeinkommen garantiert.
Die Frage nach der Finanzierung dieses Modells ist bisher weitgehend ungeklärt, ebenso die Vereinbarkeit mit dem EU-Recht.
Unabhängig davon lehne ich das Konzept des Grundeinkommens ab. Es suggeriert ein Schlaraffenland, das es nicht geben kann. Es gibt den Spruch: „Die Deutschen leben, um zu arbeiten, die Franzosen arbeiten, um zu leben.“ Der erste Teil hat einen wahren Kern. Gesellschaftliche Teilhabe ist in Deutschland mit der Beteiligung am Arbeitsleben verknüpft. Wenn der Staat die Botschaft ausgibt, dass die existentiellen Bedürfnisse werden vom Staat sichergestellt werden, ohne dass dies über eine Arbeitsleistung entgolten wird, wird dies dazu führen, dass Menschen, die arbeiten könnten, den bequemen Weg gehen und gleichzeitig ausgegrenzt werden. Die sozialen Folgen sind nicht vorhersehbar.
Ein solches Grundeinkommen ist ungerecht. Es wendet Steuermittel, die von arbeitenden Menschen erwirtschaftet werden, dafür auf, nicht arbeitenden Menschen ein Grundeinkommen zu finanzieren, unabhängig davon, ob sie bedürftig sind.
Ein solches Grundeinkommen widerspricht dem Gedanken der Eigenverantwortung, bürdet dem Gemeinwesen auf, Verantwortung für Menschen zu übernehmen, die für sich selbst sorgen könnten.
Das von der FDP entwickelte Liberale Bürgergeld ist besser. Wir haben als einzige Partei ein Konzept zur Kombination von Arbeitseinkommen und Sozialtransfer entwickelt:. Es ist unsere Lösung für ein einfaches, transparentes und gerechtes Sozialsystem.
Wir Liberale wollen beim Thema Existenzsicherung vorrangig drei Prinzipien beachtet wissen: Hilfe zur Selbsthilfe, Leistung und Solidarität. Nach dem Prinzip der Hilfe zur Selbsthilfe soll der Sozialstaat jedem Bürger die Chance sichern, so weit wie möglich aus eigener Kraft ein selbst bestimmtes Leben führen zu können. Nach dem Leistungsprinzip soll jeder Bürger die Chance bekommen, seine Lebenssituation eigenverantwortlich durch eigene Leistung zu verbessern. Nach dem Solidaritätsprinzip muss derjenige, der staatliche Leistungen in Anspruch nimmt, zu einer zumutbaren Gegenleistung an die Gesellschaft bereit sein. Um diese Prinzipien wieder in Kraft zu setzen, wollen wir Liberale das gesamte Sozialsystem modernisieren: Möglichst alle steuerfinanzierten sozialen Hilfen des Staates werden in einem Universaltransfer, dem Bürgergeld, zusammengeführt. In Deutschland gibt es über 100 verschiedene Sozialleistungen, die in Anspruch genommen werden können und die von über 40 verschiedenen staatlichen Stellen verwaltet werden. Dieser Behördendschungel ist intransparent und kostet viel Geld, er bevorteilt denjenigen, der es schafft, sich in diesem Bereich zurechtzufinden.
Das Bürgergeld soll mit der Einkommensteuer zu einem Steuer-Transfer-System aus einem Guss verbunden werden. Steuern und soziale Hilfen werden im Finanzamt miteinander verrechnet. Bürger mit höherem Einkommen zahlen Steuern an das Finanzamt, Bürger mit niedrigem oder gar keinem Einkommen bekommen das Bürgergeld als eine Negative Einkommensteuer ausbezahlt.
Es muss gewährleistet sein, dass jeder bedürftige Bürger durch das soziale Netz aufgefangen wird. Gleichzeitig gilt auch hier das liberale Leistungsprinzip: Jemand der arbeitet, sollte immer mehr in der Tasche haben, als jemand, der nicht arbeitet. Im Wahlkampf haben wir dies für die Wahlplakate auf eine einfache Formel reduziert: Arbeit soll sich lohnen. Leider müssen wir feststellen, dass sich derzeit in vielen Fällen die Aufnahme einer Arbeit und damit eines Hinzuverdienstes zu staatlichen Transferleistungen nicht lohnt, da von dem erzielten Einkommen nicht viel übrig bleibt.
Für den Bürger entsteht mit dem liberalen Bürgergeld ein einfaches, verständliches und dadurch gerechtes Sozialsystem. Die Anzahl der Ansprechpartner für die finanziellen Bedürfnisse der Bürger wird auf ein Minimum reduziert, Mehrfacherklärungen über Einkommens- und Vermögensverhältnisse gegenüber unterschiedlichen Ämtern entfallen. Im Bereich unterer und mittlerer Einkommen wird durch adäquate Hinzuverdienstmechanismen gewährleistet, dass ein gleitender und lohnender Übergang zu höher bezahlter Arbeit entsteht. Das Liberale Bürgergeld ist also so gestaltet, dass der Bürgergeldempfänger immer einen finanziellen Anreiz hat, nach höherem Einkommen zu streben. Das verhindert die so genannten “Mitnahmeeffekte” durch Arbeitgeber, die?in Versuchung kommen könnten, Löhne auf breiter Front zu senken und ihre Mitarbeiter zum Ausgleich auf ihren Bürgergeldanspruch zu verweisen.
Durch das Bürgergeld wird ausgeschlossen, dass staatliche Hilfen zu Unrecht mehrfach in Anspruch genommen werden können. Hilfe bekommen nicht mehr diejenigen, die sich im Sozialdickicht am besten auskennen, sondern diejenigen, die Hilfe wirklich brauchen. Das Bürgergeld schützt so die Bedürftigen vor den Findigen und ist somit auch gerecht. Der Auszahlung des Bürgergeldes wird eine Bedürftigkeitsprüfung vorangestellt: Unterstützt werden nur diejenigen, die nicht oder nur teilweise in der Lage sind, das durch das Bundesverfassungsgericht beschriebene soziokulturelle Existenzminimum aus eigener Kraft zu erwirtschaften.
Ich denke, dass unser Konzept sowohl für eine Grundsicherung der Existenz, als auch für eine Belebung des Arbeitsmarktes sorgen wird und dies einen erhöhten Arbeitsanreiz auslösen wird, weil die Bürgerinnen und Bürger im Bereich der Geringverdiener stärker als bisher von dem hinzuverdienten Einkommen profitieren.
Mit freundlichen Grüßen
Christel Happach-Kasan