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Christel Happach-Kasan
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Frage von Friedhelm C. •

Frage an Christel Happach-Kasan von Friedhelm C. bezüglich Umwelt

Sehr geehrte Frau Happach-Kasan,

ich habe eine Frage an Sie als stellvertretendes Mitglied im Ausschuss Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit:

Die schwarz-gelbe Regierung soll in den 80er Jahren Gorleben-Risiken vertuscht haben ...
Was sagen Sie als FDP-Mitglied und Biologin dazu, wie stellen Sie sich Konsequenzen vor?

Danke
Friedhelm Clausen

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Antwort von
FDP

Sehr geehrter Herr Clausen,

so wie Sie, war auch ich verstört über Meldungen, die frühere Kohl-Regierung habe Unterlagen zum geplanten Endlager Gorleben manipuliert oder Druck auf Gutachter ausgeübt. Diesen Eindruck vermittelte Bundesumweltminister Gabriel in den vergangenen 10 Tagen.

Eine nähere Untersuchung der Vorwürfe kommt jedoch zu erstaunlichen Ergebnissen:

Der Vorwurf der politischen Einflussnahme betrifft die Frage, ob es 1982 Erkenntnisse aus der Wissenschaft gab, die damals von vorn herein eine Untersuchung des Salzstocks in Gorleben als wenig aussichtsreich erscheinen ließen. In diesem Fall wären die aufgewandten Mittel und die Zeit für die Untersuchungen von vorn herein verloren gewesen. In der Tat gab es eine solche Bewertung durch den Kieler Prof. Dr. Klaus Duphorn. Die Entscheidung, der Einzelmeinung dieses Gutachters nicht zu folgen, wurde von einem Parteifreund von Herrn Gabriel getroffen, von Andreas von Bülow (SPD), Minister für Forschung und Technologie bis Oktober 1982. Dessen Nachfolger Heinz Riesenhuber (CDU) lies dann den Gutachtervertrag von Prof. Duphorn zum Jahresende auslaufen.

Ihre Frage nach der „Vertuschung“ betrifft also eine Entscheidung von SPD-Minister Andreas von Bülow. Dieser hat entschieden, eine gutachterliche Einzelmeinung zu Gorleben nicht zu berücksichtigen. Die nachfolgende schwarz-gelbe Regierung hat sich dieser Entscheidung angeschlossen.

Die im letzten Herbst vom Bundeswirtschaftsministerium veröffentlichte Schrift: „Endlagerung hochradioaktiver Abfälle in Deutschland – das Endlagerprojekt Gorleben“ gibt einen guten Überblick über die Vorgeschichte von Gorleben. Es wird deutlich, dass sich die bis zum Herbst 1982 regierende sozialliberale Koalition genauso wie die schwarz-gelbe Nachfolgerregierung ihrer Verantwortung für die Endlagerung radioaktiver Abfälle sehr bewusst war und die erforderlichen Maßnahmen ergriffen hat, um die Errichtung eines Endlagers an einem geeigneten Standort vorzubereiten.

http://www.bmwi.de/BMWi/Redaktion/PDF/Publikationen/endlagerung-hochradioaktiver-abfaelle-endlagerprojekt-gorleben,property=pdf,bereich=bmwi,sprache=de,rwb=true.pdf

Die bis zum Erlass des Erkundungsmoratoriums durchgeführten Untersuchungen, siehe link auf die Internetseite des BMWI, haben keine Ergebnisse gebracht, die einer Eignung des Salzstocks in Gorleben als Endlagerstandort widersprechen. Somit sind die theoretischen Bewertungen der Eignung des Salzstocks von Prof. Duphorn inzwischen durch zahlreiche, konkrete Untersuchungen am Salzstock selbst widerlegt.

Die Tatsache, dass beide Bundesregierungen - die sozialliberale wie auch die schwarz-gelbe Nachfolgerregierung - entgegen der Meinung von Prof. Duphorn entschieden haben, ist seit mehr als einem viertel Jahrhundert bekannt. Entsprechende Unterlagen befinden sich im „Gorleben-Archiv“ der Bürgerinitiative „Umweltschutz Lüchow-Dannenberg“. Die Vorgänge damals waren nicht geheim, Minister von Bülow hatte hierzu sogar am 15. 07. 1982 eine Presseerklärung herausgegeben.

Somit wirft die FAZ zu Recht Gabriel vor, er versuche „aus einem Phantom- einen Atomwahlkampf zu machen“. Dass er dabei einen eigenen Parteifreund auflaufen lässt, verdeutlicht für mich, dass er auf der verzweifelten Suche nach Themen auf eine Kampagne aufgesprungen ist, ohne sich vorher sachkundig zu machen.

Gorleben ist das wahrscheinlich am besten untersuchte potenzielle Endlager der Welt.

Die bisher getätigten Untersuchungen sind der oben genannten Schrift des BMWi zu entnehmen.

Im Oktober 2000 entschied die rot-grüne Bundesregierung, die Erkundung des Salzstocks zu beenden und ein Erkundungsmoratorium durchzuführen, das seither andauert. Einen Erkenntnisgewinn hat das Moratorium nicht erbracht. Seither kostet der Offenhaltungsbetrieb pro Jahr 20 Mio. €. Die Koalitionen mit der FDP haben die Lösung der Endlagerfrage vorangetrieben, rot-grün wollte das Problem der Endlagerung der radioaktiven Abfälle aussitzen, schwarz-rot hat offensichtlich nicht die Kraft gefunden, das Moratorium zu beenden. Ein beschämendes Fazit der letzten 11 Jahre Politik.

Die Hauptergebnisse der bisherigen Erkundungsarbeiten im Salzstock Gorleben möchte ich hier wie folgt kurz zusammenfassen:

- Der Zentralteil des Salzstocks besteht größtenteils aus reinen und weitgehend lösungsfreien Steinsalzschichten, die für die Endlagerung besonders gut geeignet sind.
- Die Ausdehnung der für die Einlagerung der radioaktiven Abfälle vorgesehenen Steinsalzschichten ist im Erkundungsbereich 1 des Salzstocks Gorleben größer als aufgrund der übertägigen Erkundung prognostiziert.
- Über den geplanten Einlagerungsbereichen erstreckt sich eine ca. 600m mächtige dichte Salzbarriere bis zum Deckgebirge.
- Die Annahme, dass Steinsalz seine Funktion als Barriere erfüllen kann, hat sich bestätigt.
- Es bestehen keine hydraulischen Verbindungen zwischen den Gesteinen im geplanten Einlagerungsbereich und den Grundwasserleitern im Deckgebirge.
- Die ermittelten Kriechraten im Hauptsalz (Konvergenzraten) lassen einen dichten Einschluss der radioaktiven Abfälle erwarten.
- Insgesamt haben sich bis heute keine Befunde ergeben, die gegen eine Eignung des Salzstockes Gorleben für die Einrichtung eines Endlagers sprechen.

Helmut Röthemeyer, als zuständiger Abteilungsleiter der Physikalisch-technischen Bundesanstalt, der in den 80er Jahren für eine ergänzende Betrachtung alternativer Standorte war, wird im SPIEGEL-Artikel (38/2009, Seite 26) mit der Aussage zitiert, inzwischen hätten die Untersuchungen unter Tage seine Bedenken ausgeräumt. Ein weiterer ehemaliger Gorleben-Kritiker, der Geologe Günter Herrmann, der 1983 noch eine Erkundung mehrerer Standorte gefordert habe, sehe dies laut SPIEGEL (a.a.O.) ähnlich.

International gibt es meines Wissens nach bislang kein fertig gestelltes Endlager für hochradioaktive Abfälle. In verschiedenen Ländern gibt es Planungen für verschiedene Wirtsgesteine (je nach geografischem Vorkommen und unterschiedlichem Stand der Forschungen). In Finnland, Schweden, Russland Japan und der Tschechischen Republik werden derzeit Lagerstandorte in Granitgestein untersucht. In Belgien, Frankreich, Japan und der Schweiz laufen erfolgversprechende Erprobungen im Tongestein. Die USA und Deutschland weisen beste Voraussetzung für die Endlagerung in Salzgesteinen auf.

In der sozialliberalen Koalition förderte die SPD die Kernkraft. Vor allem aber machte sie deutlich, dass ein Endlager erforderlich ist. Die SPD 2009 läuft vor dieser Verantwortung davon. Betrachtet man die Gesamtlaufzeit der Kernkraftwerke und das Volumen der ebenfalls endzulagernden abgeschalteten Altkraftwerke, dann existiert bereits 90% allen endzulagernden Abfalls schon heute. Die Antwort des rot-grünen Lagers: Moratorium, d.h.: Die Probleme sollen ausgesessen werden.

In der Schrift des BMWi heißt es (S. 43): „Zusammenfassend ist festzustellen, dass die Endlagerfrage technisch gelöst ist. Die Politik muss nunmehr eine Entscheidung treffen, um dem Stillstand bei der konstruktiven Lösung der Endlagerung der HAW-Abfälle ein Ende zu bereiten.“

Sie haben mich als Wissenschaftlerin gefragt, was ich tun würde. Als Biologin habe ich kein Spezialwissen über die geologische Eignung von Salzstöcken für die Endlagerung. Ich halte es für politisch unabweisbar, die Untersuchungen in Gorleben wieder aufzunehmen und ergebnisoffen zu Ende zu führen. Es darf nicht sein, dass wir politische Probleme Jahrzehnte vor uns herschieben. Bei einer Weitererkundung Gorlebens könnte, sofern die weiteren Erkundungen die bisherigen Ergebnisse bestätigen, ein Endlager für hochradioaktive Abfälle ab 2035 in Betrieb genommen werden. Bei der sofortigen Einleitung einer neuen Standortsuche, das ist die Forderung von Gabriel, kann eine Fertigstellung nicht vor 2050 realisiert werden.

Minister Gabriel redet von Nachhaltigkeit und behindert zugleich eine nachhaltige Lösung. Das Atomgesetz verpflichtet den Staat für ein Atomendlager zu sorgen. Nicht fachliche, sondern politisch-taktische Erwägungen haben bisher verhindert, dass Gorleben zu Ende erkundet wird.

Mit freundlichen Grüßen
Christel Happach-Kasan