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Christel Happach-Kasan
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Frage von Kaj M. •

Frage an Christel Happach-Kasan von Kaj M. bezüglich Verbraucherschutz

Sehr geehrte Frau Happach-Kasan,

vielen Dank für Ihre ausführlichen und umfangreichen Erläuterungen. Ich wäre sehr an Ihren Quellen interessiert, insbesondere an der für die Information, dass gentechnisch verändertes Soja-Saatgut den Landwirten einen Kostenvorteil von 40 US $ pro Hektar biete, denn ich würde gerne wissen, ob es sich dabei um einen Durchschnittswert handelt und ob dieser Vorteil auch nach mehreren Jahren noch erwirtschaftet werden kann. Aber ich wäre sehr dankbar, wenn Sie mir auch ihre anderen Quellen nennen könnten.

Erlauben Sie mir aber eine Rückfrage:
Ich erkenne, dass für jedes Saatgut unterschiedliche Aspekte eine Rolle spielen, ob es sich in Deutschland auskreuzen kann oder nicht und dass die Entscheidungen für oder gegen eine Freigabe daher für jede Sorte einzeln gefällt werden müssen.

Aus den von Ihnen dargestellten Zusammenhängen schließe ich, dass es bei Getreide wie Weizen größere Chancen geben könnte, dass sich eine gentechnisch veränderte Art ausbreitet.

Meine Frage:
- Sehe ich das richtig und wenn ja, gibt es in der FDP bereits Festlegungen, wie bei etwaigen Einfuhrversuchen von gentechnisch verändertem Weizen vorgegangen werden soll?

Vielen Dank für eine kurze Information dazu.

Mit freundlichen Grüßen,
Kaj Mertens-Stickel

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Antwort von
FDP

Sehr geehrter Herr Mertens-Stickel,

ich freue mich über Ihre Nachfrage.

Aus meinen Ausführungen geht nicht hervor und es trifft auch nicht zu, dass es bei Weizen „größere Chancen“ gibt, dass eine gentechnisch veränderte Sorte sich ausbreitet.

Wie ich bereits in meiner letzten Antwort auf eine Ihrer Fragen ausgeführt habe, haben wir in der Natur Probleme mit der Ausbreitung von Wildpflanzen, die auf irgendeinem Weg nach Deutschland eingeführt wurden. Dazu gehört die beifußblättrige Ambrosie, die über Vogelfutter eingeführt wurde und gegen die viele Menschen allergisch sind, die Herkulesstaude, die aus Gärten verwildert ist und an Flussläufen vorkommt, aber auch die Goldrute, die ebenfalls aus Gärten stammt. Das Umweltbundesamt hat eine umfangreiche Zusammenstellung der Neophyten erarbeitet, die in Deutschland Probleme bereiten und eine Kostenschätzung vorgenommen. Wir haben jedoch keine Probleme mit der ungewollten Ausbreitung von Kulturpflanzen, obwohl sie teilweise auf mehreren Millionen Hektar angebaut werden. Kulturpflanzen, die alle züchterisch bearbeitet wurden, sind auf die Pflege durch den Landwirt angewiesen, Wildpflanzen nicht. Ihre Edelrosen vor dem Haus werden Sie nicht nach ein paar Jahren am Wegesrand wieder finden. Die Rosen brauchen Ihre Pflege.

Weizen ist ein so genannter Selbstbefruchter. Das heißt, innerhalb der noch geschlossenen Blüte befruchtet sich der Weizen mit dem eigenen Pollen. Das Auskreuzen ist somit ein sehr seltenes Ereignis. Der Ursprungsweizen stammt aus dem vorderen Orient, der Region des fruchtbaren Halbmondes. Weizen hat in der Wildflora in Deutschland keine heimischen Kreuzungspartner.

In der Genbank des Leibnitz-Instituts für Pflanzengenetik und Kulturpflanzenforschung in Gatersleben werden etwa 150.000 Muster von 3.000 Pflanzenarten aufbewahrt, darunter auch verschiedene Weizensorten. Diese Sorten müssen regelmäßig vermehrt werden, da die Samen nicht ewig ihre Keimfähigkeit behalten. Auch nach 20 Vermehrungsschritten zeigte der dort vermehrte Weizen keine Unterschiede zu dem Ausgangsmaterial. Dies ist eine weitere indirekte Bestätigung, dass die Auskreuzung ein seltenes Ereignis ist. Eine Auskreuzung kann sicher vermieden werden (http://www.biosicherheit.de/de/aktuell/559.doku.html ).

Bei der Ernte fallen immer einige Weizenkörner auf den Boden. Der Durchwuchs von Weizen ist bei guter fachlicher Praxis kein Problem. Wenn nach Weizen (Weizen gehört wie alle Getreidearten zu der Gruppe der einkeimblättrigen Pflanzen, sog. Monokotyledonen) zweikeimblättrige Pflanzen (Dikotyledonen) angebaut werden (z. B. Raps oder Zuckerrüben), kann der Durchwuchs des vorjährigen Weizen mit spezifisch auf Monokotyledonen wirkenden Herbiziden leicht bekämpft werden. Es gibt Herbizide, die nur auf einkeimblättrige Pflanzen wirken, sowie solche, die nur auf zweikeimblättrige Pflanzen wirken.

Weizen behält bei richtiger Lagerung sehr lange seine Keimfähigkeit, nicht jedoch im Boden. Auch wenn Weizen nicht so auffällig ist wie Raps, er ist höher und würde in der Natur auffallen. Eine Ausbreitung von Weizen in die Natur findet nicht statt. Das wäre mit transgenem Weizen nicht grundsätzlich anders.

Nach Mais und Reis ist weltweit gesehen Weizen die drittwichtigste Getreideart. Daher gibt es viele züchterische Anstrengungen, die Eigenschaften von Weizen als Nahrungs- und als Futtermittel zu verbessern. Während um 1800 7 dt (700 kg) pro Hektar geerntet wurden, werden auf guten Standorten heute bis zu 110 dt (11.000 kg) pro Hektar geerntet.

In der Weizenzüchtung werden heute neben der Steigerung der Erträge folgende Ziele verfolgt:
Trockenheitsresistenz: um Weizenanbau auch in trockeneren Regionen zu ermöglichen, dem Klimawandel entgegenzuwirken;
Erhöhung des Proteingehalts: Ein erhöhter Proteingehalt in Weizen könnte dem Eiweißmangel in Nahrungs- und Futtermitteln entgegenwirken;
Pilzresistenz: zur Ertragssicherung und um die Belastung der Ernte mit hochgiftigen Pilzgiften (Mykotoxinen) zu vermeiden. Unter bestimmten Witterungsbedingungen kommt es regelmäßig zu Pilzbefall bei Weizen, der die Verwertung der Ernte als Nahrungs- oder Futtermittel unmöglich macht (http://dip21.bundestag.de/dip21/btd/16/072/1607277.pdf).

Zum Erreichen der oben genannten Zuchtziele bietet die biotechnologische Pflanzenzüchtung Vorteile. Unabhängig davon, mit welcher Methode die Ziele erreicht werden, das Verhalten solcher Sorten im Freiland müsste vor der Zulassung in Freisetzungsversuchen überprüft werden.

Es gibt zurzeit keine in der EU für den Anbau oder den Import zugelassene transgene Weizensorten. Gegebenenfalls erforderlich werdende Regulierungen entscheiden sich an den konkreten Eigenschaften der zugelassenen Sorten. Sie wären Teil der Zulassung.

Transgene Sorten haben verschiedene Vorteile für die Natur, z. B. geringerer Einsatz von Pflanzenschutzmitteln, insbesondere für Bt-Sorten nachgewiesen, für die Verbraucherinnen und Verbraucher durch geringeren Gehalt an Pilzgiften, ebenfalls für Bt-Sorten nachgewiesen sowie Kostenvorteile für die Landwirte. Dazu gibt es umfangreiche Untersuchungen.

Die Kostenvorteile des Anbaus transgener Sorten sind zunächst einmal sehr plausibel. Anders ließe sich nämlich nicht erklären, dass sich in jedem Jahr mehr Landwirte in Nord- und Südamerika sowie in Asien für den Anbau transgener Sorten entscheiden. Bei der Sojabohne ist weltweit seit 1996 ein Anteil von 70% erreicht worden. Die gv-Zuckerrübe hat in den USA bereits im dritten Anbaujahr einen Anteil von 90% erreicht. Besonders auffällig ist die Steigerung des Anbaus von Bt-Baumwolle in Indien. Die Studie des IFPRI (International Food Policy Research Institute) zeigt auf, dass mit dem Anbau von Bt-Baumwolle in Indien der Pflanzenschutzmitteleinsatz halbiert werden konnte, die Zahl der Landwirte, die sich selbst getötet haben, gemindert wurde (http://www.ifpri.cgiar.org/publication/bt-cotton-and-farmer-suicides-india ).

Aus Informationen des Bundesverbandes der Pflanzenzüchter geht hervor, dass der Mehrertrag von gv-Zuckerrüben (Herbizidtoleranz) pro Jahr bei 350 US$ pro Jahr liegt (Quelle: „Zuckerrübe“ 4/2009, 58. Jahrgang, S. 208). Langfristige Untersuchungen gibt es in diesem Fall nicht, da gv-Zuckerrüben erst seit zwei Jahren im Anbau sind.

Die Umweltvorteile und die Kostenvorteile für indische Bauern sind in der oben zitierten IFPRI-Studie aufgeführt. Weitere Informationen zu den Kostenvorteilen gibt es bei Graham Brooke, allerdings nur in Englisch und sehr summarisch. Er bearbeitet den Zeitraum 1996 bis 2007. (http://www.pgeconomics.co.uk/pdf/2009globalimpactstudy.pdf). Prof. Matin Qaim, Lehrstuhl für Welternährungswirtschaft und Rurale Entwicklung der Universität Göttingen (http://www.uni-goettingen.de/de/73919.html) hat sich in zahlreichen Veröffentlichungen mit den Kostenvorteilen des Anbaus transgener Sorten insbesondere in Schwellenländern beschäftigt. Auf der Seite der Uni Göttingen werden zahlreiche Veröffentlichungen genannt.

Die Kostenvorteile der gentechnisch veränderten Sorten ergeben sich bei Bt-Sorten insbesondere aus dem verringerten Einsatz von Pflanzenschutzmitteln sowie einer besseren Erntequalität. Bei herbizidtoleranten Sorten führen die Möglichkeit der pfluglosen Bodenbearbeitung sowie die geringere Anzahl der Ausbringungen von Pflanzenschutzmitteln zu Einsparungen an Diesel und damit an Kosten. Die Kosteneinsparungen sind somit gleichzeitig ein Maß für die geringere Belastung der Umwelt durch den Anbau gentechnisch veränderter Sorten.

Insgesamt wird deutlich, dass der politisch erzwungene Verzicht auf den Anbau transgener Pflanzen in Europa für unsere Landwirte Kostennachteile hat und damit ein Wettbewerbsnachteil gegenüber Landwirten in außereuropäischen Ländern ist. Der Versuch über die Nachfrage, den nach Europa exportierenden Ländern die europäische Sicht aufzuzwingen, war bis jetzt weitgehend erfolglos. Die erhöhten Kosten, die sich daraus ergeben, dass geringfügige Beimengungen von in Europa noch nicht zugelassenen Sorten, dazu führen, dass solche Importe wieder zurückgeschickt werden, haben die Verbraucherinnen und Verbraucher in Europa zu tragen. Diesen Kosten steht kein Vorteil gegenüber. Deswegen fordert die FDP seit langem, dass die bisher geltende so genannte Nulltoleranz ersetzt wird durch einen technischen Grenzwert, wie er bereits in der Schweiz eingeführt wurde. Wir fordern ebenfalls Saatgutschwellenwerte (http://www.happach-kasan.de).

Die Bundesregierung handelt unverantwortlich. Sie verbietet den Anbau von MON810, obwohl die Gesundheit der gefütterten Tiere und die Natur nicht gefährdet werden, sie tut nichts gegen Beimischungen giftiger Kreuzkräuter in Salaten (http://www.happach-kasan.de/?seite=news&katid=5&newsid=1310), obwohl die Gesundheit von Menschen dadurch konkret gefährdet wird, sie tut nichts gegen Analogkäse und Schinkenimitate, obwohl die Verbraucherinnen und Verbraucher damit getäuscht werden.

Mit freundlichen Grüßen
Christel Happach-Kasan