Frage an Christa Klaß von Brigitte N. bezüglich Verbraucherschutz
Sehr geehrte Frau Klass,
ich bitte höflich um Auskunft zu meinen folgenden Fragen:
1. Stimmt es, dass als "externer Berater" der EFSA (Europäische Behörde für Lebensmittelsicherheit) Andrew Cockburn, ein ehemaliger wissenschaftlicher Direktor von Monsanto fungiert?
2. Stimmt es, dass die EFSA bei der Beurteilung von GenMais den Wortlaut von Monsanto fast eins zu eins übernommen hat?
3. Stimmt es, dass keine Langzeitstudien (730-Tage-Tests) bei GenMais -obwohl vorgeschrieben - gemacht wurden?
4. Stimmt es, dass es keine Abschätzung von kumulativen, toxischen Wirkungen gibt?
5. Stimmt es, dass die EFSA-GMO-Panel-Mitglieder Buhk und Bartsch in einem Werbevideo der Gentechnikindustrie für 6 Konzerne auftraten?
Vielen Dank im Voraus für Ihre Antworten,
mit freundlichen Grüssen
Brigitte Neveling
Sehr geehrte Frau Neveling,
danke für Ihre Mail und Ihre Fragen.
Die Europäische Behörde für Lebensmittelsicherheit in Parma wurde von der Europäischen Union installiert, um als unabhängige wissenschaftliche Behörde die Lebensmittelsicherheit in der Union sicherzustellen. Die EFSA arbeitet mit einem großen Stab an Fachleuten und Wissenschaftlern in Europa und weltweit.
Das Europäische Parlament nimmt Einfluss auf die Bestellung der Direktoren und auf das Arbeitsprogramm. Viele Fragen zur Lebensmittelsicherheit werden vom Parlament an die EFSA zur unabhängigen Bearbeitung übertragen. Das wissenschaftliche Komitee ist breit und weit gefasst und wird auch je nach Aufgabe und Fragestellung anders zusammengesetzt. Aus diesem Grund haben wir als Abgeordnete keine Informationen über die einzelnen Wissenschaftler und Berater. Ich habe nun Kontakt zur EFSA aufgenommen, um Näheres zu erfahren. Sobald eine Antwort vorliegt, werde ich Sie darüber informieren.
Mit freundlichen Grüßen
Christa Klaß
Sehr geehrte Frau Neveling,
wie in meiner Antwort vom 31. März angekündigt habe ich Kontakt zur EFSA aufgenommen und um eine Stellungnahme zu Ihren Fragen gebeten. Diese liegt nun vor.
Mit freundlichen Grüßen
Christa Klaß
1. Trifft es zu, dass Herr Andrew Cockburn, ein ehemaliger wissenschaftlicher Direktor bei Monsanto, als externer Berater für die EFSA (Europäische Behörde für Lebensmittelsicherheit) tätig war?
Die EFSA hat im Jahr 2006 im Rahmen eines durch sein GMO-Gremium in Eigeninitiative (sog. "self tasking") durchgeführten Projektes zu Tierfütterungsversuchen eine Arbeitsgruppe gebildet, von der Herr Andrew Cockburn aufgrund seiner besonderen Fachkenntnisse auf diesem Gebiet eingeladen wurde, einen Beitrag als "eingeladener Sachverständiger" (sog. "invited expert") zu leisten. Als eingeladener Sachverständiger hat Herr Cockburn der Arbeitsgruppe Informationen für das mögliche Durchführen einer Risikobewertung der Sachverständigen des GMO-Gremiums zur Verfügung gestellt, damit diese mit ihren Arbeiten an einem Bericht über Tierfütterungsversuche fortfahren konnten. Es sollte beachtet werden, dass Herr Cockburn in keine Risikobewertungstätigkeit in Bezug auf GMO-Zulassungsanträge eingebunden war.
Die Arbeitsgruppe "Tierfütterungsversuche" hat ihre Arbeiten im Jahr 2007 abgeschlossen. Zurzeit ist Herr Cockburn in keine Tätigkeit des GMO-Gremiums der EFSA involviert.
Um die internen Vorschriften betreffend die unabhängige Ausübung von Tätigkeiten für die EFSA weiter zu verstärken, hat der Verwaltungsrat der EFSA im September 2007 neue Bestimmungen betreffend Interessenerklärungen ("EFSA Policy on Declaration of interests") in Kraft gesetzt.
http://www.efsa.europa.eu/cs/BlobServer/General/mb_policy_doi_en,0.pdf?ssbinary=true
Jeder Wissenschaftler, der an einer EFSA-Sitzung - sei es eine Sitzung eines Wissenschaftlichen Gremiums (einschließlich des Wissenschaftlichen Ausschusses) oder die Sitzung einer Arbeitsgruppe - teilnimmt, ist dazu verpflichtet, jährlich eine schriftliche Interessenerklärung einzureichen.
Zusätzlich zu dieser schriftlichen Erklärung und unbeschadet der verpflichtend mündlich zu Protokoll abzugebenden Interessenerklärungen (Erklärungen über das Nichtbestehen von möglichen oder tatsächlichen Interessenkonflikten) zu Beginn jeder der genannten Sitzungen sind alle Sachverständigen der EFSA dazu verpflichtet, in schriftlicher Form jegliches spezifisches Interesse zu erklären, das als Hindernis für ihre Teilnahme an der Diskussion über ein konkretes auf der Tagesordnung stehendes Thema in Betracht zu ziehen sein könnte.
Wenn ein Interessenkonflikt festgestellt wird, wird dies im Sitzungsprotokoll festgehalten und die EFSA ergreift diejenigen Maßnahmen, die für einen solchen Fall in den Verfahrensregeln zur Handhabung von Interessenkonflikten vorgesehen sind.
Um größtmögliche Transparenz zu gewährleisten, werden sämtliche der auf diese Weise vorgebrachten bzw. erklärten "Interessen" in die jeweiligen Sitzungsprotokolle des Wissenschaftlichen Ausschusses, der Wissenschaftlichen Gremien und der Arbeitsgruppen aufgenommen.
2. Trifft es zu, dass die EFSA nahezu wortwörtlich die Formulierung der Firma Monsanto in ihrem Gutachten zu Genmais übernommen hat?
Die im Rahmen der Risikobewertung von der EFSA erstellten Gutachten sind Texte, die von unabhängigen Sachverständigen abgefasst werden. Diese Gutachten sind zum einen das Ergebnis einer umfassenden Überprüfung der Korrektheit und Begründetheit der in den von den Antragsstellern eingereichten technischen Dossiers enthaltenen wissenschaftlichen Informationen und zum anderen das Ergebnis der Beurteilung der sonstigen zur Verfügung stehenden einschlägigen Informationen.
3. Trifft es zu, dass keine Langzeitstudien (730-Tage-Tests) durchgeführt wurden, obwohl solche Studien vorgeschrieben sind?
Die EFSA hat die Bedeutung von Tierfütterungsversuchen in Bezug auf die Risikobewertung von Lebens- und Futtermitteln eingehend untersucht. Der zugehörige Bericht wurde Anfang des Jahres 2008 veröffentlicht und beinhaltet die Schlussfolgerung, dass 90-tägige Fütterungsversuche für die Bewertung von Lebensmitteln (einschließlich gentechnisch veränderter Lebensmittel) ausreichend lange dauern und dass derartige Fütterungsversuche allenfalls wenig - wenn überhaupt - zum Risikobewertungsverfahren insgesamt beitragen können. Aus diesen Gründen sind 90-tägige Fütterungsversuche nur unter den in dem Bericht beschrieben Umständen erforderlich (siehe die diesbezüglichen Schlussfolgerungen auf der folgenden Internetseite: http://www.efsa.europa.eu/EFSA/efsa_locale-1178620753824_1178660555237.htm).
Der EFSA sind keine rechtlichen Bestimmungen bekannt, in denen derartige langfristige Tierversuche bzw. Langzeitstudien vorgeschrieben würden.
4. Trifft es zu, dass keine Bewertungen zu kumulativen toxischen Folgen bestehen?
Die Frage der unmittelbaren bzw. mittelbaren kumulativen toxischen Folgen bildet einen wesentlichen Bestandteil der Risikobewertung und ist muss daher im Rahmen der Antragstellung berücksichtigt werden. Der Antragssteller hat demzufolge der EFSA eine umfassende Risikobewertung vorzulegen, die dann von der EFSA bewertet wird. Für den Fall, dass die Sachverständigen der EFSA die im technischen Dossier übermittelten Daten als nicht ausreichend genug ansehen, um als Basis für solide wissenschaftliche Schlussfolgerungen dienen zu können, fordern sie den jeweiligen Antragssteller dazu auf, weitere Daten oder Informationen vorzulegen. Letzteres geschieht in 95 % aller Fälle. Die EFSA schließt ihre Bewertung erst dann ab, wenn sämtliche Anforderungen erfüllt sind.
Ein Beispiel: Die EFSA fordert eine umfassende toxikologische Analyse, die es erlaubt, die toxikologischen Auswirkungen jeder Veränderung zu bewerten, die sich aus der Ausprägung der eingefügten Gene oder jeder anderen Art von genetischer Veränderung in dem gentechnisch veränderten Lebens- oder Futtermittel ergibt. Zum diesen Zwecke kann das Untersuchen einzelner Verbindungen und/oder des gesamten Lebens- oder Futtermittels in Betracht gezogen werden. Während das Erfordernis einer toxikologischen Untersuchung für jeden Fall gesondert zu erwägen ist, muss bei der Risikobewertung in jedem Falle Folgendes sorgfältig geprüft werden:
(1) das Vorhandensein von neuaufgetretenem Eiweiß;
(2) das etwaige Vorhandensein von neuen Komponenten und/oder
(3) etwaige Veränderungen des Anteils der natürlichen Bestandteile, die über das hinausgehen, was als lediglich natürliche Veränderung angesehen wird.
Es wird davon ausgegangen, dass genehmigte Lebens- bzw. Futtermittel wiederholt von Menschen und/oder Tieren verzehrt werden. Das Einschätzen der erwarteten Aufnahmemengen stellt einen grundlegenden Bestandteil der Risikobewertung von gentechnisch veränderten Lebens- oder Futtermitteln dar.
5. Trifft es zu, dass zwei Mitglieder des GMO-Gremiums der EFSA - die Herren Buhk und Bartsch - in einem Werbevideo aufgetreten sind, das für sechs multinationale Konzerne der Gentechnikindustrie gedreht wurde?
Der EFSA ist bekannt, dass im Jahre 2001 ein freiberuflich tätiger Journalist zwei Mitglieder des GMO-Gremiums interviewt hat und dass Teile dieser Interviews in einem von der Industrie unterstützten Video verwendet wurden. Nach den Erkenntnissen der EFSA erhielten diese beiden Mitglieder dafür keinerlei Vergütung. Die Informationen, die in dem Video mitgeteilt wurden, wurden aus wissenschaftlicher Sicht als zutreffend angesehen.