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Cem Özdemir
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Frage von Kanstansin K. •

Frage an Cem Özdemir von Kanstansin K. bezüglich Außenpolitik und internationale Beziehungen

Sehr geehrter Herr Ötzdemir,

bis 2050 soll die Einwohnerzahl südlich der Sahara von 900 Mio. auf 3,8 Mrd. steigen, siehe auch diesen Link:

http://www.handelsblatt.com/politik/international/deutsche-stiftung-weltbevoelkerung-afrikas-bevoelkerung-wird-sich-vervierfachen/8477404.html

Was gedenken denn die europäischen Politiker dagegen zu tun? Kann man den menschen nicht mit Verhütungsmitteln und Aufklärung helfen?

Sonst sehe ich die Gefahr, dass es regelrechte Migrationsströme geben könnte.
Kann es sein, dass der Politik die Dimension noch nicht klar ist?
Alle Millenniumsziele scheinen in weiter ferne, wenn es nicht zu einer Geburtenreduzierung kommt, stimmen Sie dem zu?

Mit freundlichen Grüßen

Kanstansin Kavalenka

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Bündnis 90/Die Grünen

Sehr geehrter Herr Kavalenka,

das Bevölkerungswachstum kann tatsächlich zu sozialen und ökologischen Problemen führen. Zwar gilt, dass wir mit den vorhandenen Ressourcen (wie beispielsweise Getreide) sehr verschwenderisch umgehen. Es leiden viele Menschen an Hunger und Unterernährung, obwohl unser Planet die Ressourcen hat, um die aktuelle Bevölkerung von sieben Milliarden Menschen zu ernähren. Es wäre dennoch naiv und fatal, vor dem Bevölkerungswachstum und seinen möglichen Folgen die Augen zu verschließen. Die Prognosen der Vereinten Nationen gehen davon aus, dass bis 2050 9,3 Milliarden Menschen auf der Erde leben werden. Das wären 2 Milliarden mehr Menschen als heute auf der Erde leben.

Mit der wachsenden Bevölkerung wächst auch der Ressourcenhunger. Wenn man den bisherigen Ressourcenverbrauch zugrunde legt, so bräuchte man im Jahr 2050 laut der Umweltorganisation WWF tatsächlich drei Erden, um den Ressourcenhunger der Weltbevölkerung zu stillen. Zugleich sind die Lebenschancen und der Zugang zu Lebensmitteln auf unserem Planeten sehr ungleich verteilt. Angesichts von Hungersnöten und Klimawandel braucht es ein grundlegendes Umdenken.

Das Bevölkerungswachstum ist sehr ungleich verteilt. Während in den Industrienationen wie Japan und Deutschland die Geburtenraten unter zwei Kinder pro Frau gesunken sind, liegen diese in vielen Entwicklungsländern, insbesondere in Afrika südlich der Sahara und in Südasien, auf sehr hohem Niveau, mit bis zu 6,4 Geburten pro Frau. Das ungleiche Wachstum ist damit gleichzeitig Ausdruck von Wohlstand, verbesserter Gesundheit und längerer Lebenserwartung auf der einen sowie von Armut und verhinderten Rechten auf der anderen Seite.

Aber klar ist auch: Es gibt keine einfachen Lösungen, damit die Geburtenraten beispielsweise in Teilen Afrikas sinken. Zudem müssen wir bedenken: Selbst wenn die Geburtenrate sinkt, wird die Zahl der Geburten noch weiter steigen aufgrund des hohen Anteils junger Frauen und Männer.

Das Selbstbestimmungsrecht der Frauen ist aus meiner Sicht ein entscheidender Schlüssel, der wiederum weitere positive Entwicklungen nach sich zieht. Hohe Geburtenraten stehen oftmals in Verbindung mit fehlendem Zugang zu Bildung und modernen Familienplanungsmethoden. Die Deutsche Stiftung Weltbevölkerung weist darauf hin, dass in Entwicklungsländern ein Viertel der Frauen, die verhüten möchten, keine Möglichkeit dazu hat. Das zeigt, wie wichtig die Verwirklichung der sogenannten "sexuellen und reproduktiven Gesundheit und Rechte" im Sinne des Aktionsprogramms der Kairoer Weltbevölkerungskonferenz ist. Hier wird unter anderem gefordert, dass jeder Mensch Zugang zu Informationen über Verhütungsmittel sowie zu effektiven Verhütungsmitteln selbst haben muss. Für mich folgt daraus, dass wir angesichts des globalen Bevölkerungswachstums vor allem die Rechte der Frauen und Mädchen stärken müssen: das Recht auf Bildung und das Recht auf sexuelle Selbstbestimmung. Oftmals sind insbesondere Frauen und Mädchen benachteiligt, ausgegrenzt und diskriminiert. In diesem Zusammenhang finde ich auch diese Studie interessant: http://www.wzb.eu/de/pressemitteilung/der-grosse-unterschied. Hinzu kommen der allgemeine Zugang zu Bildung in einer Gesellschaft, aber auch zu Alterssicherung und grundsätzlich gute Regierungsführung. Auch letzteres verdeutlicht, dass es keine einfachen oder monokausalen Lösungen gibt.

Im Rahmen der Entwicklungszusammenarbeit kann Deutschland wertvolle Beiträge liefern. So fordern wir seit Langem, die Anstrengungen im Bereich der Entwicklungszusammenarbeit zu verstärken. In den Haushaltsanträgen der Bundestagsfraktion Bündnis 90/Die Grünen setzen wir immer wieder klare Signale in diesem Bereich und fordern u.a. eine deutliche Steigerung der Mittel für den Bevölkerungsfond der Vereinten Nationen (UNFPA) ebenso wie für die International Planned Parenthood Federation (IPPF), die aktiv die sexuellen und reproduktiven Rechte ebenso wie das Recht auf Familienplanung fördern.

Im Kern, das möchte ich unterstreichen, geht es um das Selbstbestimmungsrecht der Frau und den Zugang zu Bildung. Ein Aspekt ist aber auch wichtig: Es kann nicht sein, dass der Westen mit dem Finger auf die Länder mit hohen Geburtenraten zeigt und dort Veränderung einfordert - selbst aber weiterhin in diesem Maße die Ressourcen des Planeten verbraucht. Nur ein Beispiel, das mir kürzlich begegnet ist: Der jährliche Stromverbrauch aller Haushalte in Subsahara-Afrika (ohne Südafrika) entspricht dem aller Haushalte in New York. Auch wir haben hier eine große Verantwortung, der wir global gerecht werden müssen - bei der Vermeidung und Bekämpfung von Hunger in der Welt und nicht zuletzt auch in den Bereichen Klimaschutz, Energiesparen, Ressourceneffizienz und Ausbau der erneuerbaren Energien.

Mit freundlichen Grüßen
Cem Özdemir

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