Frage an Cem Özdemir von Hendrik O. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen
Sehr geehrter Herr Özdemir ,
wie stehen Sie, wie stehen die Grünen zur sogenannten 2-Meter-Regel in Baden-Württemberg, die es Radfahrern untersagt, auf Waldwegen unter 2m Breite zu fahren?
Ihr Partei-Kollege Buchter (Grüne) sagte 1995 - und damit aus der Opposition heraus - zur 2-Meter-Regel: "Ich sage darauf nur: Da wurde wieder einmal Klientelpflege betrieben." Gemeint war, dass die regierende CDU die 2-Meter-Regel beibehält, um das wandernde Wahlvolk nicht zu vergrätzen.
2013 selber an der Regierung verteidigt Ihr Parteikollege Landwirtschaftsminister Bonde die 2-Meter-Regel und macht sich die Argumente seiner Vorgänger zu eigen. Seltsam, oder? Da wird vermutlich vor dem Hintergrund des Themas Nationalpark, den man u.a. gemeinsam mit dem Schwarzwaldverein voran treibt, wieder Klientelpflege betrieben, oder?
Die 2-Meter-Regel sorgt seit jeher für Probleme:
- sie kriminalisiert Bürger pauschal in Ihrer Freizeit und ist verfassungsrechtlich fragwürdig
- die Diskriminierung fördert ein Gegeneinander statt ein Miteinander im Wald
- rechtliche Grauzone für Trainer gegenüber Mitgliedern; insbesondere bei Kindern und Jugendlichen.
- der umweltfreundliche und wirtschaftlich interessante Biketourismus hinkt im Schwarzwald deutlich hinter vergleichbaren Regionen hinterher
Dabei wurde in Studien bewiesen, dass es keine nennenswerten Konflikte zw. Radfahrern und anderen Waldnutzern gibt und dass das Radfahren im Wald keine anderen Beeinträchtigung der Natur zur Folge hat, als z.B. das Wandern.
Auf der Habenseite steht, dass das Radfahren in der Natur die Gesundheit fördert, die Augen für die Schönheit und Schutzbedürftigkeit der Natur öffnet, v.a. auch Jugendlichen die Freude am Sport näher bring und mittelbar dazu führt, dass das Fahrrad auch als Verkehrsmittel im Alltag eher in Betracht gezogen wird.
Ich möchte Sie daher bitten, sich für eine Abschaffung der 2-Meter-Regel in Baden-Württemberg einzusetzen.
Mit herzlichen und hoffnungsvollen Grüßen
H.Ockenga
Sehr geehrter Herr Ockenga,
ich verstehe, dass dieses Thema die Gemüter erhitzt. Da stehen verschiedene berechtigte Belange im Raum, die miteinander in Einklang gebracht werden müssen. Das ist leider nicht immer leicht. Auch hat hier, wenn ich das richtig sehe, das Land die Gesetzgebungskompetenz.
Wir GRÜNEN setzen uns ein für eine Erweiterung und Vernetzung der Mountainbike-Wegenetze insbesondere in den Mittelgebirgen. Berücksichtigt werden müssen hierbei gleichwohl auch die Interessen von Wanderern, Reitern und dem Naturschutz. Der Wald in Baden-Württemberg wird landesweit intensiv durch Erholungssuchende genutzt. Die Nutzung durch verschiedenste Sportarten neben Spaziergängen und Wanderungen ist jedoch nicht konfliktfrei. Immer wieder kommt es zu schweren, meines Wissens teils sogar tödlichen Unfällen. Konflikte entstehen, wenn auf schmalen Wegen der gefahrlose Begegnungsverkehr nicht mehr möglich ist. Nach § 37 Abs. 3 S. 3 Landeswaldgesetz ist das Radfahren auf Wegen unter 2 m Breite daher untersagt.
Mit dem Ziel, eine Verbesserung der radtouristischen Attraktivität für eine zunehmende Zahl von Mountainbikerinnen und Mountainbikern zu schaffen, wurde nun ein Strategiepapier zur Verbesserung des Mountainbike-Wegenetzes im Schwarzwald erarbeitet (gemeinsam von Schwarzwald-Tourismus GmbH, beiden Naturparken, dem Schwarzwaldverein und dem Landesbetrieb ForstBW). U.a. sollen Singletrail-Strecken verstärkt ausgewiesen werden. Ab 2014 werden in den Schwarzwald-Naturparken Pilotprojekte zur Ausweisung von Singletrails begleitet. Von besonderem Interesse ist es, ob es gelingt, gegenseitige Störungen zu verringern, das Unfallrisiko zu mindern und gleichzeitig die Fahrrad- und Mountainbike-Attraktivität zu steigern.
Die bestehende 2-m-Regelung hat sich nach meinem Kenntnisstand bewährt, doch natürlich kann ich den Unmut mancher RadfahrerInnen nachvollziehen. Die von Ihnen angeführten Studien kenne ich nicht, aber sie sollten bei einer fortwährenden Evaluation für eine flexible Handhabe berücksichtigt werden. Auch sollte berücksichtigt werden, wie andere Bundesländer mit der Problematik umgehen und welche Lösungen sich dort bewährt haben. Eine flexible Handhabung über Ausnahmeregelungen ist dort möglich, wo eine Entflechtung des Besucherverkehrs angestrebt wird oder das Unfallrisiko gering ist. Im Rahmen des im Schwarzwald gestarteten Pilotprojekts wird zu prüfen sein, ob ein Abbau von Konflikten und Risiken durch eine Entflechtung des Erholungsverkehrs bewirkt werden kann.
Mit freundlichen Grüßen
Cem Özdemir