Frage an Carsten Träger von Thomas P. bezüglich Recht
Sehr geehrter Herr Träger,
der Bundestag beschließt mit Mehrheit Ihrer großen Koalition („versteckt“ im 2. Corona Steuerhilfegesetz), dass Bereicherung mittels Straftaten (Taterträge, „Beute“) auch nach der Verjährung der Straftat noch abgeschöpft werden kann.
Neben diesem § 375a AO hatte das Bundesfinanzministerium in dem Gesetzestext auch einen neuen § 34 EGAO hineingeschrieben. Diese Vorschrift legt fest, dass diese Vorschrift nur für Steueransprüche gilt, die am 1. Juli 2020 noch nicht verjährt waren. Für bereits verjährte Ansprüche aus „Cum/Ex“-Sachverhalten bedeutet das: Die Tatbeute darf einbehalten werden, dem Staat gehen Milliarden verloren.
Haben sie vor diese Ausnahme für „Cum/Ex“ zu korrigieren? Wenn ja, wann?
Viele Grüße,
Thomas Piskol
Sehr geehrter Herr Piskol,
der Cum/Ex-Skandal wird uns alle noch lange in Atem halten. Leider ist durch diese unsauberen Geschäftspraktiken dem deutschen Steuerzahler viel Geld abhandengekommen. Es ist deshalb richtig, dass die Finanzbehörden bereits Nachforderungen von über 1 Milliarde Euro geltend gemacht haben.
Allerdings tangiert der konkrete Fall vitale Bereiche unseres Grundgesetzes und unserer Rechtsordnung.
Leider haben es einige Finanzbehörden der Länder aus mir nicht ersichtlichen Gründen unterlassen rechtzeitig, also noch vor einer möglichen Verjährung der steuerrechtlichen Ansprüche, entsprechende Bescheide zu erlassen. Deshalb musste hier im Rahmen unserer Gesetze eine Regelung geschaffen werden.
In Deutschland gilt der Rechtsgrundsatz, dass kein Gesetz rückwirkend zum Schaden des jeweiligen Betroffenen erlassen werden darf. Ein Gesetz, welches diesen Grundsatz durchbricht muss sehr hohe Hürden nehmen. Es sind hier Grundsätze unserer Verfassung betroffen, unter anderem der Gleichheitsgrundsatz (Art. 3 GG) und die Rechtsstaatlichkeit (Art. 20 Abs. 3 GG) an sich. Das Bundesverfassungsgericht hat dazu festgestellt, dass dies der Gesetzgeber nur tun darf, wenn er einen legitimen gesetzgeberischen Zweck erreichen will. Die eigentliche Frage, die jetzt zu beantworten ist, lautet also, ob der Staat (obwohl es ihm selbst zuzurechnen ist, die Steuerschuld nicht eigetrieben zu haben), trotzdem einen legitimen gesetzgeberischen Zweck erfüllt, wenn er hierfür eine Ausnahme schafft. Der von Ihnen angesprochene „Zusatzparagraph“ ist also nicht etwa ein unnötiger Freibrief für Kriminelle, sondern direkter Ausfluss aus den angesprochenen hohen Rechtsgütern und den schwierigen rechtlichen Fragestellungen, welche sich aus diesem Fall ergeben.
Das Bundesfinanzministerium und das Bundesjustizministerium sind im Moment dabei zu prüfen, ob es irgendwie möglich ist eine solche Regelung rechtskonform durchzusetzen. Ich hoffe sehr, dass ein solcher Weg gefunden wird.
Mit freundlichen Grüßen
Ihr
Carsten Träger