Frage an Carsten Sieling von Malte D. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen
Sehr geehrter Herr Abgeordneter,
mit Sorge musste ich gestern erfahren, dass die Vorratsdatenspeicherung (VDS), die jetzt Höchstspeicherungsfrist heißt, wieder eingeführt wird. Dadurch wird durch massenhafte Speicherung von Kommunikationsdaten unschuldiger BürgerInnen möglich. Ich mache mir ernsthaft Sorgen um den Rechtsstaat und meine Freiheit. Nun meine Fragen:
1. Wie stehen Sie zum Gesetzentwurf? Lehnen Sie eine VDS ab? Wenn nein, warum?
2. Es gibt technische Möglichkeiten, die VDS zu umgehen, z.B. durch im Ausland stehende Telefon- oder IP-Server. Werden Sie nach Inkrafttreten eines entsprechenden Gesetzes diese Umgehungen selber nutzen? Wenn nein, warum nicht?
3. Im Rahmen dieser Debatte fällt häufiger der Satz „Ich habe doch nichts zu verbergen“. Was ist damit gemeint?
4. Wäre es nicht konsequent, wenn man alle Kommunikationsdaten speichert, auch DNS-Profile und Fingerabdrücke aller BürgerInnen zu speichern?
Ich bedenke mich schon mal im Voraus für die Beantwortung der Fragen.
Mit freundlichen Grüßen
Malte Dierwald
Sehr geehrter Herr Dierwald,
haben Sie vielen Dank für Ihre Frage auf abgeordnetenwatch.de.
am 15. April hat Bundesjustizminister Heiko Maas Leitlinien zur Einführung einer Speicherpflicht und einer Höchstspeicherfrist für Verkehrsdaten vorgelegt.
Mit dem Vorschlag von Bundesjustizminister Maas wird eine eng begrenzte Pflicht für alle Telekommunikationsanbieter zur Speicherung von wenigen, genau bezeichneten Verkehrsdaten unter Ausnahme von Diensten der elektronischen Post – also Email – eingeführt.
Oberste Richtschnur aller Regelungen sind hierbei die strengen Vorgaben des Bundesverfassungsgerichtes und des Europäischen Gerichtshofes. Die von Bundesjustizminister Maas vorgelegten Leitlinien sind viel restriktiver als das vom Bundesverfassungsgericht aufgehobene, ehemalige Gesetz zur Vorratsdatenspeicherung, viel restriktiver als die aufgehobene europäische Richtlinie und auch viel restriktiver als CDU/CSU es wollen:
Gespeichert werden müssen nur genau bezeichnete Verkehrsdaten, die bei der Telefonkommunikation anfallen (Rufnummer, Beginn und Ende des Telefonats, im Fall von Internet-Telefondiensten auch die IP-Adressen). Diese Daten sollen zehn Wochen gespeichert werden.
Für die Bezeichnung der Funkzellen, die durch den anrufenden und den angerufenen Anschluss bei Beginn der Verbindung genutzt werden, gilt eine deutlich kürzere Speicherfrist von vier Wochen. Diese kurze vierwöchige Speicherfrist ist vorgesehen, weil über Funkzellendaten der Aufenthaltsort des Mobilfunknutzers bestimmt werden kann und wir nicht wollen, dass mittels dieser Daten Bewegungs- und Persönlichkeitsprofile erstellt werden können. Zusätzlich muss im richterlichen Anordnungsbeschluss einzelfallbezogen begründet werden, warum der Abruf von Funkzellendaten erforderlich und angemessen ist. Anders als etwa in Frankreich dürfen Kommunikationsinhalte und aufgerufene Internetseiten nicht gespeichert werden.
Um die Grundrechte der Betroffenen auf Datenschutz und Schutz ihrer Privatsphäre zu wahren, ist der Datenabruf nur zur Verfolgung von schwersten Straftaten möglich. Daten von Berufsgeheimnisträgern wie Journalisten, Anwälten oder Ärzten unterliegen einem Verwertungsverbot. Dies gilt auch bei Zufallsfunden.
Wichtig ist, dass der Zugriff auf die gespeicherten Daten transparent und restriktiv geregelt ist: Es gibt einen strengen Richtervorbehalt, d.h. nur auf richterlichen Beschluss hin dürfen Ermittlungsbehörden die Daten abrufen und es gibt keine Eilkompetenz der Staatsanwaltschaft oder der Polizei. Im Vergleich zu der vom Bundesverfassungsgericht verworfenen Regelung zur Vorratsdatenspeicherung ist auch der von Minister Maas vorgelegte Straftatenkatalog deutlich reduziert worden. Der Abruf von Daten wird nur für schwerste Straftaten möglich sein. Darüber hinaus müssen die Betroffenen grundsätzlich über jeden Abruf informiert werden. Nach Ablauf der Speicherfrist von zehn bzw. vier Wochen müssen die gespeicherten Daten gelöscht werden. Verstöße gegen die Löschpflichten oder die Weitergabe von Daten haben strenge Sanktionen für die Diensteanbieter zur Folge.
Die Leitlinien enthalten zudem eine datenschutzrechtliche Verbesserung zur geltenden Rechtslage: Das Gesetz wird die Befugnis der Ermittlungsbehörden zum Abruf der genannten Daten abschließend regeln. Speichert ein TK-Anbieter die Daten über den verpflichtend vorgegebenen Zeitraum auf Grund einer anderen Rechtsgrundlage, z.B. zu Zwecken der Vertragserfüllung, weiterhin, so ist der Abruf nach diesem Gesetz dennoch nach Ablauf der 10 bzw. 4 Wochen untersagt.
Um die Sicherheit der gespeicherten Daten schließlich zu gewährleisten, werden die Diensteanbieter zudem verpflichtet, die Daten zu schützen. Auch müssen die Server, auf denen die Daten gespeichert werden, innerhalb Deutschlands stehen. Wenn ein Diensteanbieter mit den gespeicherten Daten Datenhandel treibt und diese unbefugt an Dritte weitergibt, ist dies zukünftig eine Straftat nach dem neu zu schaffenden Tatbestand der Datenhehlerei.
Die jetzt vorgelegten Leitlinien sind eine Grundlage für die weitere Debatte auch innerhalb der SPD und das anstehende parlamentarische Verfahren. Dabei werde die Abwägung über den richtigen Weg im Vordergrund stehen und Verbesserungsmöglichkeiten Raum bekommen.
Mit freundlichen Grüßen,
Dr. Carsten Sieling MdB