Frage an Carsten Sieling von Kai P. bezüglich Wissenschaft, Forschung und Technologie
Guten Tag Herr Sieling,
Ich habe im Jahre 2005 Abitur gemacht, und möchte nun studieren. Aufgrund des hohen NCs in den Fächern Sonderpädagogik und Germanistik kann ich selbst nach 13 Wartesemestern (ich habe einen Studiengang nach meinem Abitur nach 3 Semestern aufgegeben und anschließend eine Ausbildung abgeschlossen)nicht studieren. Der Studiengang ist überlaufen, selbst die lange Wartezeit reicht nicht aus. Nun sitze ich in einem Job fest, der mich geistig nicht erfüllt und meinen Drang nach Bildung einschränkt. Die Tatsache, dass der Abischnitt von vor acht Jahren mir immer noch vorgehalten wird, ist meiner Meinung nach unzumutbar.
Es wird scheinbar nicht nach geistiger Reife geurteilt, sondern nur nach Leistung.
Meine Frage an Sie: Wollen Sie dieses veraltete System der Ungerechtigkeit beibehalten, oder werden Sie sich für Reformen zur Gleichberechtigung in der Bildung einsetzen?
Ich freue mich auf eine Antwort.
Sehr geehrter Herr Pohlmann,
vielen Dank für Ihre Frage.
In Deutschland studieren derzeit rekordverdächtige 2,5 Millionen junge Menschen. 500.000 begin-nen jedes Jahr Ihr Studium. Obwohl Bund und Länder das Angebot an Studienplätzen stark ausgebaut haben - allein durch den sog. Hochschulpakt können von 2006 bis 2015 insgesamt rund 800.000 Studienplätze geschaffen werden – überrollt die Studienplatznachfrage gegenwärtig alle Prognosen. Damit wir uns nicht missverstehen: Das ist ein überaus gutes Zeichen! Aber es bringt auch Probleme mit sich. Deshalb kann ich nachvollziehen, dass Universitäten gemeinsam mit dem Staat überlegen, hier dem Ansturm Herr zu werden. Ein Kriterium der Auswahl von Studienbewerbern sind dann oft genug die bisherigen Leistungen.
Das Problem: Obwohl die Hochschulen ca. 60 Prozent ihrer Plätze individuell vergeben können, gehen sie aber in der Praxis weiter meist nach NC. Sie könnten hier aber mehr tun und größeren Wert auf individuellen Eignungstests setzen. Hier würden dann etwa auch fachnahe Vorqualifikationen (Krankenschwester / Sanitäter bei Medizin, Bauzeichner bei Architektur usw. ) positiv berücksichtigt. Leider machen die Hochschulen aber davon viel zu wenig Gebrauch. Ich bin der Überzeugung, dass sie individuelle Talente und Neigungen besser berücksichtigen müssen. Meist zählt leider allein der Abischnitt.
Sie kritisieren, dass nur nach Leistung und nicht nach „geistiger Reife“ geurteilt werde. Es ist jedoch nicht einfach, ein transparenteres Kriterium für „Leistung“ zu finden. Fachnahe Vorqualifikationen sind sicher ein positives Element, auch gesellschaftliches Engagement. Aber woran soll „Reife“ ge-messen werden?
Dennoch: Es gibt aber auch Urteile zu maximal zulässigen Wartezeiten. In Medizin hat das Bundes-verfassungsgericht mehr als sechs Jahre Wartezeit 1977 als verfassungswidrig erklärt. Ein weiterer Fall liegt derzeit in Karlsruhe zur Entscheidung vor. Hier sind zwei Sachen strittig, nämlich was noch als „Warten“ gilt und wie mit den veränderlichen Wartezeiten (jedes Jahr neu berechnet) umzugehen ist, da der Einzelne trotz Wartens seinem Studienplatz nicht näher kommt.
Jedem/r Studienplatzbewerber/in zeitnah seinen/ihren gewünschten Studienplatz anbieten zu können ist ein Ziel, für das ich mich gern einsetze. Bis dahin ist es noch ein weiter Weg. Und schon heute gibt es Möglichkeiten, hier für Entspannung zu sorgen. Aber da sind vor allem auch die Hochschulen selbst gefragt.
Mit freundlichen Grüßen,
Dr. Carsten Sieling MdB