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Carsten Sieling
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Frage von Heinz K. •

Frage an Carsten Sieling von Heinz K. bezüglich Soziale Sicherung

Ein freischaffender Künstler oder Journalist, hier genannt Karl, hat über 34 Jahre in die Rentenkasse eingezahlt, ab 1982 vorwiegend in die Künstlersozialkasse.
Laut Rentenbescheid bekommt er nun eine monatliche Rente von 162,30
Durch seine Arbeit hat er noch einen kleinen Zuverdienst zu seiner Rente.
Da ein kleines Haus besitzt und durch eine Vermietung von zwei Wohnungen monatlich 680,00 € bezieht kann seine Rente nicht aufgestockt werden.
Ihm wird auch kein Wohngeld zugestanden.
Eine Rücklage für anstehende Reparaturen seines Hauses sind nicht möglich.
wurde von behördlicher Seite empfohlen, sein Häuschen zu verkaufen.
Aus dem Erlös des Hausverkaufs müsste er sein Leben finanzieren.
Wenn das Geld verbraucht ist, dann könne er einen Antrag auf Bezuschussung seiner Rente stellen.
Er könne dann ebenfalls Wohngeld beantragen.

Was raten Sie !

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Antwort von
SPD

Lieber Heinz Karl,

haben Sie vielen Dank für Ihre Frage auf abgeordnetenwatch zum Thema Rente. Da Ihre Frage doch sehr spezifisch ist, bin ich allerdings nicht sicher, inwieweit ich Ihnen hier überhaupt Rat erteilen kann.

Als Bundestagsabgeordneter ist es für mich immer besonders wichtig, ob es sich, wie auch in dem von Ihnen geschilderten Fall, um ein Problem der Gesetzgebung und/oder um Gesetzesanwendung, also Vollzug handelt. Sicherlich können Sie verstehen, dass ich als Außenstehender zu Ihrer Auseinandersetzung mit den jeweiligen Behörden wenig sagen kann, da es um die Anwendung geht.

Das drängendste Versäumnis aufseiten des Gesetzgebers sehe ich in dem von Ihnen geschilderten Fall hingegen in dem bis heute existierenden Sicherungsdefizit bei Selbstständigen ohne obligatorische Altersvorsorge, die auch in Ihrem Fall, bei einer monatlichen Rente von 162,30 Euro, voll durchschlägt. Da der von Ihnen geschilderte Fall ja längst kein Einzelfall ist, besteht für mich hier unbedingter Handlungsbedarf. Denn gerade die Ausweitung des Versichertenkreises in der gesetzlichen Rentenversicherung auf bisher nicht pflichtversicherte Selbstständige ist ein Gebot der Solidarität, zugleich aber auch ein Schritt zu einer Rentenversicherung, in der langfristig alle Erwerbstätigen zu gleichen Bedingungen für das Alter und bei Erwerbsminderung versichert sind.

Leider konnten wir die bisherige schwarz-gelbe Regierung nicht zu einer Rentenpolitik für Selbstständige bewegen. Klar ist aber auch, dass die SPD ganz nüchtern betrachtet die einzige Partei mit einem geschlossenen Rentenkonzept ist, das eben auch diesen Aspekt ganz konkret aufgreift.

Anstatt einseitig auf die kapitalgedeckte, private Vorsorge zu verweisen, wollen wir Selbstständige ohne obligatorische Alterssicherung in die gesetzliche Rentenversicherung als Pflichtversicherte aufnehmen. Damit wird den Entwicklungen am Arbeitsmarkt Rechnung getragen, die dazu führen, dass die Übergänge zwischen selbstständiger Erwerbstätigkeit und abhängiger Beschäftigung mittlerweile fließend sind und Wechsel zwischen diesen unterschiedlichen Erwerbsformen immer häufiger vorkommen. Es ist deshalb richtig, für eine beständige Altersvorsorge während dieser unterschiedlichen Tätigkeiten in den Sozialversicherungen zu sorgen. Dabei bietet die gesetzliche Rentenversicherung nicht nur eine Rente im Alter, sie sichert auch die Erwerbsfähigkeit während des Arbeitslebens mit Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben sowie bei Erwerbsminderung.

Die Regierungskoalition hingegen hat sich hier bislang noch nicht einmal zu einer klaren Position durchringen können, so dass weder im aktuellen Referentenentwurf zum sog. "Gesetzes zur Stärkung der Alterssicherung" noch im Vorgängerentwurf eines "Gesetzes zur Anerkennung von Lebensleistung in der Rentenversicherung" entsprechende Regelungen enthalten sind. Das Bundesministerium für Arbeit und Soziales hat allerdings im Rahmen eines Info-Papieres Eckpunkte formuliert, die nur als Verschlimmbesserung der gegenwärtigen Situation bezeichnet werden können:

1. Es würde eine Pflicht zur Altersvorsorge geschaffen. Dies wäre keine Rentenversicherungspflicht: Selbständige könnten frei entscheiden, ob sie eine private Vorsorge treffen oder sich in der Rentenversicherung versichern.

2. Dabei würden großzügige Übergangsvorschriften geschaffen: Nur für Selbstständige, die noch nicht das 30. Lebensjahr vollendet haben, sollen die qualitativen Anforderungen des privaten Altersvorsorgevertrages (siehe Punkt 3.) gelten. Für Selbstständige zwischen dem 30. und 50. Lebensjahr gelte nur, dass sie irgendeine Form der Altersvorsorge getroffen haben müssten, die im Alter eine Basissicherung darstellt. Für Selbstständige zwischen dem 30. und 50. Lebensjahr gelte nur, dass sie irgendeine Form der Altersvorsorge getroffen haben müssten, die im Alter eine Basissicherung darstellt.

3. Als Anforderung an die private Vorsorge wäre es notwendig, dass diese nicht vererblich, nicht übertragbar, nicht beleihbar, nicht veräußerbar und nicht kapitalisierbar sein dürfe. Für die Leistungshöhe wird eine Basissicherung gefordert; als Richtgröße wird genannt, dass nach 45-jähriger Beitragszahlung eine Leistung etwas oberhalb des Niveaus der Grundsicherung im Alter (gegenwärtig ca. 670 EUR) erreicht werden solle.

Dieser Vorschlag ist für uns als SPD indiskutabel:

1. Statt die gesetzliche Rentenversicherung zu stärken und zu einer Erwerbstätigenversicherung zu erweitern, würde sie geschwächt: Während ArbeitnehmerInnen dort versichert sein ,müssten´, dürften´ Selbstständige entscheiden, wo und wie sie sich absichern.

2. Für Selbstständige, die -- aus welchen Gründen auch immer -- auf die Versicherung in der Rentenversicherung verzichten würden, entsteht so die Gefahr von hohen Kosten, wenn sie nach einer Selbstständigkeit (wieder) abhängig beschäftigt werden: Sie unterliegen dann der Rentenversicherungspflicht und müssten entweder ihren privaten Vertrag weiterhin bedienen oder diesen kündigen, was mit hohen Verlusten einherginge.

3. Zudem würde die Wahlfreiheit zu einer Risikoselektion führen, ähnlich wie schon heute bei der Krankenversicherung. Gesunde Selbstständige, die davon ausgehen, ein geringeres Erwerbsminderungsrisiko zu besitzen, würden sich überwiegend privat absichern, während diejenigen mit höherem Erwerbsminderungsrisiko kaum attraktive Tarife bei den privaten Versicherern zu erwarten hätten und damit in die gesetzliche Rentenversicherung gehen (müssten). Der Solidarausgleich bliebe so allein auf die Gruppe der gesetzlich Versicherten beschränkt.

4. Auch innerhalb des gewählten Ansatzes sind die Regelungen unzureichend: Mit den viel zu großzügig gewählten Übergangsvorschriften, die nahezu jede Form der Altersvorsorge anerkennen, kann nicht sichergestellt werden, dass tatsächlich Altersarmut vermieden wird.

5. Dabei ist es grundsätzlich nicht akzeptabel, dass auch bei erwerbslebenslanger Selbstständigkeit nur auf die ,Armutsvermeidung´ abgestellt würde. Bei einer Versicherungspflicht ist die Abkehr von einkommensbezogenen Beiträgen ein sozialpolitischer Paradigmenwechsel, der auch auf die gesetzliche Rentenversicherung ausstrahlen würde, und durch die Vorschläge Ursula von der Leyens zur ,Zuschussrente´ ja bereits vorbereitet wird: Die Beitrags-Leistungs-Relation wird aufgekündigt, und die Rentenversicherung auf eine Basissicherung reduziert.

Noch etwas ganz Grundsätzliches zum Schluss: Für mich beginnt die Bekämpfung der Altersarmut mit der Bekämpfung der Erwerbsarmut. Auf lange Sicht wird unser Rentensystem nicht in der Lage sein, die während des Arbeitslebens entstandenen sozialen Ungerechtigkeiten zu korrigieren. Dennoch bleibt die gesetzliche Rentenversicherung aus meiner Sicht die tragende Säule der Alterssicherung und stellt die Grundlage für den Schutz vor Armut im Alter dar. Sie muss jedoch auch die persönlichen Leistungen der Versicherten in ihrem Arbeitsleben abbilden und ein erträgliches Auskommen im Alter ermöglichen. Aus diesen Gründen werden wir uns auch insbesondere der Bekämpfung von prekärer Beschäftigung widmen.

Mit freundlichen Grüßen

Dr. Carsten Sieling MdB