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Carsten Sieling
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Frage von Marco B. •

Frage an Carsten Sieling von Marco B. bezüglich Finanzen

Sehr geehrter Dr. Sieling,

wie ich heute dem Handelsblatt entnehmen konnte, kritisieren Sie die jetztige Bundesregierung bezüglich ihrer Nähe zu den Banken. Als Opposition ist es natürlich Ihr gutes Recht, Kritik an den Regierenden zu üben aber wo bleibt die Kritik in den eigenen Reihen?!

2005 war die SPD gemäß Koalitionsvertrag für den Abbau überflüssiger Regulierungen und den Ausbau des Verbriefungsmarktes.

Am 29. September 2008 rettete ein Finanzminister der SPD die HRE genau einen Tag nach Ablauf der Haftungsfrist für die Alteigentümer. Ein Finanzminister, der rund um die Iniative Standort Deutschland u.a. eng mit der Deutschen Bank und Goldman Sachs zusammen gearbeitet hat.

Herr Dr. Sieling, wer soll an die Ernsthaftigkeit Ihrer Kritik glauben, so lange die SPD nicht endlich zu ihren eigenen Fehlern steht?

Für eine Antwort wäre ich Ihnen sehr dankbar.

Vielen Dank im Voraus und
mit freudlichem Gruß

M. Beyer

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Antwort von
SPD

Sehr geehrter Herr Beyer,

haben Sie vielen Dank für Ihre Frage auf abgeordnetenwatch.de. In Ihrer Frage äußern Sie den Vorwurf, dass die SPD nicht zu den Fehlern steht, die im Jahrzehnt des Standortwettbewerbs auch unter sozialdemokratischen Bundesregierungen gemacht wurden. Dieser Vorwurf ist aus meiner Sicht falsch und einseitig. Richtig ist, dass auch die SPD eine gewisse Zeit gebraucht hat, die Auswirkungen explodierender Kreditersatzgeschäfte, auf die Sie ansprechen, und die damit verbundenden und Ende 2006 heraufziehenden Gefahren kritisch zu hinterfragen.

Dennoch ist es aus meiner Sicht zu einfach, wenn man die Politik von Rot-Grün im Nachhinein im Bausch und Bogen kritisiert, ohne wichtige Rahmenbedingungen des politischen Handelns dabei zu berücksichtigen. Denn damit vergisst man, dass die rot-grüne Bundesregierung zu einem Zeitpunkt antrat, zu dem ein großer gesellschaftlicher und politischer Reformdruck bestand. Deutschland galt als kranker Mann Europas, Unternehmen klagten über mangelnde Wettbewerbsfähigkeit und der Steuerwettbewerb entfaltete -- zumindest in den Köpfen vieler Entscheidungsträger -- seine verhängnisvolle Wirkung. Dem kranken Mann wurde dann eine Diagnose gestellt und von einer handlungsfähigen und entschlossenen Bundesregierung -- dieser Tage leider keine Selbstverständlichkeit -- eine Pille verabreicht, ohne dabei die Nebenwirkungen ausreichend zu berücksichtigen. Mit anderen Worten: Wegen bestimmter Folgen dieser Politik des Standortwettbewerbs, die damals unter Rot-Grün umgesetzt wurde und von Kanzlerin Merkel bis heute unbeirrt weiterverfolgt wird, müssen jetzt dringend Änderungen erfolgen.

Ein wichtiger Baustein in diesem Jahrzehnt des Standortwettbewerbs bildete die Modernisierung der Finanzmarktgesetze. Dabei wurden Liberalisierungen beispielsweise bei Verbriefungen zugelassen. Bezüglich der Regulierung von Hedgefonds sind allerdings richtigerweise strenge Maßstäbe gewählt worden. Enstprechend hat, anders als es in den Medien häufig dargestellt wird, die große Entfesselung der Hedgefonds in Deutschland eben nicht stattgefunden. Hier sind die Zahlen eindeutig: In Deutschland verfügten 2011 ausweislich der Kapitalmarktstatistik der Deutschen Bundesbank 18 Hedgefonds und sieben Dachhedgefonds zusammen über ein Fondsvermögen von 1,38 Milliarden Euro. In der EU gab es nach Angaben der BaFin zur gleichen Zeit 1181 Fonds mit einem verwalteten Vermögen von 88,64 Milliarden Euro. Dem steht die Zahl von rund 9500 Hedgefonds weltweit gegenüber, die nach Angaben der Branchenorganisation TheCityUK 2010 zusammen über ein verwaltetes Vermögen von 1,92 Bio. US-Dollar verfügten. Noch höher liegt die Schätzung der New Yorker Beratungsfirma Pertrac, der zufolge die Zahl der Einzelmanager-Hedge-Fonds 2010 weltweit um zwölf Prozent auf 16.328 gestiegen ist. Deutschland ist also ein Zwerg geblieben in diesem hochgefährlichen Bereich, wegen rot-grüner Entscheidungen. Dagegen ist zu sehen, dassder damaligen schwarz-gelben Opposition die Maßnahmen bei den Hedgefonds und auch den Verbriefungen allesamt nicht weit genug gingen. Bewegungen in die andere Richtung, wie ein frühes Verbot von Leerverkäufen verhinderte sie sogar im Bundesrat. Hätte Schwarz-Gelb früher regiert, hätten wir richtigen Manchester-Kapitalismus bekommen. Auch dies darf aus meiner Sicht bei einer fairen Beurteilung nicht fehlen.

Überhaupt nicht verstehen kann ich daher den von Ihnen geäußerten Vorwurf, der SPD fehle es an Glaubwürdigkeit, wenn wir, wie in dem von Ihnen angesprochenen Artikel im Handelsblatt, die Nähe der aktuellen Bundesregierung zur Branche der Investmentbanken kritisch hinterfragen. Warum ist es unglaubwürdig, wenn eine Partei aus erkannten Fehlentwicklungen Konsequenzen zieht und ihre Programmatik schärft? Aus meiner Sicht ist genau das Gegenteil der Fall. Genau dies ist doch die Lehre, die wir Sozialdemokraten ziehen müssen: Die Entscheidung darüber, wie die Regulierung der Finanzmärkte in Zukunft aussehen soll, muss politisch und demokratisch erfolgen und nicht durch die Finanzbranche selbst.

Mit freundlichen Grüßen,
Dr. Carsten Sieling MdB